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RA Digital - 05/2022

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238 Zivilrecht

238 Zivilrecht RA 05/2022 Das LG Wuppertal hat in seinem Urteil weder die internationale Gerichtszuständigkeit noch die Anwendbarkeit deutschen Rechts ausgeführt. Dies wäre in einer Examensklausur aber nötig, sofern das IZPR und das IPR Bestandteil der Prüfungsordnung des Bundeslandes sind, in dem Sie ihre Prüfung ablegen. 1. Schritt: Prüfen, ob die Brüssel-Ia-VO anzuwenden ist. Ungeschriebene Voraussetzung: Angerufenes Gericht muss innerhalb der EU liegen 2. Schritt: Anwendung der Brüssel-Ia- VO Art. 18 I Brüssel-Ia-VO eröffnet hier die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Kurze Ausführungen genügen Gem. Art. 6 I Rom-I-VO ist deutsches Recht anwendbar. LÖSUNG A. Eröffnung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte K könnte vor einem deutschen Gericht gegen B klagen, wenn die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte eröffnet wäre. Dies könnte sich nach der Brüssel-Ia-VO richten, wenn deren Anwendungsbereich eröffnet wäre. Die Brüssel-Ia-VO ist in sachlicher Hinsicht gem. Art. 1 I 1 Brüssel-Ia-VO in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, sofern keine Bereichsausnahme gem. Art. 1 II Brüssel-Ia-VO greift. Vorliegend handelt es sich um eine zivilrechtliche Klage, die auf Rückzahlung von Geld gerichtet ist. Eine Bereichsausnahme ist nicht ersichtlich. Die räumlich-persönliche Anwendbarkeit der Brüssel-Ia-VO setzt voraus, dass das angerufene Gericht in einem Mitgliedsstaat der EU liegt. Dies ist bei einem deutschen Gericht der Fall. Ferner muss gem. Art. 4 Brüssel-Ia-VO der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat der EU haben, dem Wohnsitz entspricht bei juristischen Personen oder Personenhandelsgesellschaften gem. Art. 63 Brüssel-Ia-VO der satzungsmäßige Sitz, bzw. der Sitz der Hauptverwaltung oder –niederlassung. B hat seinen Sitz in Malta, einem Mitgliedsstaat der EU. Die Voraussetzungen der zeitlichen Anwendbarkeit gem. Art. 81 der Brüssel-Ia-VO werden eingehalten, indem die Spielverträge nach dem 10.01.2015 abgeschlossen wurden. Folglich ist die Brüssel-Ia-VO anwendbar. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte wäre hier gem. Art. 18 I Brüssel-Ia-VO gegeben, wenn der in Wuppertal ansässige B Verbraucher wäre. Gem. Art. 17 Brüssel-Ia-VO wäre B Verbraucher, wenn er den Vertrag mit B geschlossen hätte, der nicht seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zuzuordnen ist. Hier handelte K ausschließlich zu privaten Zwecken, weshalb der Anwendungsbereich des Art. 18 I Brüssel-Ia-VO eröffnet ist. Damit ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben. B. Anwendung deutschen Rechts Fraglich ist, ob deutsches Recht anwendbar ist. Gem. Art. 3 EGBGB ist vom Standpunkt eines deutschen Gerichtes zu prüfen, ob der Anwendungsbereich einer EU VO eröffnet ist. In Betracht kommt die Rom-I-VO und wegen des Verbrauchervertrages als Anknüpfungsmoment Art. 6 Rom-I-VO. Weil es sich beim Spielvertrag um ein vertragliches Schuldverhältnis handelt ist die Rom-I-VO sachlich gem. Art. 1 anwendbar. Ihre räumlich-gegenständliche Anwendbarkeit folgt aus Art. 2, ihre zeitliche aus Art. 29 Rom-I-VO. Indem K in Wuppertal wohnt, er von dort aus über die deutschsprachige Internetdomain der B an den Spielen teilnahm und von seinem deutschen Girokonto die Spielteilnahmen bezahlte, ist auf den jeweiligen Spielvertrag gemäß Art. 6 Rom-I-VO deutsches Recht anzuwenden. Jura Intensiv C. Anspruch des K gegen B aus § 812 I 1 1. Alt. BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung der 9.830 € aus § 812 I 1 1. Alt. BGB haben. Das LG Wuppertal hat nicht ausgeführt, ob § 812 I 1 1. Fall BGB oder § 817 S. 1 BGB die Anspruchsgrundlage ist, sondern beide mit dem Verweis auf den Ausschlussgrund des § 817 S. 2 BGB abgelehnt. I. Etwas erlangt Dann muss B etwas erlangt haben. Unter etwas ist jeder vermögenswerte Vorteil zu verstehen. Aufgrund der Überweisung des K erlangte B eine Kontogutschrift und aus dieser einen Anspruch auf Auszahlung gem. § 675t BGB. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 05/2022 Zivilrecht 239 II. Durch Leistung des K B muss durch eine Leistung des K bereichert sein. Unter einer Leistung i.S.d. § 812 I 1 1. Alt. BGB versteht man die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. K bezweckte mit der Zahlung die Erfüllung einer, wenn auch nur vermeintlich bestehenden, Verbindlichkeit und hat mithin geleistet. III. Ohne rechtlichen Grund B besitzt keine Erlaubnis zum Betreiben von Glücksspielen in Deutschland. K hat erkannt, dass er an einem Glücksspiel teilnimmt und handelte insoweit vorsätzlich. Auf seine Wertung in der Laiensphäre, also auf ein Bewusstsein, gegen das Verbotsgesetz zu verstoßen, kommt es nicht an. Der zwischen K und B geschlossene Spielvertrag ist wegen beiderseitigen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz gem. § 134 BGB, nämlich gegen § 4 GlüStV, nichtig. Folglich zahlte K ohne rechtlichen Grund. IV. Kein Ausschluss Der Anspruch könnte analog § 817 S. 2 BGB, der über seinen nur auf § 817 S. 1 BGB bezogenen Wortlaut einen Ausschlussgrund für alle Fälle der Leistungskondiktion bietet, ausgeschlossen sein. Dies wäre der Fall, wenn K ebenfalls ein Verstoß gegen ein Verbotsgesetz zur Last fällt. [12] Richtig ist zwar, dass die Zahlungen des Klägers an die Beklagte ohne Rechtsgrund erfolgten, weil die Beklagte keine Erlaubnis zur Veranstaltung von Onlineglücksspielen in Nordrhein-Westfalen hat und § 4 Abs. 4 GlüStV, der das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen im Internet verbietet, ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB ist (…), so dass der zwischen den Parteien vereinbarte Spielvertrag nichtig ist und die Beklagte durch die Annahme der Gelder nach anwendbarem deutschen Recht gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat (…); allerdings greift hier die auf beide Ansprüche im vorliegenden Fall anwendbare Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 BGB (…), weil dem Kläger, der sich durch die Teilnahme an dem illegalen Glücksspiel nach § 285 StGB strafbar gemacht hat (….), gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt (…). [13] Die Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 BGB ist im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise ausgeschlossen. Solche Einschränkungen der gesetzlichen Regelung des § 817 Satz 2 BGB, die in der Sache eine Ausnahme von dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Regelfall darstellen, bedürfen einer nachvollziehbaren, unter Heranziehung einer teleologischen Auslegung gewonnenen Rechtfertigung (….). Eine solche ist nur dann anzuerkennen, wenn der Schutzzweck der verletzten Norm, aus der sich die Nichtigkeit ergibt, erst dann verwirklicht wird, wenn der Empfänger das Erlangte herausgeben muss (...). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Im vorliegenden Fall verhält sich der Kläger, der sich nach § 285 StGB strafbar gemacht hat, ebenso vorwerfbar wie die Beklagte, die durch ihr Angebot den Straftatbestand des § 284 StGB verwirklicht (…). Soweit der Kläger vorträgt, angenommen zu haben, dass die von der Beklagten angebotenen Spiele in Deutschland gesetzlich erlaubt seien (…), handelt es sich um einen vermeidbaren Verbotsirrtum i.S.d. § 17 StGB, der sich auf die rechtliche Bewertung nicht auswirkt (…), weil der Kläger, der jedenfalls 15.480,00 Euro für Onlineglücksspiele ausgeben konnte und für den zu jeder Zeit aus öffentlich zugänglichen Quellen erkennbar war (….), dass die in Deutschland legal angebotenen Glücksspiele einer staatlichen Regulierung unterliegen (…), Grund und Jura Intensiv § 4 GlüStV ist ein Verbotsgesetz mit Erlaubnisvorbehalt. Siehe zum Vorsatz auch BeckOK/Hollering, StGB, § 285 Rn. 9 Das LG Köln hatte abweichend von der hiesigen Entscheidung in RA 12/2021, 630 ff., eine teleologische Reduktion der Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB (analog) vorgenommen. Dabei bezog es sich auf das „Schenkkreis“-Urteil des BGH vom 10.11.2005, III ZR 72/05, in welchem der BGH ausgeführt hatte, dass ohne eine teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB (direkt bei einem Anspruch aus § 817 S. 1 BGB oder analog bei einem Anspruch aus § 812 I 1 1. Fall BGB) Initiatoren solcher Systeme zum Weitermachen nahezu eingeladen würden. Das LG Wuppertal vertritt hier die gegenteilige Auffassung. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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