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RA Digital - 04/2023

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200 Öffentliches Recht

200 Öffentliches Recht RA 04/2023 Parteien und der Rückwirkungen auf den politischen Wettbewerb stellen sich die staatliche Stiftungsförderung und insbesondere die Gewährung von Globalzuschüssen als staatliche Maßnahmen dar, die […] spürbar auf die politische Willensbildung einwirken und daher am Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG zu messen sind.“ Demnach ist die Nichtberücksichtigung der DES bei der Gewährung staatlicher Zuschüsse als Eingriff in das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit der Parteien aus Art. 21 I 1 GG einzustufen. III. Rechtfertigung des Eingriffs Fraglich ist, ob der Eingriff in Art. 21 I 1 GG gerechtfertigt ist. Voraussetzung für Rechtfertigung: Besonderer Grund von Verfassungsrang sowie Geeignetheit und Erforderlichkeit Wegen Demokratieprinzip / Wesentlichkeitstheorie: Parlamentsgesetz erforderlich Parlamentsgesetzgeber muss Detailregelungen zur Stiftungsförderung treffen. Subsumtion: Haushaltsgesetz genügt den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie nicht, es ist ein spezielles „Stiftungsgesetz“ erforderlich. „[180] Der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien unterliegt ebenso wie die Wahlrechtsgleichheit keinem absoluten Differenzierungsverbot. Aufgrund seines formalen Charakters hat aber grundsätzlich jeder Eingriff in die chancengleiche Teilnahme der Parteien am politischen Wettbewerb zu unterbleiben, der nicht durch einen besonderen […] Grund gerechtfertigt ist. Gründe, die Ungleichbehandlungen rechtfertigen […], müssen durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sein, das dem Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien die Waage halten kann. Dabei ist jedenfalls den Grundsätzen der Geeignetheit und Erforderlichkeit zur Erreichung der verfassungsrechtlich legitimierten Zwecke Rechnung zu tragen. [181] Eingriffe in das Recht auf Chancengleichheit der politischen Parteien bedürfen darüber hinaus einer besonderen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, wenn sich die Legitimation zum staatlichen Handeln nicht schon - wie etwa bei der Informationstätigkeit der Bundesregierung - unmittelbar aus der Verfassung ergibt. […] [184] […] Wegen seiner Bedeutung für das grundgesetzliche Demokratiegebot aus Art. 20 Abs. 1 und 2 GG steht die Gewährleistung der Chancengleichheit der Parteien in einem Regelungszusammenhang, der in seiner Bedeutung der Ausübung von Grundrechten nicht nachsteht und für den daher der Gesetzesvorbehalt grundsätzlich in gleicher Weise gilt. Jura Intensiv [186] […] Wirken sich staatliche Leistungen - unmittelbar oder mittelbar - auf die Stellung und die Handlungsspielräume der Parteien im politischen Wettbewerb aus, ist es wegen ihrer zentralen Rolle bei der Ausfüllung des grundgesetzlichen Demokratiegebots Sache des Gesetzgebers, selbst unter Beachtung des Grundsatzes der Chancengleichheit die Anspruchsvoraussetzungen und Verteilungskriterien solcher Leistungen zu bestimmen. […] [188] Das Haushaltsgesetz ist ein formelles Gesetz, das seine Rechtswirkungen nur im organschaftlichen Rechtskreis zwischen Parlament und Regierung entfaltet. Es ist darauf beschränkt, die Exekutive zur Leistung der veranschlagten Ausgaben zu ermächtigen (§ 3 Abs. 1 BHO). Wegen des Fehlens unmittelbarer Außenwirkung begründet das Haushaltsgesetz keine Ansprüche Dritter (§ 3 Abs. 2 BHO). […] Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 04/2023 Öffentliches Recht 201 [189] Die mit den Haushaltsgesetzen festgestellten Haushaltspläne enthalten in Subventionstiteln zudem regelmäßig nur eine allgemeine Zweckbestimmung, welche keine verbindlichen Vorgaben für den Adressatenkreis und die Verteilung der Mittel macht. […] [190] Hinzu kommt die begrenzte Möglichkeit, einzelne Haushaltsansätze im Haushaltsaufstellungsverfahren öffentlich zu erörtern. Der Umfang des Bundeshaushalts lässt für die öffentliche Debatte einzelner Haushaltsansätze – von wenigen Ausnahmen abgesehen – keinen Raum. […] [192] Ausgehend von den dargestellten Besonderheiten reicht die Regelung im jeweiligen Haushaltsgesetz als Ermächtigungsgrundlage für die Zahlung von staatlichen Zuwendungen mit Auswirkungen auf die Wettbewerbslage zwischen den Parteien grundsätzlich nicht aus. Ebenso wie in Fällen, in denen Eingriffe in die Grundrechtssphäre von am Subventionsverhältnis nicht beteiligten Dritten in Rede stehen, bedarf es bei einer erheblichen Betroffenheit der Chancengleichheit der Parteien durch staatliche Leistungen einer gesonderten gesetzlichen Regelung der Anspruchsvoraussetzungen und Vergabekriterien. [235] […] Angesichts des Volumens der staatlichen Zuwendungen und der erheblichen Auswirkungen der Stiftungstätigkeit auf den Prozess der politischen Willensbildung und damit auf die Verwirklichung des Demokratieprinzips […] ist der Gesetzgeber verpflichtet, in abstrakt-genereller Weise zu regeln, nach welchen Kriterien der Kreis der Empfänger staatlicher Stiftungsförderung bestimmt und die Höhe der jeweiligen Zuwendung festgelegt wird. Die herausgehobene Bedeutung des Grundsatzes der Chancengleichheit der Parteien für den Prozess der politischen Willensbildung hat zur Folge, dass Art und Umfang einer staatlichen Einflussnahme hierauf durch die finanzielle Unterstützung von parteinahen Organisationen durch das Parlament in einem eigenständigen materiellen Gesetz entschieden werden muss. […]“ Somit ist eine Rechtfertigung des Eingriffs schon wegen des Fehlens eines Parlamentsgesetzes, das die Voraussetzungen für die Aufnahme in den Kreis der Zuwendungsempfänger und die Kriterien für die Höhe der finanziellen Zuwendung festlegt, ausgeschlossen. Die Antragstellerin ist daher in ihrem aus Art. 21 I 1 GG folgenden Recht auf Chancengleichheit der Parteien verletzt. Jura Intensiv FAZIT Die zentralen Stellen des Urteils sind die Ausführungen zum mittelbaren Eingriff in das Recht aus Art. 21 I 1 GG sowie die Überlegungen zur Rechtfertigung dieses Eingriffs, insbesondere zur Wesentlichkeitstheorie. Letztlich überträgt das BVerfG hier Standardwissen aus dem Bereich der Grundrechte in das Staatsorganisationsrecht. Interessant sind zudem die Hinweise, die das Gericht dem Gesetzgeber für den Erlass des geforderten „Stiftungsgesetzes“ gibt. Er könne sich bzgl. des Empfängerkreises und der Höhe der staatlichen Förderung an der Wahlbeteiligung und am Wahlergebnis der Partei orientieren, die der jeweiligen Stiftung nahesteht. Auch dürfe auf mehr als eine Wahlperiode abgestellt werden, um prüfen zu können, ob es sich um eine dauerhafte, ins Gewicht fallende und damit förderungswürdige politische Grundströmung handelt. Eine Ungleichbehandlung kann nach Ansicht des BVerfG insbesondere zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Betracht kommen, d.h. der Verfassungsstaat muss nicht seine Feinde finanziell unterstützen. Keine ausreichende öffentliche Diskussion Rn 238 ff. des Urteils Rn 246 des Urteils © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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