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RA Digital - 04/2022

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192 Referendarteil:

192 Referendarteil: Zivilrecht RA 04/2022 Hier liegt das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bei 9 %. Dies stellt nach BGH keine Geringfügigkeit mehr dar. Bereits ein Verhältnis von 4 % ist wohl nicht mehr nur geringfügig. Dies ergibt sich aus dem Schutzzweck der Norm. BGH, Urteil vom 11.12.2019, VIII ZR 361/18 BGH, Urteil vom 08.07.1983, V ZR 53/82 In diesem Fall hat der Notar alles richtig gemacht. Ohne diese Vorkehrungen hätte B ein vertragswidrig belastetes Grundstück erhalten, den Kaufpreis aber bereits voll an K bezahlt. Das passierte in dem hier vorliegenden Fall. beträgt die Wertminderung bezogen auf den sachverständig ermittelten fiktiven Wert des rechtsmangelfreien Grundstücks von 188.000 € rund 9%. Damit liegt sie deutlich über dem, was in anderen Bereichen bei vergleichbaren Fragestellungen noch als geringfügig angesehen wird. So ist etwa zu § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB anerkannt, dass bei behebbaren Mängeln in der Regel von einer Geringfügigkeit und damit von einer Unerheblichkeit auszugehen ist, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind, was jedenfalls regelmäßig nicht der Fall ist, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von 5% des Kaufpreises übersteigt (vgl. BGH (…)). Der Senat hat im Zusammenhang mit dem aus Treu und Glauben abzuleitenden Übermaßverbot einen Rückstand von knapp 4% des Kaufpreises als nicht mehr geringfügig angesehen (vgl. BGH (…)). Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1, 709 ZPO. FAZIT FÜR DIE ANWALTSKLAUSUR Welche Möglichkeiten stehen dem Käufer – hier dem Beklagten – bei Vertragsabschluss zur Verfügung, um dieses Szenario zu vermeiden? 1. Er könnte die Voreintragung des jetzigen Verkäufers (Klägers) abwarten. Sodann wäre eine neue Bestellung einer Auflassungsvormerkung, nunmehr durch den K als Verkäufer, möglich. Die Praktikabilität steht auf einem anderen Blatt. Oft werden Käufer mit (fiktiven) Konkurrenten, welche anstelle des Käufers sofort „zuschlagen würden“, zeitlich unter Druck gesetzt. 2. Die Bestellung einer eigenen Vormerkung durch X vertreten durch K zugunsten des B. Dies wird in der Praxis scheitern, weil X kein Interesse hat, hieran mitzuwirken. Dafür gibt es auch aus Sicht des X keinen Grund. 3. Die hier gewählte Variante, nämlich das Anderkonto samt Abtretung der bestehenden Vormerkung zugunsten des jetzigen Verkäufers an den Käufer. Das Anderkonto ist extrem wichtig, denn die abgetretene Vormerkung entfaltet lediglich einen erheblich geringeren Schutz gegenüber der originären Vormerkung zugunsten des jetzigen Erwerbers. Die abgetretene Vormerkung schützt vor vertragswidrigen Handlungen des X und nachrangigen Verwertungsversuchen durch Gläubiger in das Grundstück. Welche Gefahren bestehen für B? a) Vertragswidrige Handlungen durch K, die zu Eintragungen im Grundbuch führen, kann B nicht mit der Vormerkung löschen, §§ 883 I 1 BGB, denn nicht der Anspruch des B ist gesichert, sondern der des K gegen X. b) Sämtliche Rechte aus dem Kaufvertrag zwischen X und K kann X gegen B geltend machen, § 404 BGB. Erlischt der Eigentumsverschaffungsanspruch des K gegen X, erlischt auch die streng akzessorische Vormerkung. B wäre sachenrechtlich vollkommen ungeschützt. c) Außerdem kann der abgetretene Anspruch des K gegen X selbst mit Rechten Dritter behaftet sein, beispielsweise kann dieser gepfändet sein. Dann wäre die Abtretung an B ins Leere gegangen. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2022 NEBENGEBIETE Nebengebiete 193 Arbeitsrecht Problem: Aufhebungsvertrag: Wann wird es „unfair“? Einordnung: Lösung von einem Aufhebungsvertrag BAG, Urteil vom 24.02.2022 6 AZR 333/21 EINLEITUNG Die Entscheidung BAG, 6 AZR 75/18, RA 2019, 471, wird hier als bekannt vorausgesetzt. SACHVERHALT Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags. Am 22. November 2019 führten der Geschäftsführer und der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten, der sich als Rechtsanwalt für Arbeitsrecht vorstellte, im Büro des Geschäftsführers ein Gespräch mit der als Teamkoordinatorin Verkauf im Bereich Haustechnik beschäftigten Klägerin. Sie erhoben gegenüber der Klägerin den Vorwurf, diese habe unberechtigt Einkaufspreise in der EDV der Beklagten abgeändert bzw. reduziert, um so einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln. Die Klägerin unterzeichnete nach einer etwa zehnminütigen Pause, in der die drei anwesenden Personen schweigend am Tisch saßen, den von der Beklagten vorbereiteten Aufhebungsvertrag. Dieser sah u.a. eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2019 vor. Die weiteren Einzelheiten des Gesprächsverlaufs sind streitig geblieben. Die Klägerin focht den Aufhebungsvertrag mit Erklärung vom 29. November 2019 wegen widerrechtlicher Drohung an. Mit ihrer Klage hat die Klägerin den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30. November 2019 hinaus geltend gemacht. Sie hat behauptet, ihr sei für den Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrags die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung sowie die Erstattung einer Strafanzeige in Aussicht gestellt worden. Ihrer Bitte, eine längere Bedenkzeit zu erhalten und Rechtsrat einholen zu können, sei nicht entsprochen worden. Damit habe die Beklagte gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen. Jura Intensiv LEITSÄTZE Ein Aufhebungsvertrag kann unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen sein. Ob das der Fall ist, ist anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig macht, stellt für sich genommen keine Pflichtverletzung gemäß § 311 II Nr. 1 iVm. § 241 II BGB dar, auch wenn dies dazu führt, dass dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit verbleibt noch der Arbeitnehmer erbetenen Rechtsrat einholen kann. LÖSUNG I. Anfechtung gem. § 123 I 2. Var. BGB Der Aufhebungsvertrag ist nicht gem. § 142 I BGB in Folge wirksamer Anfechtung als von Anfang an nichtig anzusehen. Zwar erklärte die Klägerin mit dem Schreiben vom 29.11.2019 die Anfechtung des Aufhebungsvertrages. Ihr steht jedoch kein Anfechtungsgrund zur Seite. Die Klägerin wurde nicht widerrechtlich durch Drohung (§ 123 I, 2. Variante BGB) zum Abschluss des Aufhebungsvertrages bestimmt. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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