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RA Digital - 04/2022

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176 Zivilrecht

176 Zivilrecht RA 04/2022 LÖSUNG In Betracht kommt auch eine Abtretung gem. § 398 BGB. Jedoch liegen dafür keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Die Gerichte gingen hier von einer gewillkürten Prozessstandschaft aus, für welche eine Ermächtigung analog § 185 I BGB erforderlich ist. Die Voraussetzungen des § 7 I StVG liegen hier unproblematisch vor. Definition der höheren Gewalt Klagt ein Halter gegen den Halter des anderen am Unfall beteiligten Fahrzeugs aus § 7 I StVG, findet auf die Anrechnung der Betriebsgefahr § 17 II StVG Anwendung. Klagt ein Fußgänger oder Radfahrer gegen den Halter des am Unfall beteiligten Fahrzeugs, wird das Mitverschulden des Klägers gem. §§ 9 StVG, 254 I BGB angerechnet. Die Entscheidung des BGH vom 07.03.2017, VI ZR 125/16 finden Sie in RA 08/2017, 413 ff. Der BGH sieht § 17 II StVG weder als direkt anwendbar an – klarer Wortlaut – noch als analog anwendbar, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt, denn der Gesetzgeber kennt das Problem und billigt das Ergebnis. Eine Anrechnung des Mitverschuldens gem. § 254 I BGB über § 9 oder § 18 StVG würde ein feststehendes Mitverschulden des Kfz-Führers erfordern (BGH, Urteil vom 07.12.2010, VI ZR 288/09). A. Recht des K, Schadensersatz von B gem. § 7 I StVG i.V.m. § 185 I BGB analog im eigenen Namen zu fordern K könnte ermächtigt sein, einen Anspruch der X gegen B auf Schadensersatz in Höhe von 7.181,78 € aus § 7 I StVG im eigenen Namen geltend zu machen. Dies setzt eine wirksame Einziehungsermächtigung der X analog § 185 I BGB sowie einen Anspruch der X gegen B aus § 7 I StVG voraus. I. Einziehungsermächtigung analog § 185 I BGB Indem die X mit Schreiben vom 13.03.2019 ihr Einverständnis damit erklärt hat, dass K ihre Ansprüche im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend mache, hat X dem K eine Einziehungsermächtigung analog § 185 I BGB erteilt. II. Forderung der Sicherungsnehmerin aus § 7 I StVG 1. Anspruch entstanden Die von § 7 I StVG geforderte Sachbeschädigung liegt vor, B ist Halter des in den Unfall verwickelten Fahrzeugs, dessen Betriebsgefahr sich im Straßenverkehr kausal realisiert hat. Der Schaden der X beträgt 7.181,78 € und wäre gem. § 16 StVG i. V. m. § 249 BGB ersatzfähig. 2. Anspruch ausgeschlossen oder teilweise gemindert a) Ausschluss gem. § 7 II StVG Der Anspruch wäre gem. § 7 II StVG ausgeschlossen, wenn höhere Gewalt vorläge. Diese setzt aber ein von außen auf den Straßenverkehr einwirkendes Ereignis voraus, das nicht wegen seiner Häufigkeit hinzunehmen ist und das selbst ein Idealfahrer bei Anwendung äußerster Sorgfalt mit zumutbaren und wirtschaftlich erträglichen Mitteln nicht hätte abwenden können. Hier trat der Schaden am PKW aber durch Teilnahme des LKW am Straßenverkehr und eben nicht durch ein verkehrsfremdes Ereignis ein, sodass keine höhere Gewalt vorliegt und der Anspruch nicht gem. § 7 II StVG ausgeschlossen ist. Jura Intensiv b) Minderung des Anspruchs gem. § 17 II StVG wegen Anrechnung der Betriebsgefahr des PKW i.S.d. § 7 I StVG Bei einem Unfall zwischen zwei Haltern ist dem klagenden Halter von seinem auf § 7 I StVG gestützten Anspruch gem. § 17 II StVG die Betriebsgefahr des eigenen Fahrzeugs anspruchsmindernd anzurechnen, wenn sich auch dessen Betriebsgefahr im Straßenverkehr realisiert hat. Hier ist allerdings problematisch, dass die X die Anspruchsinhaberin, jedoch nicht die Halterin des PKW ist. Fraglich ist, ob auch in diesem Fall eine Anrechnung der Betriebsgefahr erfolgen kann. [43] Das Landgericht hat (...) zutreffend erkannt, dass der Kläger vorliegend keine eigenen, sondern Ansprüche der Sicherungseigentümerin im Wege der Prozessstandschaft geltend macht, deren Schicksal sich allein durch eine Abtretung oder Prozessstandschaft nicht ändert. Es hat deshalb angenommen, dass § 17 Abs. 2 StVG für die Sicherungseigentümerin nicht gilt, da sie nicht als Halterin des Fahrzeugs anzusehen ist. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (…) und ist auch vom Senat in der Entscheidung vom 14.10.2021 (22 U 50/20) hinsichtlich der Ansprüche einer Leasinggeberin bestätigt worden. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2022 Zivilrecht 177 c) Kürzung des Anspruchs aufgrund eines gestörten Gesamtschuldverhältnisses Fraglich ist, ob der Anspruch aufgrund eines gestörten Gesamtschuldverhältnisses zu kürzen ist. Dann müsste ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis vorliegen und die Kürzung des Anspruchs gegen den nichtprivilegierten Schuldner die richtige Konfliktlösung sein. Ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis liegt vor, wenn eine Gesamtschuld i.S.d. § 421 ff. BGB nur deshalb nicht entsteht, weil ein potentieller Gesamtschuldner aufgrund eines vertraglichen oder gesetzlichen Haftungsausschlusses von vornherein nicht haftet. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass neben B als Schuldner der X auch K gleichstufiger Schuldner der X hätte sein müssen. Dann hätte ein Anspruch der X gegen K wegen des Unfalls bestehen müssen. Eine solcher könnte in einer Verletzung des Sicherungsvertrages durch K liegen. [45] Dagegen spricht, dass der bloße Gebrauch im Straßenverkehr noch keine Schutzpflichtverletzung darstellt. In Betracht käme allenfalls eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht des Sicherungsgebers, nicht zur Beschädigung des Fahrzeuges durch seine Nutzung beizutragen. Dies erscheint aber konstruiert, denn es steht im Widerspruch dazu, dass der Sicherungsgeber grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch berechtigt ist. Eine zufällige Beschädigung der Sache, die beim vertragsgemäßen Gebrauch eintritt, kann daher nicht gleichzeitig als Nebenpflichtverletzung bewertet werden (...). Hinzu kommt, dass für einen Regressanspruch auf vertraglicher Grundlage weder die Haftpflichtversicherung noch die Kaskoversicherung des Fahrzeugs eintreten dürfte. Dies hat der BGH in seiner neuesten Entscheidung bestätigt (27.10.20 - XI ZR 429/19). [46] Der BGH hat weiter auch die Anwendung einer gestörten Gesamtschuld verneint, weil eine solche bei Verneinung eines gleichstufigen Ersatzanspruchs der Sicherungsnehmerin gegen den Sicherungsgeber von vornherein bereits nicht vorliegt und nicht - wie die Rechtsprechung zur gestörten Gesamtschuld voraussetzen würde (...) - durch Vereinbarung oder in sonstiger Weise (z.B. §§ 104 ff. SGB X) ausgeschlossen wäre (...). Jura Intensiv d) Einwand des Rechtsmissbrauchs gem. § 242 BGB Fraglich ist, ob der Anspruch gem. § 242 BGB zu kürzen ist. Es wäre rechtsmissbräuchlich seitens X, sich zur Abwehr der Anrechnung der Betriebsgefahr nach § 17 II StVG auf die nach §§ 929, 930 868 BGB erfolgte Sicherungsübereignung zu berufen, wenn der zugrundeliegende Sicherungsvertrag gem. § 138 I BGB als Vertrag zu Lasten Dritter sittenwidrig wäre. [48] (...) die Annahme eines Vertrags zu Lasten Dritter ist abwegig. Der Sicherungsübereignungsvertrag hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Haftung der Beklagten aus §§ 7 StVG, 115 VVG. Dass ein Regressanspruch ausgeschlossen ist, folgt aus der gesetzlichen Regelung, nicht aus dem Sicherungsvertrag. e) Anrechnung der Betriebsgefahr wegen Teilgläubigerschaft des K Eine Anrechnung der Betriebsgefahr gem. § 17 II StVG wäre denkbar, wenn X und K Teilgläubiger im Verhältnis zu B wären. Dies würde voraussetzen, dass K ein Anwartschaftsrecht am PKW zustände. Dies wiederum würde voraussetzen, dass die Sicherungsübereignung unter auflösender Bedingung der Darlehensrückzahlung gem. §§ 929, 158 II, 930, 868 BGB vereinbart worden wäre. Weil Sicherungsübereignungen allgegenwärtig sind, ist es das vorliegende Problem auch. Es gibt eine Fülle von Konfliktlösungsideen, mittels derer die Ansprüche der Sicherungsnehmer doch noch gekürzt werden sollen. Eine Idee ist die Annahme einer gestörten Gesamtschuld. Wieso sollte auch K Schuldner der X sein, wenn sich sein Verschulden nicht nachweisen lässt? Würde man eine zufällige Beschädigung als Vertragswidrigkeit ansehen, wäre der Anspruch des Sicherungsnehmers auf Überlassung und Nutzung der Sache faktisch ausgeschlossen. Eine gestörte Gesamtschuld setzt voraus, dass der privilegierte Schuldner nur deshalb nicht haftet, weil ein vertraglicher oder gesetzlicher Haftungsausschluss nicht vorliegt. Hier wächst K von vornherein nicht in die Haftung gegenüber X, ohne dass dem eine Privilegierung zugrunde liegt. Deshalb liegt keine gestörte Gesamtschuld vor. Das OLG weist den Gedanken vehement zurück. So ganz fernliegend ist es hier aber nicht, an einen Gestaltungsmissbrauch zu denken. Man müsste nur X und K nachweisen, in der Absicht gehandelt zu haben, Unfallbeteiligte schädigen zu wollen (Kollusion). Dies dürfte nie gelingen, denn die Bank (hier X) wird sich immer auf ihr legitimes Sicherungsinteresse berufen und auf das Versagen des Gesetzgebers verweisen, der das Problem kennt, aber nicht lösen will. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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