190 Referendarteil: Zivilrecht RA 04/2023 Der streitige Parteivortrag wird im Präsens und indirekter Rede dargestellt. Trennen Sie zwischen Tatsachenbehauptungen und Rechtsansichten. Worum geht’s? Die Thematik des Vorschadens dreht sich um den Gedanken, dass der jetzige Schädiger nicht für die Reparatur des Vorschadens – verursacht durch wen anders – aufkommen soll. BGH, Urteil vom 09.06.1992, VI ZR 215/91 BGH, Urteil vom 08.02.2017, 14 U 119/16; OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.02.2006, I-1 U 148/05 BGH, Urteil vom 27.03.1990, VI ZR 115/89; vgl. auch: BGH, Beschluss vom 15.10.2019, VI ZR 377/18, von der erfolgten Reparatur des Vorschadens, verschafft durch Zeugeneinvernahme; BGH, Urteile vom 18.02.1992, VI ZR 367/90; BGH, Urteil vom 19.09.2017, VI ZR 530/16 Vgl. hierzu für den Fall eines deckungsgleichen Schadens: OLG Hamm, Urteil vom 28.06.2022, I-7 U 45/21 Beweiswürdigung aufgrund der zuvor genannten Maßstäbe Die B behaupten, am klägerischen Fahrzeug bestünden nicht reparierte Vorschäden. Ferner sind die B der Rechtsansicht, die Nutzungsausfallentschädigung sei der Höhe nach nicht angemessen. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die zulässige Klage ist teilweise begründet. K hat einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gem. §§ 7 I, 17 I, 18 I StVG, § 115 I 1 Nr. 1 VVG gegen die B als Gesamtschuldner gem. § 115 I S 4 VVG, § 421 BGB in Höhe der Reparaturkosten von 3.570,77 €. Das klägerische Fahrzeug ist hinsichtlich des Vorschadens sach- und fachgerecht repariert worden. [23] Wenn der Schädiger den Umfang oder die Höhe eines Schadens mit der Begründung bestreitet, der Gegenstand sei bereits durch ein früheres Ereignis beeinträchtigt worden, verbleibt die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich beim Geschädigten (vgl. BGH (…)). Denn dieser darf sich an einem Schadensfall nicht bereichern und muss bei vorherigen Schadensereignissen darlegen, dass er diese sach- und fachgerecht repariert hat, so dass er nicht das aktuelle Schadensereignis nutzen kann, um einen älteren Schaden zu beseitigen. Sein Ersatzanspruch erstreckt sich lediglich auf den Ersatz derjenigen Kosten, die zur Wiederherstellung des vorbestehenden Zustandes erforderlich sind (vgl. BGH (…)). [24] bb) Bei der Darlegung und Beweisführung einer sach- und fachgerechten Reparatur des Vorschadens kommt dem Geschädigten aber das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO zugute (vgl. BGH (…)). [25] Handelt es sich um einen sog. Bagatellschaden, der allein das äußerliche Erscheinungsbild des Fahrzeugs beeinflusst (Kratzer, kleine Dellen), und ist unstreitig, dass keine dahinterliegenden Fahrzeugteile betroffen sind, kann das Gericht unter Berücksichtigung des § 287 ZPO im Rahmen einer Beweisaufnahme selbst feststellen, ob der Schaden sachund fachgerecht beseitigt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn der Schaden nicht mehr sichtbar ist (vgl. (…): Die Annahme eines deckungsgleichen und infolgedessen eine Ersatzfähigkeit ausschließenden Vorschadens scheidet aus, wenn es sich bei dem Vorschaden um eine normale und im Übrigen bloße optische Gebrauchsspur ohne jede Auswirkung auf die Funktionalität handelt). Jura Intensiv So liegt der Fall hier. Aus der Gesamtschau der Gerichtsakte und der persönlichen Anhörung des K in der mündlichen Verhandlung, unter Berücksichtigung der erleichterten Darlegungs- und Beweislast gem. § 287 ZPO, ist die Kammer überzeugt, dass der geltend gemachte Schaden nicht durch das Vorschadensereignis aus dem Jahr 2010 entstanden ist, sondern, dass es sich bei dem Vorschadensereignis um einen kleinen Heckanstoß durch einen Motorroller, der lediglich zu geringen äußerlichen Beschädigungen geführt hat, handelte. Es kam zu Kratzern auf dem hinteren Stoßfänger und Heck. [28] (…). Wenn es sich um eine nur äußerliche Beschädigung gehandelt hat, liegt eine sach- und fachgerechte Reparatur vor, wenn die Beschädigung nicht mehr erkennbar ist. (…). Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 04/2023 Referendarteil: Zivilrecht 191 K hat zudem keinen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 850,- €. Dieser Anspruch setzt voraus, dass sich der Nutzungsentzug bei dem Geschädigten als „fühlbarer“ wirtschaftlicher Nachteil ausgewirkt hat. [31] (…). Fühlbar ist die Nutzungsbeeinträchtigung immer, wenn der Wagen während der Reparaturzeit nicht zu dem mit seiner Anschaffung verfolgten Zweck Dienste leisten kann (BGH (…)), diese Nutzungsmöglichkeit aber bestehen würde, wenn der Wagen verfügbar wäre (BGH (…)). Der Nutzungsausfall ist insoweit ein typischer, aber nicht notwendiger Folgeschaden, der weder überhaupt noch seiner Höhe nach von Anfang an fixiert ist. Er hängt davon ab, ob der Geschädigte den Wagen überhaupt nutzen wollte und konnte (BGH (…)). Er ist nur dann zu ersetzen, wenn er tatsächlich vermögensrechtlich eintritt (BGH (…)). Diese Einschränkung stellt sicher, dass der Geldersatz für Verluste im eigenwirtschaftlichen Einsatz der Sache ungeachtet der notwendigen Typisierung und Pauschalierung einer konkreten, auf das jeweils betroffene Vermögen bezogenen Schadensbetrachtung verhaftet bleibt (BGH, (…)). [32] Der Ersatz für den Verlust der Möglichkeit zum Gebrauch einer Sache muss grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen die Funktionsstörung sich typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt. Andernfalls bestünde die Gefahr, unter Verletzung des § 253 BGB die Ersatzpflicht auf Nichtvermögensschäden auszudehnen. Auch würde dies mit den Erfordernissen von Rechtssicherheit und Berechenbarkeit des Schadens in Konflikt geraten. Deshalb beschränkt sich der Nutzungsausfallersatz auf Sachen, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist und bei denen die Nutzungseinbußen an objektiven Maßstäben gemessen werden können (BGH, (…)). In Bezug auf den Nutzungsausfallschaden eines Oldtimers ist ferner zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um ein Liebhaberstück handelt, das von vornherein das Gepräge eines nicht für die eigenwirtschaftliche Lebensführung zwingend notwendigen Gegenstandes besitzt. Etwas Anderes konnte die Kammer vorliegend nicht feststellen. Dazu kommt, dass K selbst nicht behauptet, dass er in den ca. zwei Wochen, in denen das Fahrzeug in der Reparatur war, zu seinen Eltern zu fahren, um diese zu besuchen. Jura Intensiv Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass eine Nutzungsausfallentschädigung auch dann dem Grunde nach bestehen kann, wenn der beschädigte Wagen nicht vom Eigentümer, sondern von einem nahen Familienangehörigen während der Reparaturzeit verwendet worden wäre. [36] (…) Dabei stellt der Bundesgerichtshof nicht auf „im selben Haushalt“ lebende Personen ab (…). Weiterer Punkt: Nutzungsausfallentschädigung BGH, Urteil vom 15.04.1966, VI ZR 271/64 BGH, Urteil vom 16.10.1973, VI ZR 96/72 BGH, Urteil vom 23.03.1976, VI ZR 41/74 BGH, Urteil vom 10.03.2009, VI ZR 211/08 BGH, Urteil vom 10.06.2008, VI ZR 248/07; OLG Celle, Urteil vom 10.11.2021, 14 U 136/20 BGH, Urteil vom 10.06.2008, VI ZR 248/07; BGH, Urteil vom 11.10.2022, VI ZR 35/22 Wiederum Anwendung des Vorangestellten auf den konkreten Sachverhalt Ausdehnung des Anspruches auf eine Nutzungsausfallentschädigung in persönlicher Hinsicht. Anspruchsbegründend ist der Umstand, dass ein naher Familienangehöriger das Fahrzeug gebraucht hätte. Die Schwester des K hat ebenfalls keinen fühlbaren wirtschaftlichen Nachteil erlitten, der K zum Ersatz eines Nutzungsausfallschadens berechtigen könnte. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
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