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RA Digital - 04/2022

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170 Zivilrecht

170 Zivilrecht RA 04/2022 Die Beteiligten kannten sich untereinander und sorgten sich um die Bedürfnisse der anderen. Wenn man dies nicht versteht, versteht man den Fall nicht. Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens gem. § 488 I 2 BGB: • Vertragsschluss zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer • Auszahlung an den Darlehensnehmer • Fälligkeit • Keine Nichtigkeit des Darlehensvertrages Scheingeschäft § 117 BGB Am 12.01.2015 wurden die Käufer des Grundstücks, W persönlich und die ihm gehörende RE GmbH, als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Für die Jahre 2014 und 2015 wurden von der B Darlehenszinsen in Höhe von 3 % p.a. gezahlt, davon zunächst 400,- € in bar und restliche 79,17 € per Überweisung und für 2015 in Höhe von 1.500 € per Überweisung. K führte in ihren Bilanzen eine Darlehensforderung gegen B und versteuerte die Zinserträge. Auch B wies in ihren jeweiligen Jahresabschlüssen für die Jahre 2014 und 2015 unter „sonstige Verbindlichkeiten“ das Darlehen der K über 50.000 € aus. Anfang 2016 verkaufte H ihre Geschäftsanteile an der B an X, den Sohn des S, und verzog nach Italien. Im Auftrag der T wurde das Verwaltungsgebäude abgerissen und entsorgt. Im Jahr 2017 versuchte S die Grundstücksgeschäfte rückabzuwickeln, scheiterte jedoch, weil die Grundstücke bereits an einen Dritten mit Gewinn weiterveräußert worden waren. Daraufhin erklärte K die Kündigung des Darlehens und forderte die B zur Rückzahlung der 50.000 € auf. B meint der Darlehensvertrag sei nur ein Scheingeschäft gewesen und verweigert die Rückzahlung. Zu Recht? Anmerkung: Es ist davon auszugehen, dass die Beteiligten eine Nichtigkeit des Darlehensvertrages wegen Sittenwidrigkeit als zivilrechtliche Konsequenz nicht erkannt haben. LÖSUNG A. Anspruch der K gegen B auf Rückzahlung von 50.000 € gem. § 488 I 2 BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung von 50.000 € gem. § 488 I 2 BGB haben. Dies setzt den Abschluss eines Darlehensvertrages, die Auszahlung der Darlehenssumme, sowie die Fälligkeit der Zahlung voraus. Ferner darf der Darlehensvertrag nicht nichtig sein. I. Vertragsschluss zwischen K und B Ein Darlehensrückzahlungsanspruch setzt gem. § 488 I 2 BGB zunächst voraus, dass ein Darlehensvertrag zwischen dem Darlehensgeber und dem Darlehensnehmer zustande gekommen ist. Der Vertrag könnte hier am 06.09.2014 zwischen K, gem. § 164 I BGB vertreten durch die Ehefrau des W, diese ihrerseits gem. §§ 164 I, 167 I Fall 1, 35 GmbHG wirksam bevollmächtigt durch W, und B, gem. §§ 164 I BGB, 35 GmbHG vertreten durch ihre Geschäftsführerin H, zustande gekommen sein. Fraglich ist aber, ob die Willenserklärungen nur zum Schein im Sinne des § 117 BGB abgegeben worden sind und ein Darlehensvertragsschluss in Wirklichkeit gar nicht gewollt war. Jura Intensiv [44] Der Vertrag ist (...) nicht wegen Eingehung eines sog. „Scheingeschäfts“ im Sinne von § 117 BGB von Anfang an unwirksam. Nach § 117 Abs. 1 BGB ist eine Willenserklärung, die einem andren gegenüber abzugeben ist, nichtig, wenn sie mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben wird. [45] Ein bloßes Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen nicht eintreten lassen wollen (...). Wer sich auf die Nichtigkeit beruft, trägt für den Scheincharakter des Geschäfts die Beweislast (...). Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2022 Zivilrecht 171 [46] Diesen Beweis hat die Beklagte nicht erbracht. Denn die Beklagte selbst stellt die Eingehung einer Darlehensvereinbarung nicht gänzlich in Abrede. Zwar meint sie, der Darlehensvertrag sei als Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB einzustufen. Mit dieser Rechtsansicht dringt sie aber deshalb nicht durch, weil nach ihrem eigenen Vortrag die Durchführung eines Grundstücksvertrags und der Abriss des Verwaltungsgebäudes der T. durch das streitgegenständliche Darlehen besichert werden sollten (....). Die damalige Geschäftsführerin der Beklagten, die Zeugin H., hat insoweit bekundet, die Rückzahlung des Darlehens habe nur bei Eintritt folgender Bedingungen entfallen sollen: Zustimmung des Sanierungsträgers und der Gläubigerin Sch. zum Grundstückkaufvertrag, Eintragung der Käuferin ins Grundbuch und Abriss des Bürogebäudes der T. (…) Im Übrigen sind die Darlehenszinsen für die Jahre 2014 und 2015 unstreitig gezahlt worden. Der Vertrag war damit - zumindest partiell und temporär - gewollt gewesen. [47] Selbst wenn also der Vortrag der Beklagten als richtig unterstellt wird, dass der Darlehensvertrag nach Vollzug des Grundstückskaufvertrags in den vorgenannten Punkten vernichtet werden sollte, ändert das nichts daran, dass zunächst der Abschluss eines Darlehensvertrags zwischen den Parteien gerade gewünscht war, um für einen befristeten Zeitraum die gewünschte Sicherheit zunächst entstehen zu lassen. Die von der Beklagten behauptete Nebenabrede einer auflösenden Bedingung macht den Vertrag ebenfalls nicht zu einem Scheingeschäft. Denn der Text des Vertrags schließt das Bestehen von mündlichen Nebenabreden nicht aus. Er enthält nicht einmal die bei vielen Verträgen übliche „Schriftformklausel“, wonach auch Nebenabreden der Schriftform bedürfen. Schließlich wurde ein konkreter Darlehenszweck in dem schriftlichen Vertrag auch nicht genannt. Damit steht fest, dass der Darlehensvertrag am 06.09.2014 geschlossen wurde. II. Auszahlung der Summe an B Der Rückzahlungsanspruch aus § 488 I 2 BGB setzt die Auszahlung der Darlehenssumme seitens des Darlehensgebers an den Darlehensnehmer voraus. Es steht fest, dass das Bargeld von 50.000 € mit Zustimmung der H vereinbarungsgemäß dem S zufließen sollte. Jura Intensiv Beachte: Es wurden sogar Zinsen gezahlt! Entscheidend: Die Parteien haben den Vertrag gewollt. [43] (...) Hierin liegt eine Einwilligung der Beklagten mit der Direktleistung des Darlehensbetrags an den Zeugen S., den sich die Beklagte als Hingabe des Darlehens zurechnen lassen muss. Damit steht fest, dass die Darlehenssumme von 50.000 € auch ausgezahlt wurde. III. Fälligkeit Das Darlehen wurde gem. § 488 III 1 BGB gekündigt und ist fällig. IV. Keine Nichtigkeit Fraglich ist, ob der Darlehensvertrag wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 I BGB nichtig ist. Ein Rechtsgeschäft ist gem. § 138 I BGB nichtig, wenn es gegen die guten Sitten verstößt. Der Verstoß gegen die guten Sitten könnte darin liegen, dass eine Schmiergeldabrede zugunsten des Geschäftsführers der Verkäuferin eines Grundstücks als Darlehen getarnt wurde. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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