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RA Digital - 05/2019

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246 Referendarteil:

246 Referendarteil: Zivilrecht RA 05/2019 Der Kläger beantragt nach Änderung seines ursprünglichen Freistellungsantrages in einen Feststellungsantrag, die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 10.000 € sowie Zinsen in Höhe von 4 % p.a. hieraus für den Zeitraum vom 18.10.2012 bis Rechtshängigkeit sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus den 10.000 € und dem Zinsanspruch seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Ansprüche aus der von der Klagepartei am 18.10.2012 gezeichneten Anleihe (Nominal-Zeichnungssumme: 10.000 €, Registriernummer: FB-OSV00179709, ausgegeben von der Future Business KGaA) zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Es lagen keine Zulässigkeitsprobleme vor, weshalb keine Ausführungen erfolgt sind. In einigen Bundesländern wird ein kurzes Eingehen auf die Zuständigkeit des Gerichts gern gesehen. Fragen Sie hierzu Ihre AG-Leiter. Zur Gutachterhaftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter: BGH, Urteil vom 20.04.2004, X ZR 250/02 Voraussetzungen der Gutachterhaftung, BGH a.a.O sowie im Urteil vom 07.05.2009, III ZR 277/08 Voraussetzungen für die Einbeziehung in den Schutzbereich: • Leistungsnähe des Dritten • Einbeziehungsinteresse des Gläubigers • Erkennbarkeit für den Gläubiger • Schutzbedürfnis des Dritten BGH, Urteil vom 17.11. 2016, III ZR 139/14 und Leyens, JuS 2018, 217, 220 f. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem Gesichtspunkt zu. Der Vertrag zwischen der Beklagten und F. stellt sich weder als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu seinen Gunsten dar noch haftet die Beklagte dem Kläger aus § 826 BGB. „[22] Grundsätzlich können Personen, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügen und in dieser Eigenschaft gutachterliche Stellungnahmen abgeben, etwa Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gegenüber Personen haften, denen gegenüber der Auftraggeber von dem Gutachten bestimmungsgemäß Gebrauch macht. Wesentlich ist dabei, dass eine von Sachkunde geprägte Stellungnahme oder Begutachtung den Zweck hat, das Vertrauen eines Dritten zu erwecken und - für den Sachkundigen hinreichend erkennbar - Grundlage einer Entscheidung mit wirtschaftlichen Folgen zu werden. Soweit sich der Kreis der Einbezogenen auf solche Dritte beschränkt, in deren Interesse die Leistung des Schuldners nach der ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung der Parteien zumindest auch erbracht werden soll, ist tragender Gesichtspunkt hierfür das Anliegen, das Haftungsrisiko für den Schuldner kalkulierbar zu machen. (...) Jura Intensiv Ausgehend von diesen Grundsätzen unterliegt die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Vertrages folgenden Voraussetzungen: Der Dritte muss bestimmungsgemäß mit der (Haupt-)Leistung in Berührung kommen und den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt seien wie der Gläubiger (Leistungsnähe). Der Gläubiger muss ein Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages haben (Einbeziehungsinteresse). Für den Schuldner muss die Leistungsnähe des Dritten und dessen Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages erkennbar und zumutbar sein (Erkenn- und Zumutbarkeit). Zudem muss nach Treu und Glauben ein Bedürfnis für die Ausdehnung des Vertragsschutzes bestehen, weil der Dritte andernfalls nicht ausreichend geschützt wäre (Schutzbedürfnis). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle nicht erfüllt. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 05/2019 Referendarteil: Zivilrecht 247 Die Beklagte gehört unabhängig davon, ob man sie (faktisch) als Ratingagentur, Scoringagentur oder als Wirtschaftsinformationsdienst betrachtet, nicht zu dem oben dargestellten Personenkreis. Ihre Sachkunde war nicht staatlich anerkannt, und sie war nicht als Ratingagentur registriert. Staatlich anerkannten Experten, denen die Öffentlichkeit in der Regel ein gesteigertes Vertrauen entgegenbringt, etwa Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern oder öffentlich bestellten Sachverständigen, ist die Beklagte demzufolge schon nicht unmittelbar vergleichbar. Sie hat kein Gutachten erstellt, mit welchem der Kläger in Berührung gekommen ist, denn dieser hat nicht die (internen) Bonitätsberichte, welche allenfalls einem Expertengutachten vergleichbar wären, zur Kenntnis genommen, sondern nur die im Verfahren vorgelegten Bestätigungen über die Kreditwürdigkeit der F. Es kommt hinzu, dass der zwischen der Beklagten und der F. geschlossene Vertrag nicht geeignet war, Schutzwirkungen für Anleger in Finanzinstrumente der F. zu entfalten. Aus den vorgelegten AGB der Beklagten ergibt sich, dass diese keinen Auftrag der F. zur Erstellung der Zertifikate erhalten hat, sondern gemäß §§ 29 ff. ihrer AGB nur einen Vertrag über die werbliche Nutzung der von der Beklagten schon erstellten Bonitätszertifikate. So heißt es in § 31 I AGB: „H. räumt dem Kunden das nicht ausschließliche und nicht übertragbare Recht ein, seine Produkte und deren Aufmachung unter Hinweis auf die ihm erteilte Auszeichnung und unter Verwendung der dem Kunden dazu überlassenen Auszeichnungsprodukte zu bewerben.“ Im Ergebnis bestand aus dem Vertrag zwischen der Beklagten und der F. bereits keine Verpflichtung zur umfassenden Prüfung der Kreditwürdigkeit der F., so dass sich auch der Kläger auf eine solche Pflichtverletzung ihm gegenüber nicht berufen kann. Der Vertragspartner F. konnte sich auf der Grundlage dieser Regelungen nicht darauf berufen, die Beklagte habe ihm gegenüber eine Pflicht zur Prüfung der Kreditwürdigkeit des Unternehmens übernommen. Mögliche Schutzpflichten zugunsten des Klägers als Drittem aus dem Vertrag können aber nicht weitergehend sein, als die vertraglichen Pflichten gegenüber dem Gläubiger, weil der Dritte allenfalls in den Bereich der vertraglichen Schutz- und Obhutspflichten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger einbezogen ist. Jura Intensiv Schließlich fehlt es auch an der Schutzbedürftigkeit des Klägers, weil dieser nach seinem eigenen Vortrag zumindest einen gleichwertigen Anspruch gegen den Anlageberater hat, mit welchem er die Beratungsgespräche führte, in deren Ergebnis er die Anlage im Oktober 2012 zeichnete. „[37] Die Schutzwürdigkeit kann fehlen, wenn der geschädigte Dritte eigene vertragliche Ansprüche gegen andere Schuldner hat, die denselben oder einen gleichwertigen Inhalt haben wie diejenigen, die er auf dem Wege über seine Einbeziehung in den Schutzbereich eines zwischen anderen geschlossenen Vertrages durchsetzen will, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob diese Ansprüche im Hinblick auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Verpflichteten überhaupt durchsetzbar sind. Die Beklagte ist weder staatlich anerkannt noch mit staatlich anerkannten Experten vergleichbar. Die dem Kläger vorgelegten Bestätigungen über die Kreditwürdigkeit der F sind kein Gutachten, das mit einem Expertengutachten vergleichbar wäre. Der Vertrag zwischen der Beklagten und dem Unternehmen, das die Anleihe begeben hat, betraf nicht die Erstellung des Bonitätszertifikats, sondern lediglich die Nutzung der von der Beklagten bereits erstellten Bonitätszertifikate. Die Beklagte war gegenüber der F schon nicht zur Bonitätsprüfung verpflichtet. Daher konnte sie auch nicht gegenüber dem Kläger als Drittem hierzu verpflichtet sein, da Schutzpflichten ihm gegenüber nicht weiter gehen können als die eigentlichen Pflichten aus dem Vertrag, s. dazu auch BGH, Urteil vom 07.03.2013, IX ZR 64/12. Fehlende Schutzbedürftigkeit des Klägers Fehlende Schutzwürdigkeit bei anderweitigem, gleichwertigem Anspruch, s auch BGH, Urteil vom 15.02.1978, VIII ZR 47/77 und v. 08.06.2004, X ZR 238/02 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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