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RA Digital - 05/2018

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268 Referendarteil:

268 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 05/2018 Auch der Antrag des Beklagten wird in den meisten Bundesländern im Indikativ Präsens wiedergegeben: „Die Beklagte beantragt, ... .“ Wann der Antrag gestellt worden ist, ist, wenn nicht eine Verspätungsproblematik oder ein rügeloses Einlassen im Raum steht, grundsätzlich irrelevant und daher nicht zu erwähnen. Beklagtenvorbringen: Präsens Konjunktiv Prozessgeschichte: Indikativ Perfekt Es ist üblich und in der Klausur zulässig, hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Sitzungsniederschrift (die in einer Klausur Teil des Aktenstücks wäre) zu verweisen. Zusammenfassenden voranstellen Ergebnissatz Das Gericht wählt hier den Rechtswidrigkeitsaufbau, folgt in den dann folgenden Ausführungen aber nicht dem bekannten Prüfungsschema (Prüfung der Rechtswidrigkeit der Ablehnungsentscheidung). Für die Klausur hätte sich der (leichtere) Anspruchsaufbau angeboten: „Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Fällgenehmigung. Die Voraussetzungen des § 5 BauschutzV liegen nicht vor. ...“ Genaue Wiedergabe der Anspruchsgrundlagen Die Unterschutzstellung erfolgt in Bayern durch Rechtsverordnung, vgl. Art. 12 Abs. 1 Nr. 1 BayNatschG; in anderen Bundesländern, z.B. in NRW, durch Satzung. Mit Schriftsatz vom 29. November 2017 beantragte die Beklagte, die Klage abzuweisen. Zur Begründung vertiefte die Beklagte die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid und führte im Wesentlichen aus, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Fällungsgenehmigung habe. Die Tanne falle in den Schutzbereich der BaumschutzV. Eine Unterschutzstellung erfordere wegen des Flächenbezuges in § 29 Abs. 1 BNatSchG gerade keine Einzelfallprüfung der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der unter Schutz gestellten Bäume. Eine abstrakte Gefahr rechtfertige keine Ausnahmegenehmigung. Hieran ändere auch der Beinahe-Umsturz einer serbischen Fichte auf dem klägerischen Grundstück nichts. Im Übrigen seien die typischen Baumimmissionen und die Dominanz der Tanne aufgrund ihrer Höhe nicht unzumutbar. Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 9. November 2017 am 22. Januar 2018 über die Verhältnisse auf dem klägerischen Grundstück sowie in dessen Umgebung Beweis durch Einnahme eines Augenscheins erhoben. Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Augenscheins und der mündlichen Verhandlung vom selben Tag, in welcher die Beteiligten ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge wiederholten, wird auf die entsprechende Sitzungsniederschrift verwiesen. [...]“ ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE „Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26. September 2016, mit dem diese den Antrag auf Genehmigung der Fällung der streitgegenständlichen Tanne abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Von der streitgegenständlichen Tanne geht weder eine für die Klagepartei relevante Bruchgefahr aus, noch stellen sich die mit dem Baumbestand einhergehenden Belästigungen bzw. Beeinträchtigungen für den Kläger als unzumutbar dar. Das Grundstück, auf dem die Tanne steht, liegt innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der BaumschutzV. Hiernach sind alle in diesem Gebiet stehenden Gehölze (Bäume und Sträucher), die einen Stammumfang von 80 cm und mehr in 100 cm Höhe über dem Erdboden haben, unter Schutz gestellt (§ 1 Abs. 1 BaumschutzV, zu Ausnahmen von der Unterschutzstellung für bestimmte Gehölze siehe § 1 Abs. 4 BaumschutzV). Gemäß § 3 Abs. 1 BaumschutzV ist es verboten, geschützte Gehölze ohne Genehmigung der Beklagten zu entfernen, zu zerstören oder zu verändern. Jura Intensiv Unter welchen Voraussetzungen eine Genehmigung u.a. für das Fällen eines Baumes erteilt werden kann, ist in § 5 Abs. 1 und 2 BaumschutzV geregelt. Nach Abs. 1 der Bestimmung kann eine Genehmigung erteilt werden, wenn aufgrund anderer Rechtsvorschriften ein Anspruch auf Genehmigung eines Vorhabens besteht, dessen Verwirklichung ohne eine Entfernung, Zerstörung oder Veränderung des Gehölzes nicht möglich ist (Nr. 1), der Bestand oder die Nutzbarkeit eines Grundstücks oder eines vorhandenen Gebäudes unzumutbar beeinträchtigt wird (Nr. 2) oder die ausgeübte gewerbliche Nutzung eines Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt wird (Nr. 3). Nach Abs. 2 der Bestimmung muss die Genehmigung erteilt werden, wenn die geschützten Gehölze krank sind und ihre Erhaltung nicht im öffentlichen Interesse geboten oder nicht möglich ist. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 05/2018 Referendarteil: Öffentliches Recht 269 Nach § 5 Abs. 3 BaumschutzV kann von den Verboten dieser Verordnung im Einzelfall eine Befreiung nach den Vorschriften des § 67 Abs. 1 BNatSchG erteilt werden. § 67 Abs. 1 BNatSchG ermöglicht eine Befreiung im Einzelfall, wenn 1. dies aus Gründen überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art notwendig ist oder 2. die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist. Gegen die Gültigkeit der Regelungen der BaumschutzV, soweit diese den Schutzbereich, die geschützten Gehölze sowie die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung für ein Entfernen, Zerstören oder Verändern geschützter Gehölze betreffen, bestehen keine Bedenken. Die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Baumschutzverordnungen findet sich nunmehr in § 22 Abs. 1 und Abs. 2, § 29 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG sind geschützte Landschaftsbestandteile rechtsverbindlich festgesetzte Teile von Natur und Landschaft, deren besonderer Schutz erforderlich ist 1. zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts, 2. zur Behebung, Gliederung oder Pflege des Ortsoder Landschaftsbildes, 3. zur Abwehr schädlicher Einwirkungen oder 4. wegen ihrer Bedeutung als Lebensstätten bestimmter wild lebender Tiere und Pflanzenarten. Der Schutz kann sich für den Bereich eines Landes oder für Teile des Landes auf den gesamten Bestand an Alleen, einseitigen Baumreihen, Bäumen, Hecken oder anderen Landschaftsbestandteilen erstrecken, § 29 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG. Zielsetzung ist insoweit der Objektschutz, also der Schutz des einzelnen Baumes. Eine Unterschutzstellung erfordert aber wegen des Flächenbezugs keine Einzelfallprüfung der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der unter Schutz gestellten Bäume. Gültigkeitsvoraussetzung einer Baumschutzverordnung ist vielmehr nur, dass die Unterschutzstellung im Interesse des Naturhaushalts erforderlich ist bzw. zur Belebung des Landschaftsbildes hinsichtlich des Bestandes an Bäumen – nicht hinsichtlich jedes einzelnen Baumes – beiträgt. Für den innerörtlichen Baumschutz tritt insoweit neben das Tatbestandsmerkmal des „Landschaftsbildes“ das Tatbestandsmerkmal des „Ortsbildes“. Die Belebung des Landschaftsbildes/Ortsbildes betrifft im Übrigen nicht nur den optisch-visuellen Eindruck, sondern erfasst auch den biologischökologischen Gehalt vorhandenen Baumbestandes. Den Schutzzweck der Verordnung hat die Beklagte in § 2 BaumschutzV den gesetzlichen Vorgaben entsprechend näher konkretisiert. Danach bezweckt die Verordnung, eine angemessene innerörtliche Durchgrünung sicherzustellen, das Ortsbild zu beleben, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts zu erhalten und zu verbessern und schädliche Umwelteinwirkungen zu mindern. Es liegt auch auf der Hand, dass vorliegend eine gebietsbezogene Unterschutzstellung im Interesse des Naturhaushalts erforderlich war bzw. zur Belebung des Landschafts- bzw. Ortsbildes beiträgt. Jura Intensiv Inzidente Prüfung der Wirksamkeit der BaumschutzV Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Rechtsverordnung Die Prüfung der Schutzwürdig- und Schutzbedürftigkeit des einzelnen Baumes ist keine Voraussetzung für den Erlass einer Baumschutzverordnung/-satzung. VGH München, Urteil vom 8.11.1984, 9 N 84 A.1579, BayVBl. 1985, 435 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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