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RA Digital - 04/2018

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180 Zivilrecht

180 Zivilrecht RA 04/2018 3. Vermächtniskürzungsrecht gem. § 2318 I 1 BGB Gem. § 2318 I 1 BGB kann der Erbe die Erfüllung eines ihm auferlegten Vermächtnisses jedoch soweit verweigern, dass die Pflichtteilslast von ihm und dem Vermächtnisnehmer verhältnismäßig getragen wird. Grundsätzliche Bedeutung des § 2318 BGB Gem. § 2318 I 1 BGB kann der Erbe die Erfüllung eines ihm auferlegten Vermächtnisses soweit verweigern, dass die Pflichtteilslast von ihm und dem Vermächtnisnehmer verhältnismäßig getragen wird Verhältnis des § 2318 BGB zu § 2324 BGB Eine Beschränkung im Sinne des § 2324 BGB muss nicht ausdrücklich getroffen sein. Sie kann sich auch durch Auslegung ergeben. Hier ergibt die Auslegung des Testaments, dass Erblasserin E das Kürzungsrecht aus § 2318 I 1 BGB gem. § 2324 BGB ausgeschlossen hat. Auf den Empfängerhorizont gem. § 157 BGB kommt es beim Testament nicht an, weil es eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung ist. „B. III. 1. § 2318 BGB regelt die Verteilung der Pflichtteilslast im Innenverhältnis der Nachlassbeteiligten, also zwischen Erben, Vermächtnisnehmern und Auflagenbegünstigten. Da Schuldner eines Pflichtteilsanspruchs im Außenverhältnis allein der Erbe ist und er die vom Erblasser angeordneten Vermächtnisse und Auflagen grds. erfüllen muss, ohne dass dies zu einer Verringerung des Pflichtteils führt, gewährt § 2138 BGB dem insoweit beweisbelasteten Erben eine peremptorische Einrede in Gestalt eines Kürzungsrechts. Voraussetzung für das Kürzungsrecht [nach § 2318 I 1 BGB] ist, dass ein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wurde, was erfordert, dass eine Inanspruchnahme des Erben durch den Pflichtteilsberechtigten vorliegt, die den Erben wirtschaftlich belastet. Auf ein derartiges Kürzungsrecht des alleinerbenden Enkels gegenüber K als Vermächtnisnehmerin kann sich B jedoch im vorliegenden Fall nicht berufen. Obgleich der Alleinerbe unstreitig einem Pflichtteilsanspruch seiner Mutter – Tochter der Erblasserin - im Sinne der §§ 2303 I 1, 2, 2317, 2311 BGB ausgesetzt ist und damit eine wesentliche Tatbestandsvoraussetzung des § 2318 I BGB erfüllt ist, greift die Regelung vorliegend nicht zugunsten des Erben ein. K hat die Pflichtteilslast nicht verhältnismäßig mitzutragen, da die Erblasserin das Kürzungsrecht des Erben nach § 2324 BGB abbedungen hat. Im Einzelnen: B.III. 2. Die Regelung des § 2318 BGB gilt vorbehaltlich abweichender Anordnungen des Erblassers i.S.d. § 2324 BGB. Nach dieser Norm steht es dem Erblasser frei, ein Kürzungsrecht i.S.d. § 2318 BGB zu beschränken oder ganz auszuschließen. Gegenstand des § 2324 BGB ist damit eine einseitige Abänderungsbefugnis des Erblassers. Einer ausdrücklichen Erwähnung des Kürzungsrechts oder dessen Beschränkung durch die Erblasserin bedurfte es nicht. Die abweichende Anordnung des Erblassers hat zweifelsohne nach dem Wortlaut des § 2324 BGB im Rahmen eines Testaments oder eines Erbvertrags zu erfolgen, muss jedoch nicht ausdrücklich getroffen sein. Sie kann sich im Wege der Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Verfügung von Todes wegen ergeben. Bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen ist gem. § 133 BGB ausschließlich der wahre Willen des Erblassers zur Zeit der Testamentseröffnung zu erforschen. Es kommt auf die Feststellung an, welcher Wille des Erblassers im Rechtssinn als erklärt anzusehen ist. Dabei ist es nicht maßgeblich, wie ein objektiver Dritter das Testament i.S.d. § 157 BGB versteht oder verstehen würde. Ein Vertrauensschutz durch Berücksichtigung der objektiven Erklärungsbedeutung ist nicht geboten, da die Erklärung des Erblassers nicht empfangsbedürftig ist. Bei der vorzunehmenden weiten Auslegung einer letztwilligen Verfügung sind – nicht ausschließlich, aber insbesondere – alle Anhaltspunkte, die sich aus dem Inhalt der Urkunde selbst ergeben oder dort „angedeutet“ sind, zu Grunde zu legen. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2018 Zivilrecht 181 Im vorliegenden Fall hat die Erblasserin in Ziffer IV des Testamentes verfügt, dass die benannten Vermächtnisse vor der Regulierung von Pflichtteilsansprüchen zu erfüllen sind. Durch die klare Formulierung „vor“ setzt sie Vermächtnisse und etwaige Pflichtteilsansprüche in eine Reihenfolge und gibt der Erfüllung von Vermächtnissen insoweit nach dem reinen Wortsinn Priorität. Somit spricht der von ihr gewählte Wortlaut bereits isoliert betrachtet dafür, dass die Vermächtnisse in voller Höhe und ungeschmälert zur Auszahlung gelangen sollen. Denn die Wahl des Wortes „vor“ lässt den Umkehrschluss zu, dass erst danach Pflichtteilsansprüche reguliert werden sollen. Diese Schlussfolgerung wird ferner unterstrichen durch die Betrachtung der Ziffer IV im Gesamtzusammenhang zu den sonstigen Verfügungsziffern. Dafür, dass die Erblasserin den Vermächtnissen wirtschaftlich ungeschmälert Vorrang gewähren wollte, spricht, dass sie die angeordnete Alleinerbfolge ihres Enkels unter sehr dezidierte Bedingungen gestellt hat, nämlich eine Altersgrenze und den Abschluss einer akademischen Ausbildung. Die jeweilige Höhe der einzelnen Vermächtnisse ist zudem eindeutig benannt und ihre Erfüllung unterliegt im Gegensatz zum oben Gesagten gerade keiner weiteren Bedingung oder Einschränkung. Aus dieser Betrachtung und Auslegung des Wortlautes folgt die logische Konsequenz, dass der Erbe die Pflichtteilslast zu tragen hat. Eine darüber hinausgehende erläuternde Auslegung, die vom allgemeinen Wortsinn abweicht beziehungsweise dessen Bandbreite überschreitet, oder gar eine ergänzende Auslegung war vorliegend nicht vorzunehmen. Ein Abweichen vom Wortsinn setzt voraus, dass solche Umstände vorliegen, aus denen geschlossen werden kann, dass der Erklärende mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hat. Es mangelte insoweit an der Feststellung hinreichender Anhaltspunkte für einen anderweitigen Willen der Erblasserin zum maßgeblichen Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Darüber hinaus besteht bei einem derartig klar und präzisiert niedergelegtem Erblasserwillen für eine so genannte ergänzende Testamentsauslegung kein Raum. Eine solche Auslegung ist nur dann vorzunehmen, wenn der wirkliche Wille des Erblassers gerade nicht zu ermitteln ist und Lücken im Testament geschlossen werden müssen, die der Erblasser nicht bedacht hat. Eine Ergänzung ist nur zulässig, wenn sich dafür eine Grundlage aus einer Willensrichtung des Erblassers bietet, die anhand des Testaments auf Grund von Umständen außerhalb des Testaments oder der allgemeinen Lebenserfahrung festzustellen ist. Für eine derartige Lückenhaftigkeit der Vorstellungen der Erblasserin sprechen vorliegend keinerlei Anhaltspunkte. Ferner zeigt sich zwischen Testamentserrichtung und Eintritt des Erbfalles keine nachträgliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Umstände. Bereits zur Zeit der Testamentserstellung herrschte bei der Erblasserin Klarheit über den – sehr überschaubaren - Kreis der bedachten bzw. enterbten Personen und über Art und Umfang des Nachlasses.“ Jura Intensiv Wörtliche Auslegung des Testamentes Das Gericht schließt aus dem Wort „vor“ den Vorrang des Vermächtnisses vor dem Pflichtteilsanspruch. Hier legt das Gericht innerhalb der wörtlichen Auslegung gem. § 133 BGB das Testament im Gesamtzusammenhang mit den anderen Verfügungsziffern aus. Fazit der schulmäßig vorgenommenen Auslegung: Die Vermächtnisansprüche sollen „vor“ der Regelung der Pflichtteilsansprüche erfüllt werden. Das Gericht sieht die Voraussetzungen einer erläuternden Auslegung nicht als erfüllt an, weil der Wille der Erblasserin sich aus dem Wortlaut klar ergibt. Wegen des klaren Wortlautes hält das Gericht auch eine ergänzende Auslegung für nicht geboten. Es erkennt keine ergänzungsbedürftige Lücke in den Vorstellungen der Erblasserin. Die Verhältnisse waren bei Testamentserrichtung klar und änderten sich auch nicht mehr. Daher kann sich B nicht auf ein Vermächtniskürzungsrecht gem. § 2318 I 1 BGB berufen. B. Ergebnis K hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 100.000 € aus dem Nachlass der E gem. §§ 2147, 2176, 2174 BGB. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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