176 Zivilrecht RA 04/2023 K behandelte W wie einen Familienangehörigen. Kriterium: Sehr guter Gesundheitszustand Kriterium: Tiermedizinische Vertretbarkeit der Heilbehandlung. Welche Erfolgsaussicht hat die Heilbehandlung? Das Gericht hebt erneut den Unterschied zur Reparatur einer Sache hervor. Abwägung: Das wirtschaftliche Interesse des B muss zurückstehen. Es hilft B auch nicht, dass ihn kein Verschulden trifft. er von Anfang an und immer noch eine besonders enge Bindung hat. (…) hat er auf dem Pferd „W.“ das Reiten erlernt und ist auf diesem auch mehrere Jahre in seiner Freizeit geritten. Auch als das Pferd vor ca. 20 Jahren einen Unfall hatte, hat der Kläger die erforderliche Heilbehandlung veranlasst. Auch nach seiner aktiven Reiterzeit hat der Kläger das Pferd weiter behalten und als Beistellpferd genutzt. Schließlich ist das Pferd trotz seines zum Schadenszeitpunkt hohen Alters von 24 Jahren und auch noch zum Zeitpunkt der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch in seinem Eigentum und Besitz gewesen und von dem Kläger regelmäßig – quasi als Familienangehöriger – versorgt worden. (…) [43] Darüber hinaus war das Pferd (…) in einem sehr guten (…) gesundheitlichen Zustand. [44] Die jeweils den mit der Klage geltend gemachten Tierarztbehandlungskosten zugrundeliegenden Heilbehandlungsmaßnahmen waren tiermedizinisch vertretbar. [47] Die Einschätzung des Sachverständigen (…) zur Lebenserwartung und auch zur Erfolgsaussicht der Heilbehandlungsmaßnahmen haben sich insofern bestätigt, als dass das streitbefangene Pferd zum Zeitpunkt der Anhörung des Klägers sich (…) (wieder) bester Gesundheit erfreute. [48] Heilbehandlungen sind hinsichtlich Dauer, Umfang und damit auch Kosten oft unübersehbar und deshalb mit Reparaturen nicht vergleichbar, insbesondere wenn Verletzungen ein unverzügliches ärztliches Handeln fordern. Demnach sind auch unnötige oder überteuerte Maßnahmen erstattungsfähig, da der Geschädigte insoweit aufgrund seiner begrenzten Kenntnis- und Einwirkungsmöglichkeit auf deren Entstehung kaum Einfluss hat.(…) [50] Bei der Abwägung des aus der Verantwortung für das Tier folgenden immateriellen Interesses des Klägers vor dem Hintergrund seiner engen emotionalen Bindung an das Pferd und des affektiven Interesses an der Wiederherstellung der Gesundheit und der körperlichen Integrität des seit 24 Jahren in seinem Besitz befindlichen Pferdes gegen das wirtschaftliche Interesse der Beklagten, hatte das wirtschaftliche Interesse der Beklagten zurückzustehen. Gegen eine volle Haftung der B könnte sprechen, dass sie lediglich gem. § 833 S. 1 BGB haftet und kein Verschulden feststeht. [51] (…) Dabei war jedoch zu berücksichtigen, dass die von dem Hund der Beklagten ausgehende Tiergefahr im Verhältnis zu der von dem Pferd „W.“ ausgehenden Tiergefahr deutlich überwiegt. Jura Intensiv B. Anspruch aus § 823 I BGB Mangels Verschulden der B kommt ein Anspruch aus § 823 I BGB nicht in Betracht. C. Ergebnis K hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 14.801,56 € aus § 833 S. 1 BGB. FAZIT Tiere sind Lebewesen und keine industriell gefertigten Waren. Die für Sachen geltenden Regeln sollen nach § 90 S. 3 BGB analog angewendet werden, im Schadensrecht stößt die Gleichsetzung mit Waren jedoch dort an Grenzen, wo die besondere Verantwortung des Menschen für das Tier sichtbar wird. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 04/2023 Zivilrecht 177 Problem: Schmerzensgeld nach Corona-Impfung Einordnung: Schuldrecht, Deliktsrecht LG Ravensburg, Urteil vom 16.03.2023 3 O 1/23 (leicht abgewandelt) EINLEITUNG Seit über zwei Jahren obliegt es den Gerichten, die Scherben zusammenzufegen, die durch den unausgewogenen Umgang mit der Corona-Pandemie zu Boden gefallen sind. Seit 2020 berichten wir in der RA. Dennoch gibt es immer wieder neue Themen mit Examensrelevanz. Der vorliegende Fall beleuchtet die Funktionen des Schmerzensgeldes. SACHVERHALT Der Vater des K suchte am 14.04.2021 in Begleitung des K die Praxis des B auf. Dort wurde das Thema Corona-Impfung besprochen. Am 23.06.2021 suchte der Vater des Klägers erneut, diesmal alleine, die Praxis des B auf. Der Vater des K unterzeichnete ein Aufklärungsmerkblatt sowie eine Einwilligungserklärung zur Corona-Impfung. Diese trägt das Datum vom 23.06.2021. Am selben Tag wurde von B dann eine erste Impfung des Vaters des K mit dem Wirkstoff von AstraZeneca vorgenommen, indem der Wirkstoff mit einer Spritzenkanüle intramuskulär injiziert wurde. Eine zweite Impfung erfolgte durch B mit Astra- Zeneca am 28.07.2021. Am 27.01.2022 nahm B eine dritte Impfung beim Vater des K vor, die so genannte „Booster-Impfung“, diesmal mit dem Impfstoff von Moderna. Der 1933 geborene Vater des K verstarb im September 2022. K ist Alleinerbe seines Vaters. Er behauptet ausdrücklich nicht, dass sein Vater als Folge der Impfungen verstorben sei, behauptet aber, sein Vater sei seitens B über die Impfung nicht ausreichend aufgeklärt worden und meint deshalb, die Einwilligung sei nicht wirksam. Weil sein Vater mit der Injektionsnadel, die er „gefährliches Werkzeug“ nennt, traktiert worden sei, begehrt er ein Schmerzensgeld für jeden Impfvorgang in Höhe von 7.500 €. Zu Recht, wenn zu unterstellen ist, dass die Aufklärung nicht fachgerecht erfolgt ist, der Vater aber keine gesundheitlichen Beschwerden aufgrund der Impfung hatte? LÖSUNG Jura Intensiv ORIENTIERUNGSSATZ 1. Allein eine Impfung als solche ohne besondere Folgebeschwerden rechtfertigt kein Schmerzensgeld. 2. Die mit dem Einstechen der Spritzenkanüle und dem Einbringen des Impfstoffes verbundenen Beeinträchtigungen sind nach Art und Intensität so gering, dass sie das Wohlergehen des Patienten über den Augenblick hinaus nicht nachhaltig stören. 3. Auf die Frage, ob die vorausgegangene Aufklärung ordnungsgemäß war und die Einwilligung des Patienten wirksam ist, kommt es in einem solchen Fall nicht an. Anmerkung zu dieser „Unterstellung“: B hat diesem Vortrag sehr deutlich und detailliert widersprochen. Das Gericht hat die Frage offen gelassen, weil jedenfalls die Voraussetzungen für das Schmerzensgeld nicht vorliegen. Weil wir Ihnen ein vollständiges Gutachten präsentieren wollen, wandeln wir den Fall an dieser Stelle ab und unterstellen aus didaktischen Gründen eine fehlerhafte Aufklärung durch den Arzt. A. Anspruch des K gegen B gem. §§ 1922, 280 I, 241 II, 630a BGB i. V. m. § 253 II BGB K könnte als Erbe seines Vaters einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld aus §§ 1922, 280 I, 241 II, 630a BGB in Verbindung mit § 253 II BGB haben. Dann muss in der Person des Vaters ein vererbbarer Schmerzensgeldanspruch entstanden sein, der mit dem Erbfall auf K überging. I. Erbenstellung des K gem. § 1922 BGB K ist Alleinerbe seines Vaters und rückt im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in dessen Rechte und Pflichten ein. Fraglich ist, ob der Schmerzensgeldanspruch vererblich ist. In der Fassung des BGB vom 01.01.1900 schloss § 847 I 2 BGB die Vererblichkeit von Schmerzensgeldansprüchen generell aus. Dieser Ausschluss trat am 01.07.1990 außer Kraft und wurde auch mit der Verortung des Schmerzensgeldparagraphen in § 253 BGB am 01.08.2002 nicht wieder eingeführt. Folglich sind in der Person des Erblassers entstandene Schmerzensgeldansprüche grundsätzlich vererblich. Zur Geschichte der Vererblichkeit des Schmerzensgeldanspruchs © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
RA 04/2023 Referendarteil: Strafrec
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