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RA Digital - 05/2016

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260 Öffentliches Recht

260 Öffentliches Recht RA 05/2016 2. Formelle Rechtmäßigkeit der Auflage Die Auflage ist von der zuständigen Behörde formell fehlerfrei erlassen worden. Auflage i.S.d. VersammlG ist nicht Auflage i.S.d. § 36 VwVfG, da es im VersR an einem Haupt-VA fehlt. Auflage ist im VersR folglich jede Beschränkung. Anforderungen an die Ordner Kontrolle der Anforderungen nur möglich, wenn Identität der Ordner bekannt ist. Deshalb nach Ansicht des OVG keine Gefahrenprognose erforderlich. Bei a.A.: Gefahr jedenfalls gegeben 3. Materielle Rechtmäßigkeit der Auflage Die Auflage ist materiell rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage vorliegen. Fraglich ist, welche Anforderungen § 18 II 1 VersammlG normiert. Die Vorschrift lässt es, wie oben gezeigt, zu, dass die Polizei die Zuverlässigkeit der Ordner überprüft. „[29] Die Beurteilung der Zuverlässigkeit und Geeignetheit eines Ordners hängt davon ab, ob die betreffende Person die Gewähr dafür bietet, dass sie ihre Aufgaben als Ordner ordnungsgemäß ausüben wird. Seine Aufgabe besteht in der Mitwirkung bei der Abwehr unmittelbarer Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die aus der Versammlung drohen. Hinreichende Tatsachen für die Annahme einer Unzuverlässigkeit können sich insbesondere aus einschlägigen Vorstrafen ergeben. [30] Die hiernach erforderliche Prüfung der Zuverlässigkeit von eingesetzten Ordnern sowie ihrer Volljährigkeit (vgl. § 18 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 2 VersammlG) ist aber nur möglich, wenn deren Identität bekannt ist, so dass die auf Feststellung der Identität der Ordner gerichtete Auflage Nr. 1.5 zulässig [ist]. […] [30] […] Dient die Verpflichtung zur Vorlage von gültigen Ausweispapieren auf Anforderung der Sicherstellung einer Einhaltung der Auflage […], bedarf es keiner konkreten Feststellung, dass einzelne Ordner zu einer unmittelbaren und konkreten Gefahr i. S. v. § 15 Abs. 1 VersammlG für die Versammlung werden könnten. Selbst wenn man für beschränkende Verfügungen in diesem Zusammenhang das Erfordernis einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung annähme, dass also der Eintritt eines Schadens mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, wäre dieses Kriterium hier erfüllt. Denn die der Überprüfung der Zuverlässigkeit der Ordner dienende Auflage Nr. 1.5 wurde unter Bezugnahme auf die Gefahrenprognose der Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge vom 1. März 2011 erlassen. Diese sah eine hohe abstrakte Gefährdung bei einem Aufeinandertreffen der gegensätzlich orientierten Gruppierungen entweder vor, während oder nach den Versammlungen. […]“ Jura Intensiv Demnach ist die Verpflichtung, dass die Ordner einen gültigen Personalausweis auf Verlangen zwecks Identitätsfeststellung vorzuzeigen haben, rechtmäßig. II. Einweisung in Anwesenheit des Polizeieinsatzleiters Fraglich ist auch hinsichtlich dieser Verpflichtung in der Auflage Nr. 1.5, auf welcher Ermächtigungsgrundlage sie beruht. Taugliche EGL nicht ersichtlich „[32] […] Entgegen der Begründung dieser Anordnung kann diese nicht auf die Verpflichtung des Versammlungsleiters des hier über § 18 Abs. 1 VersammlG anwendbaren § 8 Satz 2 VersammlG gestützt werden, wonach der Versammlungsleiter während der Versammlung für Ordnung zu sorgen hat. Naturgemäß erfolgt die Einweisung und Belehrung der Ordner vor und nicht während der Versammlung. Zwar dient die Einweisung und Belehrung der Ordner auch dem Zweck, während der Inhaltsverzeichnis

RA 05/2016 Öffentliches Recht 261 Versammlung für Ordnung zu sorgen. Die Auflage hat allerdings auch Auswirkungen auf die Versammlung selbst, weil sie letztlich auch den Beginn der Versammlung von dem Eintreffen des Einsatzleiters der Polizei beim Versammlungsleiter oder von dem Aufsuchen und Auffinden des Einsatzleiters durch den Versammlungsleiter nebst den Ordnern abhängig macht, was schon für sich genommen einen erheblichen Eingriff in die Versammlungsfreiheit darstellt. Sofern der Einsatzleiter der Polizei verhindert oder nicht auffindbar wäre, dürfte die Versammlung mangels möglicher Einweisung der Ordner in seiner Anwesenheit nicht beginnen. Für eine solche Vorgehensweise ist weder eine konkrete Rechtsgrundlage noch ist ein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass die Einweisung und Belehrung in Anwesenheit des Einsatzleiters der Polizei erfolgen müsste.“ Somit ist die Verpflichtung, die Ordner durch den Versammlungsleiter in Anwesenheit des Einsatzleiters der Polizei in ihre Aufgaben einzuweisen, rechtswidrig. FAZIT Das Versammlungsrecht ist bekanntermaßen immer wieder Gegenstand von Examensklausuren, wobei gerne auch Beschränkungen unterhalb der Schwelle des Verbots und der Auflösung einer Versammlung thematisiert werden. Das hat erst die jüngste Kampagne im 1. Examen in mehreren Bundesländern gezeigt. In der Sache zeigt das Urteil des OVG Bautzen, dass im Bereich des Versammlungsrechts jede beschränkende behördliche Verfügung genau zu untersuchen ist. Insbesondere die hohen Anforderungen an die Gefahrenprognose, die ihre Ursache in der besonderen Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer Demokratie haben, müssen bzgl. jeder auferlegten Pflicht erfüllt sein. Daher ist die Annahme des OVG, die Vorlage gültiger Ausweispapiere könne von Ordnern verlangt werden, ohne dass eine Gefahr vorliegen müsse, auch nicht unumstritten. Die Gegenansicht verweist auf den Wortlaut des § 9 II 1 VersammlG, der nur verlangt, die Zahl der Ordner mitzuteilen, nicht aber ihre Identität. Für die Rechtsauffassung des OVG spricht allerdings, dass § 18 II 1 VersammlG im Gegensatz zu § 9 VersammlG das Erfordernis einer polizeilichen Genehmigung normiert, die nur sinnvoll erteilt werden kann, wenn der Polizei die Identität der Ordner bekannt ist. Sollte im Übrigen § 18 II 1 VersammlG bzgl. der Identitätsfeststellung nicht als ausreichende Ermächtigungsgrundlage angesehen werden, kann das behördliche Handeln jedenfalls auf § 15 I, III VersG gestützt werden. § 15 III VersG sieht zwar nicht ausdrücklich den Erlass von Auflagen vor; diese Handlungsbefugnis ist aber als Minusmaßnahme von dem Recht, eine Versammlung auflösen zu dürfen, umfasst. Jura Intensiv Polizeieinsatzleiter hätte es in der Hand, die Durchführung der Versammlung durch Nichterscheinen bei der Einweisung zu vereiteln. Termin Februar 2016, 1. Klausur in Hessen, NRW, Rh.-Pfalz, Sachsen A.A. z.B. VG Gießen, Beschluss vom 30.7.2009, 10 L 1583/09.GI, juris Rn 17 VG Freiburg, Urteil vom 17.2.2010, 3 K 464/09, juris Rn 32 Inhaltsverzeichnis

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