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RA Digital - 05/2019

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274 Strafrecht

274 Strafrecht RA 05/2019 II. Ergebnis N und T sind nicht strafbar gem. §§ 249 I, 250 II Nr. 1, 25 II StGB. B. Strafbarkeit gem. §§ 253 I, 255, 250 II Nr. 1, 25 II StGB Durch die Ankündigung, die Finger des K abzuschneiden, und die Annahme des Geldes könnten N und T sich jedoch wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Mittäterschaft gem. §§ 253 I, 255, 250 II Nr. 1, 25 II StGB strafbar gemacht haben. I. Tatbestand 1. Grunddelikt: §§ 253 I, 255, 25 II StGB N und T müssten zunächst den Tatbestand des Grunddelikts, §§ 253 I, 255, 25 II StGB, verwirklicht haben. BGH, Urteil vom 20.04.1995, 4 StR 27/95, NJW 1995, 2799; Krey/ Hellmann/Heinrich, Strafrecht BT II, Rn 433 BeckOK, StGB, § 253 Rn 7; Schönke/ Schröder, StGB, § 253 Rn 8; Rengier, Strafrecht BT I, § 11 Rn 25 ff. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine einheitliche Erpressung gegenüber und zum Nachteil des K (vgl. hierzu die Ausführungen des BGH zur Qualifikation) und nicht um eine Dreieckserpressung. Deshalb ist die Prüfung eines Näheverhältnisses nicht erforderlich. Eine Dreieckserpressung ist dadurch gekennzeichnet, dass der Genötigte und derjenige, bei dem der Vermögensnachteil eintritt, nicht identisch sind. Im vorliegenden Fall wurde jedoch K genötigt und auch sein eigenes Vermögen gemindert, sodass keine Dreieckserpressung vorliegt. Dies ändert sich auch nicht deshalb, weil K die vermögensmindernde Handlung (die Übergabe des Geldes) nicht selbst durchführt, denn er hat diese unmittelbar veranlasst. Überweist der Genötigte Geld an den Täter wird die vermögensmindernde Handlung (die Abbuchung des Betrages vom Opferkonto) auch nicht vom Opfer vorgenommen, sondern von der Bank. Trotzdem ist auch dies keine Dreieckserpressung. a) Qualifiziertes Nötigungsmittel Die Anwendung eines qualifizierten Nötigungsmittels in Form der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben ist erfolgt (s.o.). b) Opferreaktion K müsste eine tatbestandliche Opferreaktion vorgenommen haben. Nach der Spezialitätstheorie genügt als Opferreaktion bei den Erpressungsdelikten – dem Wortlaut des § 253 I StGB entsprechend – jedes Tun, Dulden oder Unterlassen. Dass K die R angerufen hat, damit diese N und T das Geld übergibt, stellt eine Handlung dar, sodass nach dieser Meinung eine tatbestandliche Opferreaktion des K vorliegt. Die sog. Exklusivitäts- oder Verfügungstheorie erfordert hingegen als Opferreaktion bei den Erpressungsdelikten – aufgrund der strukturellen Verwandtschaft dieser Delikte zu § 263 I StGB – ebenso wie beim Betrug eine Vermögensverfügung des Opfers. Eine solche ist jedenfalls gegeben bei einer Handlung, Duldung oder Unterlassung des Genötigten, die sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt. K hat R angerufen und dieser die Anweisung erteilt, N und T das Geld zu überbringen, was R auch getan hat. Die Handlung des K hat somit ohne weitere Handlungen des K und auch ohne Handlungen von N und T unmittelbar zum Verlust der Zugriffsmöglichkeit des K auf die 1.000 € und somit zu einer Vermögensminderung geführt. Eine Vermögensverfügung des K ist gegeben. Nach beiden Meinungen liegt eine tatbestandliche Opferreaktion vor. Jura Intensiv c) Vermögensnachteil K müsste einen Vermögensnachteil erlitten haben, d.h. der Gesamtwert seines Vermögens müsste durch die Tat verringert worden sein. Für die Vermögensminderung durch den Verlust der 1.000 € (s.o.) hat K kein Äquivalent erhalten, sodass der Gesamtwert seines Vermögens verringert wurde und er einen Vermögensnachteil erlangt hat. d) Kausalität a) – b) und b) – c) Die erforderliche durchgehende Kausalität des qualifizierten Nötigungsmittels für die Opferreaktion und der Opferreaktion für den Vermögennachteil ist gegeben. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 05/2019 Strafrecht 275 e) Mittäterschaft, § 25 II StGB N und T müssten den Tatbestand als Mittäter i.S.v. § 25 II StGB verwirklicht haben. N und T handelten arbeitsteilig als gleichberechtigte Partner auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplans. Zwar hatten die beiden nicht von Anfang an geplant, gemeinsam vorzugehen; T hat sich erst zur Mitwirkung entschlossen, nachdem N dem K schon gedroht hatte (sog. sukzessive Mittäterschaft). Da T jedoch noch in der Phase zwischen Versuchsbeginn und Vollendung des Delikts hinzugetreten ist, ist die Begründung einer Mittäterschaft unproblematisch. N und T hatten auch beide die Tatherrschaft inne und haben mit Täterwillen gehandelt, sodass eine Mittäterschaft i.S.v. § 25 II StGB vorliegt. f) Vorsatz bzgl. a) bis e) N und T handelten mit Vorsatz bzgl. der Verwirklichung der objektiven Tatumstände. g) Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung N und T müssten auch in der Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung gehandelt haben. N und T hatten die Absicht, sich durch die Erlangung der 1.000 € einen Vermögensvorteil zu verschaffen, also Bereicherungsabsicht. Sie hatten keinen Anspruch auf die Zahlung dieses Betrags, sodass die von ihnen beabsichtigte Bereicherung rechtswidrig war. Die von N und T beabsichtigte Bereicherung (Erlangung der 1.000 €) stellt auch die Kehrseite des Vermögensschadens bei K (Verlust derselben 1.000 €) dar, sodass auch die Stoffgleichheit der beabsichtigten Bereicherung gegeben ist. N und T handelten auch mit Vorsatz bzgl. der Rechtswidrigkeit und Stoffgleichheit der beabsichtigten Bereicherung und somit in der Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung. 2. Qualifikation: § 250 II Nr. 1 StGB N und T könnten auch den Qualifikationstatbestand des § 250 II Nr. 1 StGB verwirklicht haben. Dann müssten sie bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet haben. Verwendet wird die Waffe oder das gefährliche Werkzeug, wenn es als Nötigungsmittel, also zur Gewaltanwendung oder Drohung, eingesetzt wird. Hier hat zumindest N damit gedroht, dem K mit dem Küchenmesser die Finger abzuschneiden, was eine Verwendung zur Drohung darstellt. Bei dem Küchenmesser des K müsste es sich aber auch um eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug handeln. Das Küchenmesser ist nicht dazu bestimmt, andere Menschen zu verletzen oder zu töten und stellt deshalb keine Waffe i.S.d. StGB dar. Gefährliches Werkzeug i.S.v. § 250 II Nr. 1 StGB ist jedoch – wie bei § 224 I Nr. 2 StGB – jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Verwendung im Einzelfall dazu geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen. Bei einer Verwendung im Rahmen einer Drohung genügt es, wenn eine Verwendung des Gegenstandes als gefährliches Werkzeug i.S.v. § 224 I Nr. 2 StGB angedroht wird. N hatte hier damit gedroht, K mit der Schere Finger abzuschneiden, was eine Verwendung i.S.v. § 224 I Nr. 2 StGB darstellt. Problematisch erscheint jedoch, dass nur K mit der Schere bedroht wurde und nicht R, die aber durch die Übergabe des Geldes letztlich den Vermögensnachteil bei K herbeigeführt hat. Auch hatte T das Messer zwischen Jura Intensiv Das Problem, ob bei einem mehraktigen Delikt eine sukzessive Mittäterschaft auch noch begründet werden kann, wenn einer der Teilakte bereits ausgeführt wurde (vgl. Schweinberger, JURA INTENSIV, Strafrecht AT II, Rn. 83 ff.) stellt sich im vorliegenden Fall nicht, da es sich bei §§ 253 I, 255 StGB – anders als bei § 249 I StGB – nicht um ein mehraktiges Delikt handelt. Denn die räuberische Erpressung setzt nur einen Akt des Täters voraus (die Anwendung des qualifizierten Nötigungsmittels), der Raub hingegen zwei (neben der Nötigungshandlung auch noch die Wegnahme). BGH, Urteil vom 18.02.2010, 3 StR 556/09, RA 2010, 365 Die Definition des gefährlichen Werkzeugs in § 224 I Nr. 2 StGB stellt entscheidend auf dessen konkrete Verwendung ab, Deswegen lässt sie sich auf §§ 250 I Nr. 1a; 244 I Nr. 1a; 113 II 2 Nr. 1 StGB nicht übertragen, da in diesen Vorschriften nur das Beisichführen des Werkzeugs und keine Verwendung gefordert wird. Deshalb ist bei diesen Normen auch sehr streitig, wie der Begriff des gefährlichen Werkzeugs dort auszulegen ist. § 250 II Nr. 1 StGB erfordert jedoch – ebenso wie § 224 I Nr. 2 StGB – eine Verwendung des Werkzeugs, so dass bei diesen Tatbeständen eine vergleichbare Definition verwendet werden kann. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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