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RA Digital - 05/2020

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228 Zivilrecht

228 Zivilrecht RA 05/2020 Problem: Anwendung des § 476 II Alt. 2 BGB trotz Unionsrechtswidrigkeit Einordnung: Kaufrecht OLG Zweibrücken, Urteil vom 19.03.2020 4 U 198/19 LEITSATZ DER REDAKTION § 476 Absatz 2 Alt. 2 BGB bleibt trotz eines Verstoßes gegen Art. 7 Absatz 1 Satz 2 der Richtlinie 1999/44/EG bis zur gesetzlichen Neuregelung bei Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr anwendbar. Das selbstständige Beweisverfahren kann man vor dem eigentlichen Prozess bei Gericht gem. § 485 ZPO beantragen. Es ist sinnvoll, wenn nur Tatsachen streitig sind. Was der Sachverständige feststellt, gilt im folgenden Prozess gem. § 493 ZPO als bewiesen. Es hemmt gem. § 204 I Nr. 7 BGB den Lauf der Verjährungsfrist. Achten Sie auf folgenden Umstand: K hat das Verfahren am 05.02.2018 rechtzeitig vor Ablauf der Jahresfrist eingeleitet, aber immer wieder im Verfahren Anträge auf Feststellung der Mängel nachgeschoben. Diese lagen zeitlich hinter dem 30.03.2018. Da liegt das eigentliche Problem des Falles. EINLEITUNG Nach Auffassung des EuGH, Urteil vom 13.07.2017, C - 133/17, enthält § 476 II Alt. 2 BGB eine unionsrechtswidrige Regelung. Die von § 476 II Alt. 2 BGB eröffnete Möglichkeit einer vertraglichen Verjährungsverkürzung bei gebrauchten Sachen verstößt gegen Art. 7 I 2 der Richtlinie 1999/44/EG. Gleichwohl findet § 476 II Alt. 2 BGB in der Praxis Anwendung bei der Vertragsgestaltung. Wie Gerichte damit umgehen, zeigt der hier vorgestellte Fall. SACHVERHALT Verbraucher K erwarb von der Unternehmerin B einen gebrauchten BMW X6 am 31.03.2017 zum Preis von 24.750 €. Der PKW wurde am selben Tag übergeben. In den zwischen den Parteien vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der B heißt es: „VII. Haftung für Sachmängel 1. Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden.“ Kurz nach der Übergabe rügte K bei B schriftlich zunächst einen zu hohen Ölverbrauch des Fahrzeuges, einen Defekt des Klimakompressors und einen Defekt des Luftfahrwerks hinten links. Nach ergebnisloser Korrespondenz und Verweigerung der Nacherfüllung seitens B beantragte K am 05.02.2018 erfolgreich ein selbstständiges Beweisverfahren, in dem er die Feststellung begehrte, das streitgegenständliche Fahrzeug sei an dem Luftfahrwerk hinten rechts defekt und das Fahrzeug habe hierdurch bedingt an Höhe verloren. Im selben Verfahren beantragte K dann am 03.04.2018 die Feststellung, die Steuerkette am streitgegenständlichen Fahrzeug habe sich verlängert und müsse deshalb ausgetauscht werden. Am 17.08.2018 beantragte K im immer noch laufenden Verfahren ferner, festzustellen, dass auch die Ursache eines eingetretenen Motorschadens von dem Sachverständigen begutachtet werden solle. Im Rahmen dieses selbstständigen Beweisverfahrens stellte der Sachverständige schließlich die Verlängerung der Steuerkette sowie einen Defekt im neuen Lager fest. Daraufhin erklärte K den Rücktritt vom Kaufvertrag. B erhebt die Einrede der Verjährung und ist der Meinung, der Rücktritt sei unwirksam, weil der dem Rücktrittsrecht zugrundeliegende Anspruch auf Nacherfüllung mit Ablauf des 31.03.2018 verjährt sei. Eine Hemmung der Verjährung komme nicht in Betracht, weil im selbständigen Beweisverfahren die Feststellung der konkreten Mängel, die der Sachverständige im selbständigen Beweisverfahren tatsächlich festgestellt hat, seitens K erst nach Ablauf der Verjährungsfrist von einem Jahr beantragt worden sind. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 05/2020 Zivilrecht 229 K verlangt aus dem Rückgewährschuldverhältnis die Rückzahlung des Kaufpreises von 24.750 € Zug um Zug gegen Rückübereignung des genau bezeichneten PKW. Er ist der Meinung, dass die in den AGB vereinbarte einjährige Verjährungsfrist nicht gelte. Auf sie könne sich die Beklagte aufgrund eines Verstoßes von § 476 II BGB gegen Art. 8 I 2 der Richtlinie 1999/44/EG nicht berufen. Es sei nach der Richtlinie lediglich erlaubt, die Haftungsdauer zu beschränken. Die nationale Regelung des § 476 II BGB müsse richtlinienkonform ausgelegt werden. § 476 II BGB gestatte damit lediglich eine Beschränkung der Haftungsdauer, könne jedoch nicht die Verjährung verkürzen. Zu Recht? LÖSUNG A. Anspruch der K gegen B auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des PKW gem. §§ 437 Nr. 2, 323 I Alt. 2, 346 I BGB K könnte einen Anspruch gegen B auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 24.750 € Zug um Zug gegen Rückübereignung des gekauften PKW gem. §§ 437 Nr. 2, 323 I Alt. 2, 346 I BGB haben. Dann muss ein Rückgewährschuldverhältnis entstanden sein. Ein solches setzt eine Rücktrittserklärung sowie ein Rücktrittsrecht dessen, der den Rücktritt erklärt hat, voraus. Ferner darf der Rücktritt nicht gem. § 218 I BGB unwirksam sein. I. Rücktrittserklärung K erklärte gegenüber B gem. § 349 BGB ausdrücklich den Rücktritt vom Kaufvertrag über den PKW. II. Rücktrittsrecht des K Als Rücktrittsrecht käme §§ 437 Nr. 2, 323 I 2. Alt. BGB in Betracht. 1. Voraussetzungen des § 437 BGB Der hierzu nötige Kaufvertrag wurde am 31.03.2017 geschlossen. Es muss ein Mangel bei Gefahrübergang stattgefunden haben. Der Gefahrübergang vollzog sich am 31.03.2017 mit der Übergabe des PKW von B an K. Als Mangel kommt § 434 I 2 Nr. 2 BGB in Betracht. Dies setzt voraus, dass sich der PKW nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet, bzw. eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art nicht üblich ist. Indem der Sachverständige im selbstständigen Beweisverfahren die Verlängerung der Steuerkette sowie einen Defekt im neuen Lager festgestellt hat, stehen diese Tatsachen gem. § 493 ZPO für den Prozess auf Rückzahlung fest. Das Vorhandensein bei Gefahrübergang würde gem. § 477 BGB vermutet, wenn der Mangel innerhalb der ersten 6 Monate seit dem Gefahrübergang aufgetreten ist. K hat die Mangelerscheinungen bereits kurz nach der Übergabe bei B schriftlich angezeigt, sodass die Vermutung greift. Jura Intensiv Es ist nicht unbedingt nötig, die Voraussetzungen der Entstehung des Rückgewährschuldverhältnisses „vor die Klammer“ zu ziehen. Hier erhöht es aber die Übersichtlichkeit der folgenden Prüfung. Der Schwerpunkt liegt aufgrund der fest stehenden Ergebnisse des selbstständigen Beweisverfahrens nur noch bei §§ 438 IV 1, 218 BGB. Es ist angezeigt, zügig zum Problem zu gelangen. Der Hinweis auf die konkreten Mängel ist wegen der Verjährung sehr wichtig, weil das selbstständige Beweisverfahren seine verjährungshemmende Wirkung nach § 204 I Nr. 7 BGB nicht per se entfaltet, sondern immer nur bezüglich derjenigen Mängel, deren Feststellung konkret beantragt wurde. Den Antrag bezüglich der Steuerkette stellte K nach dem 30.03.2018. 2. Voraussetzungen des § 323 I 2. Alt. BGB Grundsätzlich setzt das Rücktrittsrecht gem. §§ 437 Nr. 2, 323 I 2. Alt. BGB voraus, dass eine dem Verkäufer gesetzte, angemessene Frist zur Nacherfüllung erfolglos abgelaufen ist. Hier hat jedoch B die Nacherfüllung trotz Vorliegen eines Mangels verweigert, sodass die Fristsetzung und ihr Ablauf gem. § 323 II Nr. 1 BGB entbehrlich war. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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