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RA Digital - 04/2017

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208 Referendarteil:

208 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 04/2017 Einwände gegen die Bestimmtheit werden in Streitigkeiten um bauaufsichtliche Maßnahmen regelmäßig erhoben. Entscheidend ist, dass der Adressat in der Lage ist zu erkennen, was von ihm verlangt wird. Hierbei kommt es auf den objektiven Erklärungswert des VA unter Berücksichtigung aller Umstände an. § 73 III BbgBO: „Werden bauliche Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt, so kann diese Nutzung untersagt werden.“ Es ist umstritten, ob für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Nutzungsuntersagung grds. auf die letzte Behördenentscheidung (so z.B. OVG Brandenburg, Beschluss vom 30.12.2004, 3 B 55/04, juris; OVG Weimar, Urteil vom 11.12.1997, 1 KO 674/95, juris) oder auf die gerichtliche Entscheidung abzustellen ist (so z.B. VGH München, Urteil vom 16.2.2015, 1 B 13.648, juris Rn 24: Stichwort Dauer-VA). Z.T. wird auch dahingehend differenziert, dass für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen die gerichtliche Entscheidung, für die Ermessensbetätigung aber die letzte Behördenentscheidung maßgeblich ist (vgl. z.B. VGH Mannheim, Urteil vom 24.7.2002, 5 S 149/01, juris Rn 22). Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen: Zunächst Feststellung, welche Nutzung betrieben wird, hier: Lagerplatz Für welchen Zweck das Lager genutzt wird, ist irrelevant. Die in Ziffer 1 des Bescheides angeordnete Nutzungsuntersagung ist nach § 37 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes, der über § 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg anwendbar ist, hinreichend bestimmt. Ohne Erfolg verweist der Kläger darauf, dass unklar sei, wo sich die Flurstücke tatsächlich befänden. Im Bescheid sind die vier betroffenen Flurstücke konkret benannt und vier Lichtbilder mit den – dem Kläger bekannten – Grundstücksflächen beigefügt. Darauf sind Fahrzeuge und diverse andere Gegenstände zu sehen, die bis dicht an die Straße gelagert sind. Zudem ist die umliegende Wohnbebauung im Nordwesten der F... erkennbar, so dass der Kläger zweifellos wusste, dass sich die Nutzungsuntersagung auch auf den straßennahen Bereich und somit auf die F... bezog. Wenig plausibel ist der Einwand des Klägers zur fehlenden Bestimmtheit im Übrigen auch deshalb, weil er nach eigenem Vortrag einen Teil der Gegenstände nach Erlass der Nutzungsuntersagung selbst entfernt hat. Die Nutzungsuntersagung rechtfertigt sich aus § 73 Abs. 3 BbgBO a.F., wonach die Nutzung einer baulichen Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht, untersagt werden kann. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, d.h. vorliegend der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides durch den Beklagten am 30. Januar 2015. Auf den im Klageverfahren erhobenen Einwand des Klägers, er habe die Gegenstände beseitigt, kommt es demnach nicht an. Im Übrigen hat – wie die Lichtbildaufnahmen des Beklagten vom 11. Februar und 23. Dezember 2016 belegen – lediglich eine Teilräumung, im Wesentlichen im Bereich der im Eigentum der G... stehenden Flurstücke, und keine vollständige Beseitigung des Lagerplatzes stattgefunden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen zum Erlass der Nutzungsuntersagung liegen vor. Auf den Flurstücken wird ein Lagerplatz i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BbgBO a.F. betrieben. Als Lagerplätze werden abgegrenzte Flächen außerhalb von Gebäuden verstanden, die der Aufnahme von Gegenständen oder Stoffen, gleichviel ob diese jeweils vorübergehend und wechselnd gelagert werden, dienen. Die baurechtliche Beurteilungsbedürftigkeit folgt aus der grundstücksbezogenen Nutzung der Fläche, ohne dass es auf den Charakter der gelagerten Gegenstände ankommt. Ausgehend davon sind auf den hier in Rede stehenden Flächen Ablagerungen vorhanden, die – wenngleich im Bestand zum Teil wechselnd – auf Dauer angelegt sind. Dies belegen die durch den Beklagten seit 2011 gefertigten Lichtbildaufnahmen sowie die Luftbilder des Brandenburg-Viewers. Jura Intensiv Der Einwand des Klägers, er nutze die Grundstücke angesichts seiner unterschiedlichen beruflichen Ausrichtung mehrschichtig, geht schon deshalb in die Leere, weil es auf den durch den Betreiber damit verfolgten Zweck nicht ankommt. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2017 Referendarteil: Öffentliches Recht 209 Die Nutzung der Flurstücke als Lagerplatz erfolgt formell illegal, da der Kläger über keine Baugenehmigung für die diesbezügliche Nutzung verfügt. Es bedarf indes einer Baugenehmigung für diese Nutzung, da es sich um ein genehmigungspflichtiges Vorhaben im Sinne von § 54 BbgBO a.F. handelt. Eine Genehmigungsfreistellung gemäß § 55 Abs. 10 Nr. 4 BbgBO a.F. kommt nicht in Betracht, da die hiesige Lagerfläche mehr als 200 m 2 beträgt. Bei der für die Baugenehmigungsfreiheit maßgeblich zu beurteilenden Grundfläche des Lagerplatzes ist vorliegend, anders als der Kläger meint, nicht auf die katasterrechtlichen Grundstücksgrenzen, sondern auf die zu Lagerzwecken insgesamt in Anspruch genommene Fläche abzustellen. Sowohl auf den Lichtbildern des Beklagten als auch auf den Luftbildern des Brandenburg-Viewers ist erkennbar, dass die Flurstücke 259 und 260 gleichermaßen zur Lagerung unterschiedlicher Gegenstände in Anspruch genommen werden, ohne dass eine eigenständige und nach Flurstücken getrennte Zuordnung der Lagerfläche(n) möglich ist. Das verwundert angesichts der vormaligen Eigenschaft der beiden Flurstücke als grundbuchrechtlich einheitliches Grundstück, dessen Eigentümer der Kläger war, nicht. All dies rechtfertigt, den mehr als 200 m 2 großen Lagerplatz als bauliche Anlage insgesamt in den Blick zu nehmen. Der „Vorbescheid“, den die Gemeindeverwaltung S... der F... am 14. Mai 1992 erteilte, stellt keine Baugenehmigung dar und bezieht sich im Übrigen nicht auf die hiesigen Flurstücke. Ebenso wenig kann der Kläger aus der im Liegenschaftskataster eingetragenen Nutzungsart Rechte für sich herleiten, weil die Eintragung nur die tatsächliche, nicht aber die legalisierte Nutzung der Fläche wiedergibt. Auch die Gewerbegenehmigung des Klägers vom 5. Februar 1990 für einen Sekundärrohstoffhandel sowie der vormalige Betrieb eines Annahmestützpunktes zur Erfassung von nichtmetallischen und metallischen Sekundärrohstoffen stehen einer Baugenehmigung nicht gleich. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellen würde, dass eine im Rahmen des Annahmestützpunktes ausgeübte Nutzung des Grundstückes zur Zwischenlagerung entsprechender nichtmetallischer und metallischer Sekundärrohstoffe baurechtlich legal gewesen sein mag, unterscheidet sich die gegenwärtige Nutzung u.a. zur Lagerung unterschiedlichster Gegenstände davon derart signifi ant, dass sie nicht als Fortführung dieser vormaligen Nutzung im Rahmen des SERO-Systems angesehen werden kann und damit von einer vormaligen Berechtigung nicht gedeckt ist. Jura Intensiv In der Rechtsprechung und Literatur ist zudem anerkannt, dass eine Nutzungsuntersagung auch die Verpflic tung zum Entfernen von Gegenständen beinhalten kann, wenn sich die rechtswidrige Nutzung gerade im Vorhandensein bestimmter Gegenstände manifestiert. Üblicherweise trifft dies bei Lagerplätzen zu. Weil die rechtswidrige Nutzung eines Grundstücks als Lagerplatz fortdauert, solange dort die Lagerung von Gegenständen anhält, beinhaltet die Anordnung, die rechtswidrige Nutzung zu unterlassen, regelmäßig zugleich die Verpflichtung, die gelagerten Gegenstände zu entfernen. Die vorliegend erfolgte Anordnung, den Lagerplatz vollständig zu beräumen, ist deshalb Nutzungsuntersagung im engeren Sinne und kann folglich auf § 73 Abs. 3 BbgBO a.F. gestützt werden. Formelle Illegalität der Nutzung: Keine Baugenehmigung trotz Genehmigungsbedürftigkeit Keine Baugenehmigungsfreiheit Gesamtfläche ist maßgeblich, vgl. VG Potsdam, Beschluss vom 8.2.2008, 4 L 165/07 Keine Legalisierung durch Vorbescheid Liegenschaftskataster liefert kein Argument Keine Legalisierung durch Gewerbeerlaubnis; diese ersetzt keine Baugenehmigung Aktuelle Nutzung zudem ganz anders als die alte Nutzung Die Rechtsgrundlage für die Nutzungsuntersagung kann auch den Erlass einer Räumungsverfügung legitimieren. Ein Rückgriff auf die baurechtliche Generalklausel ist nicht erforderlich, s. hierzu auch VG Potsdam, Gerichtsbescheid vom 19.9.2016, VG 4 K 6661/15, RA 2016, 599, 603. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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