212 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 04/2017 Duldungsverfügung auch nicht gegenüber Insolvenzverwalter erforderlich Dieser Einwand des Klägers hätte auch bereits im Rahmen des Ermessens der Nutzungsuntersagung geprüft werden können (Stichwort: atypischer Fall wegen außergewöhnlicher wirtschaftlicher Belastung). Der Erlass einer Duldungsverfügung war auch dem Insolvenzverwalter gegenüber nicht angezeigt. Es fehlen bereits Anhaltspunkte dafür, dass der Lagerplatz als solcher Gegenstand der Insolvenzmasse gemäß § 35 Abs. 1 InsO war. Selbst wenn die einzelnen dort gelagerten Gegenstände vom Insolvenzbeschlag erfasst waren, hätte der Kläger durch ihre Beseitigung nicht in die Rechte des Insolvenzverwalters eingegriffen, da die Ordnungsverfügung den Kläger nicht dazu angehalten hat, die Gegenstände dem Zugriff des Insolvenzverwalters zu entziehen. Daher folgt ein Vollstreckungshindernis auch nicht daraus, dass der Miteigentumsanteil des Klägers am F... erst am 30. September 2014 vom Insolvenzbeschlag freigegeben worden ist. Ungeachtet dessen erfolgte die Freigabe vor dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 30. Januar 2015. Dem Einwand des Klägers, er sei wirtschaftlich nicht zur Beräumung des Lagerplatzes in der Lage, widerspricht bereits, dass er einige Gegenstände bereits beseitigt hat. Außerdem dürfte sich der finanzielle Aufwand einer Beräumung für den Kläger, der eine Container-, Schrott- und Recycling-Firma betreibt bzw. jedenfalls betrieben hat und deshalb über die notwendige technische Ausstattung für eine solche Tätigkeit verfügt, in Grenzen halten. [...]“ FAZIT Die Entscheidung des VG Potsdam behandelt typische Probleme der Nutzungsuntersagung (Verfügungsinhalt, formelle Illegalität, Störerauswahl, Verhältnismäßigkeit) und prüft anschaulich eine Vielzahl von Einwänden, die vom Betroffenen typischerweise gegen bauaufsichtliche Verfügungen erhoben werden (mangelnde Bestimmtheit, Einwände gegen die festgestellte Nutzung, gegen die Genehmigungsbedürftigkeit, gegen die Störerauswahl und gegen die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme). Es werden aber auch grundlegende Rechtsfragen erörtert, wie der maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit oder das intendierte Ermessen. Dies macht, zusammen mit den weiteren, mit dem Insolvenzverfahren verbundenen Fragestellungen, das Urteil nicht nur sehr lehrreich, sondern begründet zugleich auch seine besondere Eignung als Vorlage für eine Examensklausur. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 04/2017 STRAFRECHT Strafrecht 213 Problem: § 263a I StGB durch Einsatz einer Tankkarte Einordnung: Vermögensdelikte/Betrug OLG Celle, Beschluss vom 07.10.2016 2 Ss 113/16 EINLEITUNG Das OLG Celle führt in der vorliegenden Entscheidung aus, dass die Verwendung einer durch verbotene Eigenmacht erlangten Tankkarte an einer automatischen Zapfsäule den Tatbestand des Computerbetruges, § 263a I StGB, zum Nachteil des Betreibers der Tankstation erfüllt. SACHVERHALT Der Angeklagte A war als ungelernter Mechaniker in der Lkw-Werkstatt des Transport- und Speditionsunternehmens des Zeugen S beschäftigt. Dieser betreibt einen Fuhrpark von etwa 20 Lkw und beschäftigt eine entsprechende Anzahl von Fahrern. S hatte für sein Unternehmen mit der Firma T einen Tankvertrag geschlossen, aufgrund dessen seine Fahrer mit den Lkw seines Betriebs an verschiedenen automatisierten Tankstationen der T selbstständig Diesel tanken konnten. Dazu verfügte jeder Lkw über eine sogenannte Tankkarte (Magnetstreifenkarte), die fahrzeuggebunden war und jeweils im Lkw aufbewahrt wurde. Daneben hatte jeder Mitarbeiter des S eine sogenannte Fahrerkarte, ebenfalls eine Magnetstreifenkarte, für die er eine selbstgewählte PIN generieren konnte und für deren sichere Aufbewahrung er persönlich sorgen musste. Auch A hatte eine solche Fahrerkarte, weil er im Rahmen seiner Hilfstätigkeiten in der Werkstatt die beiden Werkstattwagen betanken können musste. A war nicht gestattet, seinen Privat-Pkw zu betanken. Die Lkw des Betriebs wurden von den Fahrern unverschlossen auf dem Betriebsgelände abgestellt, das seinerseits umschlossen und für Unbefugte nicht zugänglich war. Die jeweiligen Tankkarten der Lkw waren somit für Betriebsangehörige problemlos zugänglich. Der technische Vorgang beim Betanken der Fahrzeuge des S an den Tankstationen der T lief so ab, dass der jeweilige Fahrer zunächst die zu dem von ihm geführten Lkw gehörende Tankkarte durch den Tankautomaten zog und anschließend seine persönliche Fahrerkarte, woraufhin er die zu der Fahrerkarte gehörende PIN sowie den Kilometerstand des Lkw eingeben musste. Die Kartenverwendung und die PIN-Eingabe erfolgten an einem zentralen Gerät, an dem der Fahrer dann jeweils die Zapfsäule angeben musste, die freigeschaltet werden sollte. Im Zusammenhang mit diesem automatischen Tanksystem war bei T kein Überwachungspersonal beschäftigt. Es existierte lediglich eine Videoüberwachung. S erhielt von T zweimal monatlich eine Abrechnung sämtlicher Tankvorgänge seiner Mitarbeiter. Darin waren zu jedem Tankvorgang mit Datum und Ort die Nummer der Fahrerkarte, das Kennzeichen des betankten Lkw nebst Nummer der zu diesem gehörenden Tankkarte sowie die Daten zum getankten Kraftstoff (Menge und Preis) aufgeführt. S kontrollierte die ihm erteilten Rechnungen der T über einen langen Zeitraum nicht, weil er nach Einführung des Systems mit den beiden Magnetstreifenkarten und der fahrerbezogenen PIN meinte, sicher sein zu können, dass kein Missbrauch erfolgen könne. Jura Intensiv LEITSÄTZE 1. Der unbefugte Einsatz einer fremden, durch verbotene Eigenmacht erlangten Tankkarte an einer automatisierten Tankstation erfüllt den Tatbestand des Computerbetruges gemäß § 263a I StGB. 2. Haben der Betreiber der Tankstation und derjenige, für den die Tankkarte ausgegeben ist, einen Tankvertrag geschlossen, nach dem die durch den Einsatz der Tankkarte autorisierten Tankvorgänge in regelmäßigen Abständen erst im Nachhinein abgerechnet werden sollen, entsteht bei einem unbefugten Einsatz der Tankkarte an der Tankstation der Vermögensschaden im Sinne des § 263a I StGB beim Betreiber der Tankstation. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
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