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RA Digital - 04/2023

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198 Öffentliches Recht

198 Öffentliches Recht RA 04/2023 Allgemein anerkannt, daher nur knappe Darstellung Anknüpfungspunkt ist im Kern das Demokratieprinzip. Direkte Geldzuwendungen des Staates an Parteien berühren immer das Recht auf Chancengleichheit. Auch Geldzuwendungen an Dritte können die Chancengleichheit der Parteien beeinträchtigen (vergleichbar mit einem mittelbaren Grundrechtseingriff). Bei Geldzuwendung an Dritte: Einzelfallbetrachtung erforderlich: Maßgebliches Kriterium: Nähebeziehung zwischen Partei und Drittem. Anhaltspunkt für Nähebeziehung: Anerkennung einer Stiftung durch eine Partei. Weiterer Anhaltspunkt: Personelle Verflechtungen zwischen Partei und Stiftung. I. Recht auf Chancengleichheit der Parteien Der durch Art. 21 I GG den Parteien zuerkannte verfassungsrechtliche Status gewährleistet das Recht, gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilzunehmen. „[171] Um die verfassungsrechtlich gebotene Offenheit des Prozesses der politischen Willensbildung zu gewährleisten, ist es unerlässlich, dass die Parteien, soweit irgend möglich, gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilnehmen. Das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit steht in engem Zusammenhang mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG. […] [174] Vor diesem Hintergrund ist das Recht auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG durch die unmittelbare Zuweisung staatlicher Finanzmittel an politische Parteien betroffen. Hierbei wirkt sich die direkte Zuweisung öffentlicher Mittel an politische Parteien ohne Weiteres auf deren Möglichkeit zur Teilnahme am politischen Wettbewerb aus. […] [176] Neben einer direkten Förderung kann auch die Zuweisung staatlicher Mittel an Dritte auf die Wettbewerbslage zwischen den Parteien einwirken. Die Chancengleichheit der Parteien kann auch durch faktische oder mittelbare Beeinträchtigungen betroffen sein, wenn diese in der Zielsetzung und in ihren Wirkungen unmittelbaren und zielgerichteten Eingriffen gleichkommen. Werden staatliche Mittel mit einer Zweckbestimmung verbunden, die typischerweise dazu führt, dass ihre Verwendung Parteien in unterschiedlicher Weise nützt oder schadet, kann darin eine Einflussnahme auf den politischen Wettbewerb liegen, die als Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien zu qualifizieren ist. […] [177] Erfolgt die Vergabe öffentlicher Finanzmittel an Dritte, kann allerdings […] nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass durch die Zuweisung dieser Mittel in das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit eingegriffen wird. Dies gilt insbesondere, wenn die Mittel Institutionen zugewendet werden, die von den Parteien rechtlich und tatsächlich unabhängig sind, ihre Aufgaben selbständig und eigenverantwortlich wahrnehmen und auch in der Praxis Distanz zu den jeweiligen Parteien wahren. Daher ist in solchen Fällen nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls gesondert festzustellen, ob die Zuwendung staatlicher Mittel an einen Dritten die Wettbewerbslage zwischen den politischen Parteien verändern kann. […] Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn zwischen Leistungsempfänger und politischer Partei ein besonderes Näheverhältnis besteht. […] Jura Intensiv [207] Ob eine Stiftung einer bestimmten Partei nahesteht, bestimmt sich zunächst durch den formalen Akt der Anerkennung seitens der Partei. Hierdurch wird nach außen dargelegt, dass eine inhaltliche Übereinstimmung zwischen Partei und Stiftung hinsichtlich politischer Grundwerte und Überzeugungen besteht. Der Anerkennungsakt bildet den verfestigten Ausgangspunkt des besonderen Näheverhältnisses zwischen Partei und Stiftung. [208] Hinzu kommen personelle Verflechtungen zwischen der politischen Partei und der als nahestehend anerkannten Stiftung, […].“ Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2023 Öffentliches Recht 199 Die Antragstellerin hat die DES als ihr nahestehende politische Stiftung anerkannt, sodass das beschriebene besondere Näheverhältnis besteht. Gleiches gilt auch für die anderen im Bundestag vertretenen Parteien und die ihnen nahestehenden politischen Stiftungen. Weiterhin muss die Vergabe öffentlicher Finanzmittel an diese Stiftungen die Wettbewerbslage zwischen den Parteien verändern können. Subsumtion unproblematisch „[219] Es liegt auf der Hand, dass politische Bildungsarbeit durch die Veranstaltung von Seminaren und Diskussionsforen, die sich an den von bestimmten Parteien vertretenen Grundwerten und -überzeugungen orientieren, zu der Verbreitung des Gedankenguts dieser Parteien beiträgt und damit auf deren Positionierung im politischen Wettbewerb zurückwirkt, auch wenn dies im Einzelnen nicht messbar oder in sonstiger Weise quantifizierbar sein sollte. [222] Dadurch stellt sich die Bildungsarbeit der politischen Stiftungen als wichtiger Resonanzkörper für die Verbreitung politischer Vorstellungen der nahestehenden Partei dar. Teilnehmern an solchen Veranstaltungen werden politische Konzepte der nahestehenden Partei vermittelt und sie werden in die Lage versetzt, diese gegebenenfalls im politischen Diskurs gegenüber Dritten zu vertreten. Die Bildungsarbeit der politischen Stiftungen wirkt damit auf den Prozess der politischen Willensbildung zugunsten der ihnen jeweils nahestehenden Partei ein. Deren Stellung im politischen Wettbewerb wird gestärkt.“ Folglich ist durch die streitgegenständliche staatliche Förderung das Recht der Antragstellerin aus Art. 21 I 1 GG betroffen. II. Eingriff in das Recht der AfD auf Chancengleichheit Die umstrittene Förderpraxis muss ferner in das Recht der AfD aus Art. 21 I 1 GG eingreifen. „[226] Insgesamt belief sich die Förderung der politischen Stiftungen durch den Bund im Haushaltsjahr 2019 auf einen Betrag von rund 660 Millionen Euro. […] [227] Allein auf den Bereich der […] Globalzuschüsse für gesellschaftspolitische und demokratische Bildungsarbeit entfielen insgesamt rund 130 Millionen Euro. […] [228] Angesichts dessen wäre es realitätsfern, anzunehmen, dass der Einsatz dieser Mittel keine Relevanz für den politischen Wettbewerb entfaltete. Die geförderten Stiftungen können die Globalmittel in ihrem gesamten Tätigkeitsbereich einsetzen und werden dadurch in die Lage versetzt, eine große Zahl an Seminaren, Diskussionsveranstaltungen oder sonstigen Informationsangeboten durchzuführen. So stehen […] pro Jahr etwa 50 aus eigenen Mitteln finanzierten Veranstaltungen der DES mehr als 12.000 aus öffentlichen Kassen finanzierte Veranstaltungen der sonstigen politischen Stiftungen gegenüber. Daneben ergeben sich umfängliche Möglichkeiten zur Durchführung von Forschungsvorhaben in den für die politische Agenda der nahestehenden Partei besonders relevanten Politikfeldern. [230] Angesichts der Höhe der in Rede stehenden staatlichen Leistungen, des daraus erwachsenden und nicht zu bestreitenden Mehrwerts der Tätigkeit der politischen Stiftungen für die ihnen nahestehenden Jura Intensiv Finanzielle Förderung der Stiftungen berührt den Parteienwettbewerb. Höhe der finanziellen Zuwendungen des Staates • Eingriff (+) © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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