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RA Digital - 04/2018

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Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

210 Änderungen in der

210 Änderungen in der StPO RA 04/2018 Werden von den TK-Anbietern lediglich verschlüsselte Daten aufgezeichnet, dann dürfte es nur noch mit großem technischen Aufwand möglich sein, die Verschlüsselung dieser Daten aufzuheben. Nach derzeitigem Stand der Technik ist deshalb für den Zugriff auf die zur Telekommunikationsübertragung bestimmten Daten vor der Verschlüsselung und Übertragung regelmäßig ein Softwareprogramm erforderlich, das – verdeckt – auf dem zu überwachenden Endgerät installiert werden muss. Das Programm greift technisch auf den Datenfluss zu, bevor dieser im Ablauf des vom Benutzer verwendeten Telekommunikationsprogramms durch eine App verschlüsselt wird. Gleiches gilt für verschlüsselte Daten, die der Empfänger erhält und diese entschlüsselt, um den Inhalt zur Kenntnis nehmen zu können. Auch diese wieder entschlüsselten Daten können durch einen „Staatstrojaner zur Kommunikationsüberwachung“ übertragen und gespeichert werden. § 100a I 3 StPO regelt nunmehr: „Auf dem informationstechnischen System des Betroffenen gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation dürfen überwacht und aufgezeichnet werden, wenn sie auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können.“ Diese Norm betrifft dagegen keine Gespräche, sondern andere verschlüsselte Nachrichten, vor allem bei Nutzung von Messenger-Diensten. Hier liegt keine „laufende Kommunikation“ vor, weil die Nachricht mit dem Absenden in verschlüsselter Form überhaupt erst entsteht. Zurzeit gibt es eine kaum noch zu überschauende Vielfalt von Apps, die verschlüsseltes Telefonieren bzw. das verschlüsselte Versenden von Daten jeglicher Art zu ermöglichen. Sogar verschlüsselte „End-zu-End- Verschlüsselungen“ sind bereits auf dem Markt. Neben Facebook und Signal bietet auch WhatsApp entsprechend leistungsfähige Krypto-Apps an. Jura Intensiv Bei diesen so genannten „End-zu-End-Verschlüsselungen“ handelt es sich um Verbindungen, die voraussetzen, dass die zur Verschlüsselung als auch zur Entschlüsselung notwendigen „Schlüssel“ auf den jeweiligen Endgeräten generiert sind und diese nie verlassen, so dass es für Strafverfolgungsbehörden nahezu unmöglich ist, verschlüsselt verschickte Nachtrichten wieder zu entschlüsseln, wenn sie als verschlüsselte Datensätze erhoben wurden. Mit solchen Messenger-Apps lassen sich neben Textnachrichten auch Bilder, Videos und Dateianhänge über das Internet verschlüsselt verschicken. Bei den meisten Apps sind sogar verschlüsselte Gruppenchats möglich. Installierte Messenger-Apps sind zudem viel leistungsfähiger, als das bei Apps der Fall ist, die lediglich über eine SMS-Funktion verfügen, bei der lediglich Text- oder Bildnachrichten über das Mobilfunknetz verschickt werden können. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2018 Änderungen in der StPO 211 Zudem wurde § 100b I StPO (Online-Durchsuchung) wie folgt neu gefasst: „Auch ohne Wissen des Betroffenen darf mit technischen Mitteln in ein von dem Betroffenen genutztes informationstechnisches System eingegriffen und dürfen Daten daraus erhoben werden (Online-Durchsuchung), wenn 1. bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete besonders schwere Straftat begangen oder in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat, 2. die Tat auch im Einzelfall besonders schwer wiegt und 3. die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre. (2) Besonders schwere Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 sind: (...)“ Mit der Online-Durchsuchung kann der Staat mittels einer Software unbemerkt in Smartphones oder Computer eindringen, um die Daten eines Verdächtigen auszuspähen. Offene Durchsuchungen und Beschlagnahmen von auf informationstechnischen Geräten gespeicherten Daten richten sich nach den §§ 94 ff., 102 ff. StPO. Der mit der Online-Durchsuchung verbundene Eingriff wiegt in verschiedener Hinsicht erheblich schwerer. Im Unterschied zur offenen Durchsuchung und Beschlagnahme eines informationstechnischen Systems erfolgt der Zugriff heimlich und kann nicht nur einmalig und punktuell stattfinden, sondern sich auch über einen längeren Zeitraum erstrecken. In Abgrenzung zur ebenfalls „heimlichen“ Telekommunikationsüberwachung können nicht nur neu hinzukommende Kommunikationsinhalte, sondern alle auf einem informationstechnischen System gespeicherten Inhalte sowie das gesamte Nutzungsverhalten einer Person überwacht werden. Die Voraussetzungen für eine Online-Durchsuchung sind deshalb erheblich strenger als diejenige einer Telekommunikationsüberwachung und entsprechen in etwa denen der akustischen Wohnraumüberwachung nach § 100c StPO (sog. „großer Lauschangriff“). Jura Intensiv 3. Videoaufzeichnung der Beschuldigtenvernehmung Mit dem neuen § 136 IV StPO – tritt erst 2020 in Kraft – wird die Aufzeichnung der Vernehmung des Beschuldigten in Ton und Bild eingeführt. Ziel ist eine effektivere Wahrheitsfindung und Rechtssicherheit durch eine Verbesserung der Dokumentation des Ermittlungsverfahrens, also ein „besseres Protokoll“ der Vernehmung. In bestimmten Fällen sieht das neue Gesetz sogar eine Pflicht zur Videoaufzeichnung vor. Zum einen kommen vorsätzlich begangene Tötungsdelikte in Betracht, zum anderen die bessere Wahrung von schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten unter 18 Jahren oder Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden. Auf den Ablauf der Hauptverhandlung – insbesondere das Unmittelbarkeitsprinzip – hat die Neuregelung allerdings keinen nennenswerten Einfluss, so kann die Vernehmung des Angeklagten nicht etwa durch das Abspielen der Videoaufzeichnung einer früheren Vernehmung ersetzt werden. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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