170 Zivilrecht RA 04/2023 b) Sachmangel Indem der Bordcomputer unmittelbar nach der Übergabe die Warnmeldung anzeigte „Motor überhitzt – Bitte anhalten“, weist das Kfz gem. § 434 I, III 1 Nr. 2 BGB (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F.) nicht die Beschaffenheit auf, die bei Sachen derselben Art üblich sind und die der Käufer unter Berücksichtigung der Art der Sache erwarten kann. Ein Mangel liegt vor. Zu beweisen, dass der Sachmangel bei Gefahrübergang vorhanden war, obliegt jenseits des § 477 BGB dem Käufer. Dies lässt sich zum einen schon daraus herleiten, dass im Zivilprozess jede Partei die ihr günstigen Tatsachen darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen hat, zum anderen folgt dies aus § 363 BGB analog. Das Gericht sieht aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Übergabe und dem Auftreten der Störung einen Beweis des ersten Anscheins als gegeben an. Wollen Unternehmer sicher gehen, dass ihre AGB auch gem. § 310 I BGB einbezogen sind, sollten sie die AGB der Gegenseite so zur Verfügung stellen, dass diese auch wahrgenommen werden können, ferner die Gegenseite auf die Geltung der eigenen AGB hinweisen (z.B. im Lieferschein o.ä.). Ist dies geschehen und widerspricht die Gegenseite nicht oder – was auch nicht selten vorkommt – weist die Gegenseite nicht auf die Geltung eigener AGB hin, liegt ein konkludentes Einverständnis mit der Einbeziehung vor. Gleiches kann sich aufgrund einer ständigen Übung zwischen zwei Unternehmern ergeben. c) Vorhanden beim Gefahrübergang Fraglich ist aber, ob dieser Mangel auch bei Gefahrübergang vorlag. Die den Käufer von seiner Darlegungs- und Beweislast entlastende Vorschrift des § 477 BGB kommt nur im Falle eines Verbrauchsgüterkaufs gem. § 474 BGB zur Anwendung. Dies setzt voraus, dass der Käufer Verbraucher i. S. d. § 13 BGB ist, was vorliegend eben nicht der Fall ist. [8] Der Mangel - die Ursache des aufgetretenen Mangelsymptoms (Überhitzen des Motors) - lag auch bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vor. Der Kläger hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung erklärt, er sei am Tag nach der Übergabe des Fahrzeugs nach Stadt1 gefahren und bereits nach ca. 40 km sei die Fehlermeldung im Display des Fahrzeugs aufgetreten, die auf die Überhitzung des Motors hingewiesen habe (...) Diesem Vorbringen ist der Beklagte nicht entgegengetreten, so dass es der erkennende Einzelrichter als unstreitig seiner Entscheidung zugrunde legen muss (§§ 525 Satz 1, 138 Abs. 3 ZPO). Im Übrigen hat auch der Zeuge A entsprechende Bekundungen gemacht (...). [9] Bei dieser Sachlage kann, auch wenn mangels Vorliegens der Voraussetzungen eines Verbrauchsgüterkaufs nicht die Vermutung des § 477 BGB zu Gunsten des Klägers eingreift, kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass der Sachmangel - die Ursache der damals aufgetretenen Mangelsymptome - bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs des Fahrzeugs vorlag. Folglich lag der Mangel auch bei Gefahrübergang vor. 3. Kein Ausschluss der Sachmängelhaftung Fraglich ist, ob die Sachmängelhaftung aufgrund der Ausschlussklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen ist. Dies setzt voraus, dass die AGB Vertragsbestandteil geworden und inhaltlich wirksam sind. Jura Intensiv [17] Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer (§ 14 BGB) verwendet werden, müssen zu ihrer wirksamen Einbeziehung in einen Vertrag zwar nicht den Anforderungen nach § 305 Abs. 2 und 3 BGB genügen (§ 310 Abs. 1 BGB). Für eine wirksame Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im unternehmerischen Geschäftsverkehr bedarf es gleichwohl einer rechtsgeschäftlichen Einbeziehungsvereinbarung, die jedoch unter erleichterten Voraussetzungen zustande kommt. So reicht für die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine stillschweigend erklärte Willensübereinstimmung zwischen den Vertragsparteien oder schlüssiges Verhalten aus (...). Eine rechtsgeschäftliche Einbeziehungsvereinbarung ist entbehrlich, wenn sich zwischen Unternehmern eine Einbeziehungsübung im Sinne eines Geschäftsverbindungsgebrauchs herausgebildet hat (...). Erforderlich bleibt aber auch insoweit, dass der eine Teil zum Ausdruck bringt, neben dem individualvertraglich Vereinbarten sollen auch bestimmte Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vertragsinhalt werden. Bloße Branchenüblichkeit der Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 04/2023 Zivilrecht 171 entsprechenden Klauselwerke reicht hingegen nicht aus, zumal hieraus noch nicht mit der erforderlichen Klarheit folgt, dass der Verwender den Vertrag ausschließlich auf der Basis dieses Klauselwerkes abschließen will (...). Gleiches gilt für die schlichte Kenntnis der Verwendergegenseite, dass der Verwender seinen Verträgen grundsätzlich Allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde zu legen pflegt (...). Der Beklagte hat im Streitfall keine konkrete Einbeziehungsvereinbarung dargelegt. (...) Zum anderen hat der Beklagte nicht vorgetragen, dass er zum Ausdruck gebracht hat, dass neben dem individualvertraglich Vereinbarten auch bestimmte Allgemeine Geschäftsbedingungen Vertragsinhalt werden sollen. [18] Es gibt auch keinen allgemeingültigen Erfahrungssatz des Inhalts, dass Geschäftsleute bei gebrauchten Kraftfahrzeugen stets einen „umfassenden Haftungsausschluss“ vereinbaren. Folglich wurden die AGB nicht Vertragsbestandteil. Damit wurde die Sachmängelhaftung nicht per AGB ausgeschlossen. 4. Erfolgloser Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung K hat B am 11.08.2021 aufgrund des erfolglosen Reparaturversuchs auch erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Die Länge von einer Woche ist angesichts der Dringlichkeit auch angemessen. 5. Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts gem. § 323 V 2 BGB Das Rücktrittsrecht wäre ausgeschlossen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich wäre. [11] Die Beurteilung, ob eine Pflichtverletzung unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist, erfordert eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls (...). Bei behebbaren Mängeln ist von einer Geringfügigkeit und damit von einer Unerheblichkeit in der Regel auszugehen, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind, was jedenfalls regelmäßig nicht mehr anzunehmen ist, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises übersteigt (...). [12] Für die Beurteilung der Frage, ob die auf der Mangelhaftigkeit des gelieferten Fahrzeugs beruhende Pflichtverletzung unerheblich ist und deswegen das Rücktrittsrecht des Käufers ausschließt, ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung - hier also auf den 19. August 2021 - abzustellen (...). Zu diesem Zeitpunkt war die Ursache der Fehlfunktion des Motors trotz mehrerer vorausgegangener Reparaturversuche noch nicht ermittelt. Ein solcher Befund ist regelmäßig als erheblicher Mangel einzustufen (...). Folglich greift der Ausschluss gem. § 323 V 2 BGB nicht ein. Jura Intensiv B. Ergebnis K hat gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus dem Rückgewährschuldverhältnis gem. §§ 437 Nr. 2, 323 I Fall 2, 346 I BGB. FAZIT Es gibt keinen allgemeingültigen Erfahrungssatz des Inhalts, dass Geschäftsleute bei Abschluss eines Kaufvertrages über ein gebrauchtes Kraftfahrzeug stets einen „umfassenden Haftungsausschluss“ vereinbaren. Wie bereits beschrieben: Will ein Unternehmer sicher gehen, dass die AGB auch Bestandteil des Vertrages werden, sollte er konkret auf die Geltung seiner AGB gegenüber dem anderen Unternehmer hinweisen. Ansonsten entsteht wie hier aufgrund der gravierenden Konsequenzen schnell ein Rechtsstreit. Ob die Fristlänge angemessen ist, hängt stets von den Umständen des Einzelfalles ab. Ein Argument, im Aufbau die Rücktrittserklärung voranzustellen, findet sich hier: Für den Ausschlussgrund des § 323 V BGB kommt es auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung an. Auf den Prüfungspunkt „III. Keine Unwirksamkeit des Rücktrittsrechts gem. §§ 438 IV 1, 218 I BGB“ kann man vorliegend mangels Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs sowie mangels Berufens des B auf die Verjährung dieses Anspruchs verzichten. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
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