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RA Digital - 05/2018

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250 Referendarteil:

250 Referendarteil: Zivilrecht RA 05/2018 Im Februar 2017 legte die Beklagte der Sparkasse die Bürgschaftsurkunde vor und erhielt von dieser unter Klarstellung, dass hiermit kein Verzicht auf Einwendungen und Einreden im Rahmen eines etwaigen Rückforderungsprozesses verbunden ist, den streitgegenständlichen Betrag ausgezahlt. Die Sparkasse belastete das Konto der Klägerin am 22.02.2017 in entsprechender Höhe. Die Erhebung der Einrede der Verjährung wirkt als Gestaltungsrecht in die Gegenwart fort und steht daher im Präsens. Ausnahmsweise dürfen hier Rechtsansichten der Parteien im Tatbestand aufgeführt werden, da in tatsächlicher Hinsicht nichts streitig ist. Der Begriff „klagebefugt“ stammt aus dem Verwaltungsrecht. Man sollte ihn im Zivilprozess nicht verwenden. In der Zulässigkeit der Klage muss Prozessführungsbefugnis vorliegen. Die Klage ist nur begründet, wenn der Kläger aktiv legitimiert ist, also wenn ihm der Anspruch als Gläubiger zusteht. Dass es an letzterem fehle, meint hier die Beklagte. Daraus folgt auch die Einstufung als Rechtsansicht. Auch die Aufrechnung wirkt als Gestaltungsrecht in die Gegenwart fort und steht daher im Präsens. Obersatz zur Begründetheit der Klage Zum Rückforderungsanspruch: BGH, Urteil vom 24.10.2002, IX ZR 355/00 Bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern muss der Bürge bei Erfüllung bestimmter formaler Kriterien ohne Rücksicht auf die materiell-rechtliche Berechtigung zunächst zahlen und wird mit seinen nicht offensichtlich beweisbaren Einwendungen in den Rückforderungsprozess verwiesen, s. dazu Palandt/Sprau, BGB, Einf. v. § 765 Rn 14 Die Klägerin erhebt die Einrede der Verjährung. Sie meint, die streitigen Schadenersatzforderungen der Beklagten aus dem Mietverhältnis seien bereits am 27.12.2016 verjährt gewesen. Ihr stehe ein Anspruch auf Rückforderung der von der Beklagten zu Unrecht in Anspruch genommenen Bürgschaft zu. Der Ausschluss der Rückforderung nach § 214 II BGB gelte nicht bei unfreiwilligen Leistungen, worunter Leistungen aufgrund einer Bürgschaft auf erste Anforderung fielen. Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8.526 € zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin sei bereits nicht klagebefugt, da nicht diese, sondern der Bürge die Zahlung geleistet habe. Einem Mieter stehe nur ein Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunde zu. Selbst wenn ihre Ansprüche verjährt gewesen seien, hindere dies nicht die Verwertung der Bürgschaft auf erstes Anfordern durch die Beklagte in unverjährter Zeit. Die jeweiligen Ansprüche hätten sich bereits in unverjährter Zeit gegenübergestanden. Einem Rückforderungsanspruch stehe § 214 II BGB entgegen. Die Beklagte erklärt die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde. Jura Intensiv ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die zulässige Klage ist auch begründet. Es besteht ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Rückerstattung aus der mietvertraglichen Sicherungsabrede. Ein Rückforderungsrecht des Hauptschuldners aus der Sicherungsabrede besteht, wenn - wie vorliegend - der Bürgschaftsfall nicht eingetreten ist. Die Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten aktiv legitimiert. Lediglich für einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch des Bürgen auf erstes Anfordern für den Fall, dass kein Sicherungsfall vorgelegen hat, ist im Rückforderungsprozess nur der Bürge aktiv legitimiert. Unbenommen hiervon bleiben in diesem Fall aber Schadenersatzansprüche des Hauptschuldners gegen den Gläubiger wegen schuldhafter Verletzung von Vertragspflichten. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 05/2018 Referendarteil: Zivilrecht 251 Der Gläubiger ist aufgrund der getroffenen Sicherungsabrede dem Hauptschuldner gegenüber erst und nur dann berechtigt, den Bürgschaftsbetrag anzufordern, wenn die gesicherte Forderung fällig ist und auch im Übrigen einredefrei besteht. Hat der Gläubiger die Leistung nach materiellem Bürgschaftsrecht zu Unrecht erhalten, steht auch dem Hauptschuldner nach Inhalt und Zweck der mit dem Gläubiger getroffenen Sicherungsabrede ein eigener originärer Rückforderungsanspruch zu, der zunächst auf Zahlung an den Bürgen gerichtet ist. Hat der Bürge jedoch - wie vorliegend - im Wege des Rückgriffs (§ 774 I 1 BGB oder §§ 675, 670 BGB) schon vom Hauptschuldner Erstattung seiner Aufwendungen erhalten, kann der Hauptschuldner in Höhe der vertragswidrig angeforderten Bürgenleistungen Zahlung an sich verlangen. Die Beklagte hat die Bürgenleistung materiell zu Unrecht erhalten. Die streitigen Ansprüche aus dem Mietverhältnis waren Ende 2016 bereits verjährt. Der Anspruch des Vermieters auf Schadensersatz wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen und Instandhaltungen verjährt ebenso wie der auf Durchführung der Schönheitsreparaturen 6 Monate nach Rückgabe der Wohnung gem. § 548 I 1, 2 BGB. Zu der für den Verjährungsbeginn entscheidenden Frage, wann der die Fälligkeit auslösende Sicherungsfall eingetreten ist, weicht die Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht von den allgemein für selbstschuldnerische Bürgschaften geltenden Regeln ab. Der Anspruch aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern entsteht folglich ebenfalls mit Fälligkeit der gesicherten Forderung, sodass auch bei dieser Form der Bürgschaft der Lauf der Verjährungsfrist grundsätzlich zu diesem Zeitpunkt beginnt. Mithin war nicht nur der gesicherte Anspruch, sondern auch der Anspruch aus der Bürgschaft im Februar 2017 bereits verjährt. Dem steht auch § 214 II 1 BGB nicht entgegen. Hiernach kann das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden ist. § 214 II BGB ist aber bei Rückforderungen von im Wege der Bürgschaft auf erstes Anfordern in Anspruch genommener Leistungen nicht anwendbar. Dem steht der Grundsatz entgegen, dass bei Bürgschaften auf erstes Anfordern Einwendungen gegen die materielle Berechtigung der Ansprüche des Begünstigten grundsätzlich erst nach Zahlung durch Rückforderungsklage gegen den Begünstigten geltend gemacht werden können. Insofern wies jedenfalls die Sparkasse bei Auszahlung darauf hin, dass mit der Auszahlung kein Verzicht auf Einwendungen und Einreden im Rahmen eines etwaigen Rückforderungsprozesses verbunden ist und etwaige Rückforderungsansprüche ausdrücklich vorbehalten bleiben. Bei dieser Erklärung liegt jedenfalls keine freiwillige Zahlung auf eine verjährte Forderung vor, da kein Verzicht auf eine Einrede erklärt wurde. Denn aufgrund der Besonderheiten der Bürgschaft auf erstes Anfordern, bei der der Bürge zunächst nur unter Zurückstellen von Einwendungen unter Vorbehalt zahlt und die Einwendungen später im Rahmen von § 812 BGB geltend machen muss, hätte sich die Sparkasse auch nicht auf die Verjährung berufen können. Jura Intensiv Bei der Bürgschaft handelt es sich um ein sog. personales Kreditsicherungsrecht. Ebenso wie bei Hypothek und Grundschuld sind die Hauptschuld und die Haftungsschuld durch eine schuldrechtliche Sicherungsabrede miteinander verbunden. Vgl. BGH, Urteil vom 24.10.2002, IX ZR 355/00 Besonderheit im Mietrecht: Nach Beendigung des Mietverhältnisses verjähren die Ansprüche binnen der kurzen Frist von sechs Monaten. BGH, Urteil vom 08.07.2008, XI ZR 230/07: Der Bürgschaftsanspruch verjährt parallel zum Hauptanspruch. Normalerweise stünde § 214 BGB einer Rückforderung einer beglichenen, verjährten Forderung entgegen. Für die Bürgschaft auf erstes Anfordern gilt hiervon eine Ausnahme, BGH Urteil vom 17.01.1989, XI ZR 65/88. Mangels Freiwilligkeit der Zahlung ist auch § 214 BGB und die zugrundeliegende Wertung nicht anwendbar. Dies ist ein entscheidender Aspekt der Entscheidungsbegründung. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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