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RA Digital - 04/2022

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196 Nebengebiete

196 Nebengebiete RA 04/2022 Das LAG Hamm, 18 Sa 1124/20, als Vorinstanz hat sich zu dieser Rspr. sehr zurückhaltend geäußert: „Es kann offenbleiben, ob den Arbeitgeber überhaupt die vertraglichen Nebenpflicht trifft, die Entschließungsfreiheit des Arbeitnehmers bei Vertragsverhandlungen in einem Maß zu schützen, das über die gesetzlichen Standards der §§ 104 Nr. 2, 123 I, 138 BGB hinausgeht. Selbst wenn man dies annehmen wollte, liegt im Streitfall kein Verstoß gegen die vorstehend geschilderten Grundsätze fairen Verhandelns vor.“ Die Klägerin hatte behauptet, dass ihr insbesondere bedeutet wurde, wenn sie „durch die Tür gehe“, sei das Angebot des Aufhebungsvertrages „vom Tisch“. FAZIT Die vom BAG erfundene Rechtsfigur ist ein dogmatischer Irrweg (Fischinger, NZA 2019, 729 ff.; Bauer/ Romero, ZfA 2019, 608; Holler, NJW 2019, 2206; Kamanabrou, RdA 2020, 201; Schwarze, JA 2019, 789; Tiedemann, ArbRB 2020, 61). Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber die Klägerin im Gespräch – mit Blick auf deren Pflichtverletzungen verständlich – hart angefasst: Keine Unterbrechung, kurze Bedenkzeit, kein anwaltlicher Kontakt. Trotzdem vermochte auch das BAG – im Ergebnis völlig zutreffend – keine Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags festzustellen. Man darf die Hoffnung haben, dass diese Entscheidung ein massives „Zurückrudern“ des BAG indiziert. Der verfehlten Ursprungs-Entscheidung des BAG (6 AZR 75/18, RA 2019, 471) lag ein derart „krasser“ Fall zugrunde, dass wohl ein Fall der Umstandssittenwidrigkeit gem. § 138 BGB gegeben war (Fischinger, a.a.O.). Bei fehlender Umstandssittenwidrigkeit sollte der Fall „unfairen“ Verhandelns in der Klausur eher abgelehnt werden. Das LAG Hamm gibt für die Klausur den Weg vor: Es kann dahinstehen, ob dieser Ansicht gefolgt werden kann, wenn jedenfalls kein unfaires Verhandeln vorliegt. 2. Die Fertigung eines Entwurfs des Aufhebungsvertrages vor dem Gespräch nicht zu beanstanden. Es ist bei Vertragsverhandlungen üblich, Entwürfe der abzuschließenden Vereinbarung vorzulegen und zum Gegenstand der Verhandlung zu machen. Das erleichtert die Vertragsgespräche und gibt dem anderen Teil die Möglichkeit, den Vertragsinhalt visuell zu erfassen und konkrete Änderungsvorschläge einzubringen. Der Inhalt war klar gegliedert und ohne Weiteres verständlich. 3. Nicht zu beanstanden, dass keine Gelegenheit geben wurde, die Verhandlung zu unterbrechen und Rechtsrat einzuholen. Nach § 147 I 1 BGB kann der einem Anwesenden gemachte Antrag nur sofort angenommen werden. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragende auf diese gesetzlich vorgesehene Frist hinweist. Auch ist zugunsten der Beklagten berücksichtigen, dass der Klägerin der Aufhebungsvertrag vorgelesen wurde, dass sie die Möglichkeit erhielt, ergänzende Fragen zum Inhalt des Aufhebungsvertrages zu stellen, und dass ihr im Laufe des Gesprächs die Gelegenheit gegeben wurde, sich während einer „Schweigepause“ zu bedenken. 4. Nicht zu beanstanden, dass nicht die Möglichkeit eröffnet wurde, ihrerseits einen Rechtsbeistand hinzuziehen oder zu konsultieren. Das Gebot „formaler Waffengleichheit“ wird dadurch nicht verletzt. Insoweit ist zu beachten, dass der Vertragsabschluss primär durch die Willenserklärungsund Anfechtungsregeln geschützt wird. Der Inhalt des Aufhebungsvertrages belegt zudem nicht, dass die Vertragsparität ernsthaft gestört war. Zwar ist für die Klägerin keine Abfindungszahlung vorgesehen. Allerdings sieht der Vertrag die Beendigung zum Monatsende, also mit einem „glatten“ Datum und die Erteilung eines wohlwollenden Zeugnisses unter Erwähnung einer betrieblich veranlassten Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor und erwähnt Pflichtverletzungen der Klägerin nicht. Zu berücksichtigen ist ferner, dass mit der vorgesehenen Ausgleichsquittung auch etwaige Ansprüche der Beklagten auf Schadensersatz gegen die Klägerin erledigt sind. Jura Intensiv 5. Keine unfaire Überrumpelung. Das Gespräch mit der Klägerin ist nicht in ihrem privaten Umfeld, sondern während der Arbeitszeit im Betrieb der Beklagten geführt worden. Der Arbeitnehmer muss damit rechnen, dass er während der Arbeit auf Änderungs- oder Aufhebungsverträge angesprochen wird. Die besondere Ankündigung eines solchen Gesprächs ist nicht erforderlich. Das entspricht auch den Grundsätzen, die das BAG für die Anhörung des Arbeitnehmers vor dem Ausspruch einer Verdachtskündigung aufgestellt hat (BAG, Urteil v. 12.02.2015 – 6 AZR 845/13). Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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