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RA Digital - 05/2019

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264 Referendarteil:

264 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 05/2019 Das Gericht entkräftet die Argumentation des Beklagten, indem es die Unterschiede zu dem konkret zu prüfenden Sachverhalt hervorhebt Abschließende Gesamtwürdigung Achtung: Es sind sämtliche (angegriffene) Verfügungspunkte zu prüfen! Bad.-Württ., 2. Examen, Termin Dezember 2018, 2. Klausur; Hessen, 2. Examen, Termin März 2019, 2. Klausur Insoweit sind das Verhalten und die Verfehlungen des in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden Klägers in keiner Weise vergleichbar mit der Sachlage, die der vom Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung des VG E1. , vgl. Urteil vom 30. November 2018 – 7 K 2276/16 - (Widerruf der ärztlichen Approbation), nach telefonischer Auskunft des VG E1. nicht rechtskräftig, zugrunde lag und die dort zur Annahme einer Unwürdigkeit führte. Gegen den - in der Insolvenz befindlichen - Kläger dieses Verfahrens waren durch zwei Strafbefehle Geldstrafen wegen Steuerhinterziehung in den Veranlagungszeiträumen 2004 bis 2012 festgesetzt worden. Zu seinen Lasten hat das Verwaltungsgericht eine besondere Beharrlichkeit des Fehlverhaltens festgestellt, da der dortige Kläger auch nach Bekanntwerden der Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung weiterhin Abrechnungen über nicht auf seinen Namen lautende Konten vornahm, über die er jedoch verfügungsberechtigt war, ohne die Einzahlungen steuerlich als eigene Einnahmen anzugeben. [...] Bei der gebotenen Würdigung aller Umstände ist zur Überzeugung der Kammer der Entzug der Apothekenbetriebserlaubnis mit Bescheid der zuständigen Aufsichtsbehörde vom 16. November 2017 - der für die wirtschaftliche und berufliche Existenz des Klägers bereits weitreichende Folgen haben dürfte - als milderes Mittel gegenüber der Untersagung jeglicher Berufstätigkeit als Apotheker hinreichend geeignet, der Öffentlichkeit deutlich zu machen, dass das Fehlverhalten nicht folgenlos bleibt, und einer nachhaltigen Erschütterung des Ansehens und Vertrauens der Bevölkerung in den Berufsstand entgegenzuwirken. Damit sind auch die Forderung auf Rückgabe der Approbationsurkunde und die Zwangsgeldandrohung für den Fall der nicht rechtzeitigen Rückgabe rechtswidrig und aufzuheben. [...]“ FAZIT Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen ist als Vorlage für eine Examensklausur bestens geeignet. Sie hat – wie im Examen nicht selten – mit der Bundesapothekerordnung ein eher unbekanntes Rechtsgebiet zum Gegenstand. Die Ausführungen des Gerichts zeigen, dass hierbei nicht die Anwendung von Sonderwissen im Vordergrund steht, sondern eine saubere Darstellung und umfassende Würdigung des Vorbringens der Beteiligten entscheidend ist. Die Besonderheit des Falles besteht darin, dass nicht das bekannte Merkmal der (Un-)Zuverlässigkeit, sondern das seltenere Merkmal der Unwürdigkeit zu prüfen war; folglich musste der Widerruf der Apothekenbetriebserlaubnis nicht zwingend zum Widerruf der Approbation führen. Weiterhin ist anzumerken, dass die in der Entscheidung erfolgte Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Tatbestandsmerkmals auch für Klausuren im 2. Examen nicht untypisch ist, wie aktuelle Examenstermine wieder gezeigt haben. Darüber hinaus waren typischen Fragestellungen aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht (maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sachund Rechtslage; Einfluss einer strafgerichtlichen und heilberufgerichtlichen Entscheidung auf Verwaltungsverfahren und -prozess) zu bewerkstelligen. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 05/2019 AUFSATZ ZUM STRAFRECHT (TEIL 2) Aufsatz zum Strafrecht (Teil 2) 265 Dr. Dirk Schweinberger, Frankfurt/M. Die Vermeidbarkeitsprüfung beim Doppelirrtum über einen Rechtfertigungsgrund (Fortsetzung) 1. Der vermeidbare Erlaubnistatbestandsirrtum Bei Vermeidbarkeit des Erlaubnistatbestandsirrtums kann der Täter nach der ganz herrschenden eingeschränkten Schuldtheorie nur wegen fahrlässiger Tatbegehung bestraft werden, was § 16 I 2 StGB (ebenfalls analog) explizit klarstellt. 19 In diesem Fall liegt die mögliche Sorgfaltspflichtverletzung des Täters darin, nicht erkannt zu haben, dass die irrig angenommenen rechtfertigenden Umstände gar nicht vorliegen. Ob man diese Sorgfaltspflichtverletzung annimmt, ist eine Frage des Einzelfalls. Im obigen Fahrradfahrer-Fall (Beispiel 2) hätte ggf. schon ein genaueres Hinsehen bzw. jedenfalls ein Nachfragen ermöglicht, die wahre Sachlage zu erkennen. T hat sich deshalb wegen fahrlässiger Körperverletzung, § 229 StGB strafbar gemacht. Die „fahrlässige Nötigung“ ist hingegen nicht strafbar. 2. Der unvermeidbare Erlaubnistatbestandsirrtum Sofern ein solcher Sorgfaltspflichtverstoß – ausnahmsweise – nicht gegeben ist, der Erlaubnistatbestandsirrtum also unvermeidbar war, bleibt der Täter vollständig straffrei. Beispiel 5 (nach BGH, 2 StR 375/11): R denkt, dass Mitglieder einer verfeindeten Motorrad-Gang im Begriff sind in sein Haus einzubrechen, um ihn zu töten. Tatsächlich ist es ein SEK der Polizei, das einen Durchsuchungsbeschluss durchsetzen will. Nachdem sich die Polizei auch auf Zurufe des R nicht zu erkennen gibt, gibt dieser ohne vorherigen Warnschuss einen tödlichen Schuss durch die Tür ab. Der BGH hat in diesem Fall angenommen, dass die Annahme der Notwehrlage durch R nicht fahrlässig verursacht worden sei und ihn deshalb freigesprochen. Es ist hier nicht der Ort, dieses Urteil zu bewerten, 20 jedoch belegt diese Entscheidung zumindest, dass der Sorgfaltspflichtverstoß bei einem Erlaubnistatbestandsirrtum nicht gleichsam „automatisch“ bejaht werden darf. Jura Intensiv III. Der Doppelirrtum Der Doppelirrtum wirft die Frage auf, ob auch auf ihn die Wertungsirrtumsvorschrift des § 17 StGB anzuwenden ist, weil der Täter beim Doppelirrtum ja zusätzlich noch einem Sachverhaltsirrtum unterliegt. Als Konsequenz könnte man an die analoge Anwendung der Sachverhaltsirrtumsvorschrift des § 16 I 1 StGB denken. Es wurde jedoch bereits dargelegt, dass § 16 I 1 StGB wegen des zwingenden Vorsatzausschlusses für den Täter deutlich vorteilhafter ist als § 17 StGB, der eine strikte Vermeidbarkeitsprüfung verlangt und deshalb in der Regel die (Vorsatz-) Strafe unberührt lässt. Dass auch auf den Fall des Doppelirrtums nur § 17 StGB anzuwenden ist, zeigt schon der Vergleich zwischen Erlaubnis- und Doppelirrtum. Wenn beim Erlaubnisirrtum, bei dem tatsächlich eine rechtfertigende Sachlage besteht und der Täter nur über die Grenzen (oder die Existenz) des Rechtfertigungsgrundes irrt, schon die für die Täter strengere Vorschrift des § 17 StGB Anwendung findet, dann kann es nicht richtig sein, beim Doppelirrtum, 19 BGH, HRRS 2011 Nr. 557 Rn 12 20 Es spricht viel dafür, dass die polizeiliche Maßnahme rechtswidrig war. Die Durchsuchung gem. §§ 102 ff. StPO ist eine offen durchzuführende Maßnahme. Die gezielte Überraschung im Schlaf widerspricht dem Rechtsgedanken des § 104 StPO. Vgl. z.B. Rotsch, ZJS 2012, 109, 112 f. Generell zu diesem Urteil Hecker, JuS 2012, 263; Jäger, JA 2012, 227. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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