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RA Digital - 05/2020

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230 Zivilrecht

230 Zivilrecht RA 05/2020 Dies hat der EuGH im Urteil vom 13.07.2017, C-133/16 festgestellt. Problem: „Haftungsdauer“ steht in der Richtlinie, „Verjährung“ steht in § 476 II Alt. 2 BGB. Das ist lt. EuGH nicht dasselbe. Entscheidend: § 476 II Alt. 2 BGB bleibt bis zur Neuregelung anwendbar. Der Fehler ist nicht gravierend, weil der deutsche Gesetzgeber mit Verjährung der Mängelrechte letztlich meint, was mit Haftungsdauer gemeint ist. Wichtiges Argument: Eine teleologische Reduktion führt zur generellen Nichtanwendbarkeit auf gebrauchte Sachen. III. Keine Unwirksamkeit des Rücktritts gem. §§ 438 IV 1, 218 I BGB Indem B sich gem. § 214 BGB auf Verjährung berufen hat, könnte der Rücktritt gem. §§ 438 IV 1, 218 I BGB unwirksam sein. Dies setzt eine Verjährung des hier dem Grunde nach gegebenen Nacherfüllungsanspruchs aus §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB (s.o.) voraus. Grundsätzlich verjährt der Nacherfüllungsanspruch gem. § 438 I Nr. 3, II BGB nach zwei Jahren ab der Übergabe der beweglichen Sache an den Käufer. Legt man dies zugrunde, wäre die Verjährungsfrist gem. §§ 187 I, 188 II, 438 I Nr. 3, II BGB am 31.03.2019 um 24 Uhr abgelaufen. Hier könnte die Frist jedoch durch die Ziffer VII.1. der unstreitig in den Vertrag einbezogenen AGB verkürzt sein. Nach der AGB beträgt die Verjährungsfrist ein Jahr, gerechnet ab der Übergabe der Sache. Legt man dies zugrunde, würde die Frist, wenn man die Übergabe als Ereignis im Sinne des § 187 I BGB sieht, am 01.04.2017 zu laufen beginnen. Gem. § 188 II BGB wäre die Jahresfrist dann am 31.03.2018 um 24 Uhr abgelaufen. Der Rücktritt wurde erst später im Jahr 2018 erklärt. Fraglich ist deshalb, ob die AGB wirksam ist. 1. Klauselverbot gem. § 476 BGB Sie könnte gegen das Klauselverbot des § 476 BGB verstoßen. a) Verbrauchsgüterkauf gem. § 474 BGB Indem es sich um eine bewegliche Sache handelt, K Verbraucher im Sinne des § 13, B Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB ist, liegen die Voraussetzungen des § 474 BGB vor. b) Einhaltung des Klauselverbots gem. § 476 II Alt. 2 BGB § 476 I BGB verbietet beim Verbrauchsgüterkauf die Abweichung von den §§ 433 bis 435, 437, 439 bis 443 BGB. § 438 BGB wurde nicht erwähnt. Eine zur Verjährung weisende Regel enthält § 476 II BGB, der in Alt. 2 erlaubt, bei gebrauchten Sachen die Verjährung auf ein Jahr zu verkürzen. Dies hat B mit der o.g. AGB eingehalten. Fraglich ist, wie es sich auswirkt, dass der EuGH in seinem Urteil 13.07.2017, Aktenzeichen C- 133/17, diese Regelung als unionsrechtswidrig bezeichnet hat. In Artikel 7 I 2 der Richtlinie 1999/44/EG heißt es nämlich: „Die kürzere Haftungsdauer darf ein Jahr nicht unterschreiten.“ Der Wortlaut der Richtlinie spricht von Haftungsdauer und nicht von Verjährung. Jura Intensiv [25] Mit zutreffender Begründung hat das Erstgericht richtig dahin entschieden, dass ein auf die klagegegenständlichen Mängel gestütztes Nacherfüllungsverlangen des Klägers verjährt und ein Rücktritt vom Kaufvertrag deshalb ausgeschlossen ist. Die von § 476 Abs.2 Alt.2 BGB eröffnete Möglichkeit einer vertraglichen Verjährungsverkürzung bei gebrauchten Sachen ist zwar nach einhelliger Auffassung richtlinienwidrig. Bis zu einer Neuregelung durch den deutschen Gesetzgeber hat dies aber keine Auswirkungen auf die bestehende Rechtslage. [26] Der Wortlaut des Gesetzes ist derart klar und eindeutig, dass eine Auslegung der Norm im Sinne einer Regelung einer Haftungsdauer, welche dem deutschen Regelungsmodell fremd ist, die Wortlautgrenze sprengen würde. Der deutsche Gesetzgeber hat Verjährung geschrieben und die Verjährung im Rechtssinne gemeint. [27] Auch eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung des § 476 Abs. 2 BGB im Sinne einer teleologischen Reduktion der Norm kommt nicht in Betracht, da dies zur generellen Nichtanwendbarkeit des letzten Halbsatzes führen würde. (…) Zudem führte eine richtlinienkonforme Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 05/2020 Zivilrecht 231 Rechtsfortbildung zu einer indirekt unmittelbaren Anwendung einer Richtlinie im Verhältnis zwischen Privaten, welche in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgelehnt wird. Eine Entscheidung gegen den Wortlaut der Norm und den konkreten Willen des Gesetzgebers kann selbst unter den großzügigen Maßstäben des Bundesgerichtshofes vorliegend nicht erfolgen. Es fehlt insoweit bereits an der notwendigen verdeckten Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit. Eine solche liegt vor, wenn das ausdrücklich angestrebte Ziel einer richtlinienkonformen Umsetzung durch die Regelung nicht erreicht worden ist und ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber die Regelung in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass sie nicht richtlinienkonform ist. Sind hingegen - wie hier - mehrere Lösungen geeignet, die Vorgaben der Richtlinie zu erfüllen, so ist es Sache des Gesetzgebers - und nur des Gesetzgebers - die von ihm bevorzugte Lösung zu wählen. Auch das Bundesverfassungsgericht betont, dass der Rahmen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung dort überschritten ist, wo ohne hinreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen geschaffen werden. So verhält es sich hier. Denn durch den Gesetzgeber könnte einerseits den Parteien die Möglichkeit eingeräumt werden, die Haftungsfrist auf ein Jahr zu verkürzen (was die dem deutschen Recht bisher fremde Einführung einer Unterscheidung von Haftungs- und Verjährungsfrist bedeutete), andererseits bestünde aber auch die Möglichkeit, die Verkürzung der Verjährungsfrist nach § 476 Abs.2 2.Alt BGB ersatzlos zu streichen. [28] Bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber ist damit die derzeitige gesetzliche Regelung anzuwenden. Damit ist Ziffer VII. 1. der AGB wirksam und damit die Rücktrittserklärung zu spät erfolgt und der Rücktritt mithin gem. §§ 438 IV 1, 218 BGB unwirksam. Jura Intensiv B. Ergebnis K hat gegen B keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 25.750 € Zug um Zug gegen Rückübereignung des gekauften PKW aus §§ 437 Nr. 2, 323 I Alt. 2, 346 I BGB. Wichtiges Argument: Eine teleologische Reduktion führt über die Nichtanwendbarkeit des § 476 II Alt. 2 BGB faktisch zur unmittelbaren Anwendung der Richtlinie zwischen Privaten – wenn auch nur indirekt. Unbedingt merken: Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion bei Verstoß gegen eine EU-Richtlinie Nur der Gesetzgeber hat ein Wahlrecht zwischen mehreren Lösungen, wenn sie geeignet sind, die Vorgaben einer Richtlinie zu erfüllen. BVerfG, NJW-RR 2016, 407, Rn 42 ff; Köhler GPR 2018, 37 ff. Hier liegt das eigentliche Problem: Das deutsche Recht kennt den Unterschied zwischen Haftungsfrist und Verjährungsfrist nicht. Der Bundestag könnte die Haftungsfrist ins BGB einführen oder § 476 II Alt. 2 BGB streichen. Ein Gericht darf das nicht, auch nicht per teleologischer Reduktion. FAZIT § 476 II Alt. 2 BGB verstößt in seiner aktuellen Fassung gegen Art. 7 I 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG, weil in der Richtlinie von „Haftungsdauer“ die Rede ist – ein Begriff, der dem deutschen Recht fremd ist – und in § 476 II Alt. 2 BGB von „Verjährung“. Der Gesetzgeber hätte die Wahl, entweder § 476 II Alt. 2 BGB aufzuheben oder den Begriff der Haftungsdauer ins BGB einzuführen. Weil nur dem Gesetzgeber diese Wahl zusteht, darf ein Gericht § 476 II Alt. 2 BGB seinen Wunsch zur richtlinienkonformen Auslegung nicht durch eine teleologische Reduktion der Norm erfüllen, weil dies zur Nichtanwendung des § 476 II Alt. 2 BGB führt. Dies wäre die Ausübung des Wahlrechts – aufheben oder reformieren – die nur dem Gesetzgeber zusteht. Bis zur Neuregelung des § 476 II Alt. 2 BGB wird die Norm deshalb angewendet. Aus diesem Grunde ist diese Entscheidung ein klarer Examenstipp! © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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