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RA Digital - 05/2022

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250 Nebengebiete

250 Nebengebiete RA 05/2022 Es ist „sklavisch“ auf die wortgenaue Bezeichnung des Rechtsformzusatzes zu achten. Nicht umsonst setzt § 5a I GmbHG die zulässigen Bezeichnungen in Anführungszeichen. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich. Insbesondere genügt das Provisionsinteresse, das jeder Handelsvertreter, Prokurist (...) oder sonstige Angestellte am Abschluss eines Vertrages hat, nicht, um seine persönliche Haftung zu begründen (...). [22] b) Die Vorinstanz hat aber übersehen, dass eine persönliche Haftung des Beklagten deswegen in Betracht kommt, weil der Beklagte dem Kläger gegenüber die Haftungsbeschränkung der Gesellschaft nicht zum Ausdruck brachte, vielmehr sogar weitgehend den Rechtsformzusatz „UG“ nicht führte. [23] aa) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haftet der für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Geschäftsverkehr Auftretende – gleichgültig, ob er der Geschäftsführer oder ein anderer Vertreter ist – wegen Verstoßes gegen § 4 GmbHG unter Rechtsscheingesichtspunkten analog § 179 BGB dann, wenn er durch sein Zeichnen der Firma ohne Formzusatz das berechtigte Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen hat (...). § 179 BGB begründet insoweit keine allgemeine, verhaltenspflichtenorientierte Rechtsscheinhaftung, sondern eine schuldunabhängige Garantiehaftung, die allein auf dem Umstand basiert, dass die unmittelbar auftretende Person durch die dem Vertragspartner gegenüber abgegebene sachlich unzutreffende Erklärung den Vertrauenstatbestand geschaffen hat, ihm hafte zumindest eine (natürliche) Person unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen (...). Ob der Vertreter dabei Unterlagen verwendet hat, die er selbst zur Verfügung gestellt bekommen hat, ist ohne Bedeutung (...). Es ist vielmehr seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das Unternehmen, für das er handelt, korrekt bezeichnet wird. [24] bb) Nichts anderes gilt, wenn es sich bei dem vertretenen Unternehmen um eine Unternehmergesellschaft („UG“) handelt. [25] Die Unternehmergesellschaft muss gemäß § 5a I GmbHG in ihrer Firma die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ führen. Da die Unternehmergesellschaft mit einem ganz geringen – das der GmbH deutlich unterschreitenden – Stammkapital ausgestattet sein kann, gibt es ein besonderes Bedürfnis des Rechtsverkehrs an einem solchen Hinweis. Denn es besteht die Gefahr, dass der Geschäftsgegner Dispositionen trifft, die er bei Kenntnis des wahren Sachverhalts ganz oder zumindest teilweise unterlassen hätte. Dem entspricht als Ausgleich die Vertrauenshaftung dessen, der die erforderliche Aufklärung nicht vornimmt (...). [26] Die Vertrauenshaftung greift daher unter anderem ein, wenn der gemäß § 5a I GmbHG zwingend vorgeschriebene Zusatz – „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ – weggelassen oder unzulässig abgekürzt wird (...). Da die gesetzliche Vorgabe exakt und buchstabengetreu einzuhalten ist (...), tritt die Rechtsscheinhaftung auch dann ein, wenn der Zusatz unvollständig ist, weil etwa der zwingend gebotene Hinweis „haftungsbeschränkt“ fehlt. Der bloße Verweis auf die Rechtsform der Unternehmergesellschaft genügt daher als solcher nicht, denn – anders als beim Rechtsformzusatz „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ – trägt die Unternehmergesellschaft die Haftungsbeschränkung nicht bereits im Namen. Bei Weglassen nur dieses Hinweises kann vielmehr gleichermaßen der Eindruck erweckt werden, für die Unternehmergesellschaft hafte mindestens eine natürliche Person unbeschränkt. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 05/2022 Nebengebiete 251 [27] cc) Die Vorgaben des § 5a GmbH sind vorliegend nicht eingehalten worden. Die vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Urkunden enthalten keinerlei Hinweis auf die Haftungsbeschränkung und – von einer Ausnahme (betreffend das Formular über die „statusbezogenen Informationen über den Vermittler/Anlageberater“) abgesehen – nicht einmal einen solchen auf die Rechtsform der Unternehmergesellschaft. FAZIT Eine Rechtsscheinhaftung wegen Falschbezeichnung der „wahren“ Gesellschaft kann es naturgemäß nur geben, wenn die mit der Bezeichnung gesetzte Haftungserwartung des Vertragspartners enttäuscht wird. Folglich kommt keine Rechtsscheinhaftung in Betracht, wenn eine GbR als „GmbH“ bezeichnet wird, da die GbR (und vor allem die Gesellschafter) ja strenger haften als dies bei der GmbH der Fall gewesen wäre. Tritt hingegen der Geschäftsführer einer GmbH z.B. als „OHG“ auf, vermutet der Gegenüber, dass er es mit einem persönlich haftenden Gesellschafter zu tun hat, vgl. § 125 I HGB. In diesem Fall haftet der Geschäftsführer einerseits als Scheingesellschafter der Schein-OHG. Außerdem haftet er gem. § 179 BGB analog. Nach BGH, II ZR 256/11, greift eine Rechtsscheinhaftung entsprechend § 179 BGB auch dann ein, wenn für eine UG (haftungsbeschränkt) mit dem unrichtigen Zusatz „GmbH“ gehandelt wird. Dem steht laut BGH nicht entgegen, dass sich die Beschränkung der Haftung des Vertragspartners aus dem Handelsregister ergibt. Der spezielle Vertrauenstatbestand des § 4 GmbHG sei nämlich gegenüber der in § 15 II HGB getroffenen Regelung, dass ein Dritter eine in das Handelsregister eingetragene und bekanntgemachte Tatsache gegen sich gelten lassen muss, vorrangig. Durch die Bezeichnung als „GmbH“ wird beim Vertragspartner die unzutreffende Vorstellung geweckt, er kontrahiere mit einer Gesellschaft mit einem Mindeststammkapital von 25.000 €. Der spezielle Rechtsformzusatz soll als unverzichtbarer Bestandteil des Gläubigerschutzes sicherstellen, dass die Geschäftspartner erkennen können, mit welcher Art von Gesellschaft sie es zu tun haben. Jura Intensiv Die Zitierung wird hier unterschiedlich gehandhabt. Zwingend zu zitieren ist § 128 HGB analog. Manche zitieren auch § 124 I HGB analog. Zu empfehlen wäre noch § 242 BGB zu ergänzen, damit „§ 128 HGB analog“ nicht mit der Haftung des GbR-Gesellschafters verwechselt wird. Ob die Haftung auf die Differenz zwischen der Stammkapitalziffer der Unternehmergesellschaft und dem Mindeststammkapital der GmbH begrenzt ist, ließ der BGH in II ZR 256/11 angesichts der geringen Höhe der eingeklagten Schadensersatzsumme ausdrücklich offen. Sollte in einer Klausur das Thema Rechtsscheinhaftung mal im Kontext mit einer GmbH geprüft werden, beachten Sie bitte: Sie dürfen das Stammkapital nicht mit dem Vermögen der Gesellschaft gleichsetzen. Das Stammkapital ist keine „Schatztruhe“ der Gesellschaft. Die Gesellschafter müssen die von ihnen gegründete GmbH einmalig mit mindestens 25.000 € kapitalisieren. Diese 25.000 € können durch Verluste sehr schnell verbraucht sein, sodass selbst Gläubiger, die kurz nach der Aufbringung des Kapitals auf die Gesellschaft zugreifen, ganz oder teilweise leer ausgehen können. Ferner markiert das Stammkapital keine Obergrenze für das Gesellschaftsvermögen. Dieses kann vielmehr selbst bei der UG (theoretisch) Millionenbeträge umfassen. Das Stammkapital ist also eine reine © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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