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RA Digital - 04/2021

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170 Zivilrecht

170 Zivilrecht RA 04/2021 I. Widerrufserklärung gem. § 355 I BGB K hat B am 19.03.2018 den Widerruf des Leasingvertrages erklärt. II. Widerrufsrecht K muss zur Zeit der Widerrufserklärung ein Widerrufsrecht im Sinne des § 355 BGB zugestanden haben. Die anzuwendende Fassung des Gesetzes ergibt sich aus Art. 229 § 32 I, § 38 I, § 40 I EGBGB. Die zur Zeit des Vertragsschlusses am 14.01.2015 gültige Fassung des § 506 II 1 BGB unterscheidet sich nicht von der aktuellen Fassung. Von der Bezeichnung „[aF]“ im Urteilstext darf man sich hier nicht irritieren lassen (s.o.) K trug hier nicht das Risiko der Vollamortisation wie in den in § 506 II 1 Nr. 1-3 BGB aufgeführten Fällen. Bei Nr. 3 hat der Leasingnehmer für eine Restwertgarantie einzustehen. Dies trifft auf das Kilometerleasing gerade nicht zu. Bei diesem hat es der Leasingnehmer in der Hand, wie viel er fährt und steuert damit, wie viel bei Vertragsende zu zahlen ist. Es fehlt hier die Vereinbarung der „festen Zahl“. Damit ist § 506 II 1 Nr. 1-3 BGB nicht anwendbar. 1. Widerrufsrecht gem. §§ 491, 495, 506 II 1 BGB In Betracht könnte aber ein Widerrufsrecht gem. §§ 491, 495, 506 BGB in der Fassung des Gesetzes vom 13.06.2014 bis 20.03.2016 kommen. a) Persönlicher Anwendungsbereich Alle in den §§ 491 ff. geregelten Widerrufsrechte erfordern, dass der Kreditgeber ein Unternehmer im Sinne des § 14 und, von den Fällen des § 513 BGB abgesehen, der Kreditnehmer ein Verbraucher gem. § 13 BGB ist. B handelte ausschließlich in Ausübung der gewerblichen Tätigkeit und ist folglich gem. § 14 BGB Unternehmer. K schloss den Vertrag ausschließlich zu privaten Zwecken und ist gem. § 13 BGB Verbraucher. b) Sachlicher Anwendungsbereich der §§ 491, 495, 506 BGB Fraglich ist aber, ob ein in § 506 II 1 BGB aufgeführter Fall vorliegt. [24] Frei von Rechtsfehlern und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht angenommen, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Kilometerleasingvertrag nicht die Voraussetzungen des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BGB [aF] erfüllt. Er legte dem Kläger weder eine Erwerbspflicht auf (Nr. 1) noch sah er die Befugnis der Beklagten vor, vom Kläger - in Form eines Andienungsrechts oder auf sonstige Weise (...) - den Erwerb des Fahrzeugs zu verlangen (Nr. 2). Der Kläger hatte auch nicht, wie in § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB [aF] vorausgesetzt, bei Beendigung des Vertrags für einen bestimmten Wert des Gegenstands einzustehen. Er übernahm nach den vertraglichen Regelungen nicht eine - wie auch immer geartete - Einstandspflicht für den Wert des geleasten Fahrzeugs bei Ablauf der Leasingzeit. Denn er ging keine Restwertgarantieverpflichtung ein, sondern hatte lediglich bei Ablauf des Vertrags 0,15 Prozent des Nettokaufpreises für 1000 gefahrene Mehrkilometer zu vergüten, soweit die Freigrenze von 2.500 Kilometern überschritten war (vorgedruckte Vereinbarung auf Seite 1 des Leasingvertrags), und einen etwaigen Minderwert, der durch eine nachteilige Abweichung des Zustands des Leasingobjekts gegenüber dem vereinbarten Zustand bei Rückgabe verursacht wurde, auszugleichen (Ziffer XVI. 2 und 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten). Davon abgesehen war im Leasingvertrag ein „fester Wert“ des Fahrzeugs, der nach der Gesetzesbegründung nur dann gegeben ist, wenn im Vertrag eine feste Zahl vereinbart ist (...), nicht bestimmt (...). Jura Intensiv Folglich liegt kein Widerrufsrecht gem. § 506 II 1 BGB vor. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2021 Zivilrecht 171 2. Widerrufsrecht gem. §§ 491, 495, 506 I BGB Man kann der Auffassung sein, dass § 506 II 1 BGB für das Leasing keine abschließende Regelung enthalte und deshalb ein Rückgriff auf die Formulierung in § 506 I BGB – „entgeltliche Finanzierungshilfe“ – zu einem Widerrufsrecht führe. Dann hätte § 506 I BGB eine Auffangfunktion für nicht in § 506 II 1 BGB genannte Leasingverträge. [25] Entgegen der Auffassung der Revision ist der zwischen den Parteien geschlossene Kilometerleasingvertrag auch nicht als außerhalb der Tatbestände des § 506 Abs. 2 Satz 1 BGB [aF] anzusiedelnde Finanzierungshilfe im Sinne des § 506 Abs. 1 BGB aF einzuordnen. Ein Rückgriff auf diese Vorschrift verbietet sich nicht nur aufgrund des Wortlauts des § 506 Abs. 2 Satz 1 BGB [aF], sondern auch angesichts der vom deutschen Gesetzgeber in Anknüpfung an die Regelungssystematik der Verbraucherkreditrichtlinie gewählten Gesetzessystematik und der in den Gesetzesmaterialien niedergelegten Erwägungen. Hieraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber für die Fallgestaltung einer entgeltlichen Nutzung eines Gegenstands in § 506 Abs. 2 Satz 1 BGB [aF] abschließende Sonderregelungen dazu getroffen hat, unter welchen Voraussetzungen diese als „sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe“ zu gelten hatten (BT-Drucks. aaO, S. 91 f.). Die Bestimmung des § 506 Abs. 2 Satz 1 BGB [aF] erschöpft sich - anders als die Revision meint - nicht darin, unwiderlegliche Vermutungen (...) zu schaffen, sondern trifft zugleich eine abschließende Regelung dazu, bei welchen Fallgestaltungen „sonstige entgeltliche Finanzierungshilfen“ im Sinne des § 506 Abs. 1 BGB aF im Bereich von Nutzungsverträgen anzunehmen sind. Eine ergänzende Heranziehung des § 506 Abs. 1 BGB aF auf von § 506 Abs. 2 Satz 1 BGB [aF] nicht erfasste Leasingverträge ist damit ausgeschlossen (...). [26] Anders als bei der Schaffung des am 1. Januar 1991 in Kraft getretenen Verbraucherkreditgesetzes, dessen Regelungen aufgrund der Schuldrechtsmodernisierung ab dem 1. Januar 2002 inhaltlich unverändert in das Bürgerliche Gesetzbuch überführt wurden, legte der Gesetzgeber durch § 506 Abs. 2 Satz 1 BGB [aF] nunmehr in einer Norm verbindlich fest, wie der in § 506 Abs. 1 BGB aF verwendete unbestimmte Rechtsbegriff in den Fällen entgeltlicher Gebrauchsüberlassungsverträge zu verstehen ist (...). Dass er die Aufzählung in § 506 Abs. 2 Satz 1 BGB [aF] als umfassende und abschließende Bestimmung des Vorliegens „sonstiger entgeltlicher Finanzierungshilfen“ bei Gebrauchsüberlassungsverträgen verstanden wissen wollte, zeigt sich bereits daran, dass er sich nicht damit begnügt hat, - nur Kerntatbestände umschreibende - Regelbeispiele „sonstiger entgeltlicher Finanzierungshilfen“ bei diesen Verträgen anzuführen. Vielmehr hat er eine enumerative Aufzählung der Fälle vorgenommen, in denen eine entsprechende Finanzierungshilfe anzunehmen ist, und hat hierbei gerade nicht zum Ausdruck gebracht, dass er damit das Vorliegen einer „sonstigen entgeltlichen Finanzierungshilfe“ bei Nutzungsverträgen nur ausschnittsweise regeln wollte. Hätte er § 506 Abs. 2 Satz 1 BGB [aF] einen abschließenden Regelungsgehalt nicht zubilligen wollen, hätte es - wie auch sonst in Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Fall - nahegelegen, dies durch die Verwendung des Begriffs „insbesondere“ oder ähnlicher Formulierungen zum Ausdruck zu bringen. Jura Intensiv In der RA 08/2019 hatten wir auf Seite 393 das Urteil des LG Offenburg vom 07.06.2019, 3 O 426/18 vorgestellt. Das LG Offenburg thematisierte ausschließlich die Nichtanwendbarkeit des Kilometerleasingvertrages auf § 506 II 1 Nr. 3 BGB. Der BGH war hier aufgrund der umfangreichen Revisionsbegründung gezwungen, viel weitergehende Überlegungen rechtlich zu überprüfen. Der Rückgriff auf § 506 I BGB verlangt Kenntnisse des Gesetzgebungsverfahrens, die Ihnen in der Klausur zugänglich gemacht werden müssten. Der Gesetzgeber traf abschließende Sonderregelungen für das Finanzierungsleasing in § 506 II 1 BGB – ein Rückgriff auf § 506 I BGB als „sonstige Finanzierungshilfe“ verbietet sich. Die verbindliche Festlegung folgt schon aus der enumerativen Auslegung. Es fehlt für eine andere Auslegung an Indizien, z.B. an der im BGB üblichen Formulierung „insbesondere“, wenn eine ausformulierte Regelung Beispiels- oder Ausschnittscharakter haben soll. Damit besteht kein Widerrufsrecht aus §§ 491, 495, 506 I BGB. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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