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RA Digital - 06/2016

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286 Zivilrecht

286 Zivilrecht RA 06/2016 Problem: Ersatz der Aufwendungen für Entfernung eines unberechtigt geparkten Fahrzeugs Einordnung: Gesetzliche Schuldverhältnisse BGH, Urteil vom 11.03.2016 V ZR 102/15 LEITSATZ Wird ein Fahrzeug, das unbefugt auf einem Privatgrundstück in verbotener Eigenmacht abgestellt wird, im Auftrag des Grundstücksbesitzers im Wege der berechtigten Selbsthilfe entfernt, entspricht dies dem objektiven Interesse und dem mutmaßlichen Willen des Fahrzeughalters. Er ist deshalb nach den Grundsätzen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zum Ersatz der für die Entfernung erforderlichen Aufwendungen verpflichtet. EINLEITUNG Das unberechtigte Abstellen von Fahrzeugen auf einem Kundenparkplatz stellt eine Besitzstörung bzw. eine teilweise Besitzentziehung dar. Diese darf der Besitzer der Parkflächen im Wege der Selbsthilfe beenden, indem er das Fahrzeug abschleppen lässt. Dazu kann er bereits im Vorfeld ein darauf spezialisiertes Unternehmen beauftragen. Ob der abgeschleppte Falschparker die durch den konkreten Abschleppvorgang entstandenen Kosten dann nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag tragen muss, steht im Mittelpunkt dieser Entscheidung. SACHVERHALT Der auf die Beklagte (B) zugelassene Pkw wird am 16.06.2010 von einem Dritten gegen 08:00 Uhr auf dem Kundenparkplatz eines Verbrauchermarktes in Berlin abgestellt. Die durch entsprechende Schilder kenntlich gemachte Höchstparkzeit beträgt 90 Minuten. Als diese überschritten ist, veranlasst ein Mitarbeiter der Klägerin (K) die Umsetzung des Fahrzeugs. K ist nämlich aufgrund eines zwischen ihr und der Betreiberin des Verbrauchermarktes (nachfolgend: Grundstücksbesitzerin) bestehenden Rahmenvertrages verpflichtet, unberechtigt parkende Fahrzeuge zu entfernen. Die hierfür vereinbarte Vergütung beträgt 219,50 €. Die Ansprüche gegenüber dem unberechtigten Nutzer der Fläche bzw. Halter des entsprechenden Fahrzeuges auf Ersatz der Kosten wird an K abgetreten. Mit Schreiben vom 12.10.2012 fordert sie daher B zur Zahlung von 219,50 € auf. B entgegnet, dass die ortsüblichen Abschleppkosten lediglich 130,- € betragen. Zu Recht? Jura Intensiv PRÜFUNGSSCHEMA A. Anspruch der K gegen B gem. § 398 BGB i.V.m. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB I. Wirksamer Abtretungsvertrag II. Kein Abtretungsverbot III. Forderungsinhaberschaft des Zedenten 1. Fremdes Geschäft 2. Fremdgeschäftsführungswillen 3. Übernahme im Interesse des B 4. Übernahme entspricht dem Willen des B 5. Rechtsfolge B. Ergebnis Inhaltsverzeichnis

RA 06/2016 Zivilrecht 287 LÖSUNG A. Anspruch der K gegen B gem. § 398 BGB i.V.m. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 219,50 € aus abgetretenem Recht gem. § 398 BGB i.V.m. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB haben. I. Wirksamer Abtretungsvertrag Eine Forderung wird gem. § 398 S. 1 BGB durch einen Vertrag zwischen bisherigem Gläubiger (Zedent) und neuem Gläubiger (Zessionar) auf diesen übertragen. K und der Grundstücksbesitzer haben sich hier auf die Übertragung der Ersatzansprüche gegen den Halter des zu lange geparkten Fahrzeuges geeinigt und damit einen wirksamen Abtretungsvertrag geschlossen. II. Kein Abtretungsverbot Ein Abtretungsverbot ist nicht ersichtlich. III. Forderungsinhaberschaft des Zedenten Schließlich setzt die Abtretung voraus, dass die abgetretene Forderung dem Zedenten zustand. Denn ein gutgläubiger Forderungserwerb ist dem BGB mit Ausnahme des § 405 BGB fremd. Der Grundstücksbesitzer müsste damit gegen B ein Anspruch auf Ersatz der durch die Umsetzung entstandenen Kosten i.H.v. 219,50 € aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB zugestanden haben. 1. Fremdes Geschäft Zunächst müsste durch das Umsetzen des Fahrzeugs ein fremdes Geschäft vorgenommen worden sein. Unter einem Geschäft sind alle tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen zu verstehen. Fremd ist es, wenn es in den Pflichten-, Rechts- oder Interessenkreis eines anderen fällt. „[6] Die im Auftrag der Grundstücksbesitzerin durchgeführte Umsetzung des Fahrzeugs der Beklagten stellt ein Handeln in fremdem Rechtskreis und damit eine Fremdgeschäftsführung i.S.v. § 677 BGB dar. Ein Geschäft der Beklagten war dies deshalb, weil sie als Halterin des Fahrzeugs zur Entfernung nach § 862 Abs. 1 BGB bzw. - wenn das Parken als teilweise Besitzentziehung qualifiziert wird - gemäß § 861 Abs. 1 BGB verpflichtet war. Das unbefugte Abstellen eines Fahrzeugs auf einem Privatgrundstück begründet eine verbotene Eigenmacht i.S.v. § 858 Abs. 1 BGB, für die nicht nur der Fahrer, sondern ebenfalls der Halter des Fahrzeugs verantwortlich ist. Dies gilt auch dann, wenn das Parken an bestimmte Bedingungen - wie hier die Festlegung einer Höchstparkdauer von 90 Minuten - geknüpft ist und diese nicht eingehalten werden. Jura Intensiv Inzidentprüfung des Anspruchs des Grundstücksbesitzers gegen B aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB Umsetzung des Fahrzeugs bei überschrittener Höchstparkdauer ist ein fremdes Geschäft des B, da er nach § 861 I bzw. § 862 I BGB zur Entfernung verpflichtet war Ein fremdes Geschäft liegt damit vor. 2. Fremdgeschäftsführungswillen Die Grundstücksbesitzerin müsste Fremdgeschäftsführungswillen gehabt haben. Dies ist der Fall, wenn sie das Bewusstsein und den Willen hatte, das fremde Geschäft als fremdes zu führen. „[6] [Dies ist der Fall.] Dass sie auch im eigenen Interesse tätig geworden ist, schließt ihren Fremdgeschäftsführungswillen nicht aus (sog. „auch fremdes Geschäft“).“ Die Problematik des „auch fremden Geschäfts“ müsste in der Klausur genauer dargestellt werden. Darauf wurde an dieser Stelle aus Platzproblemen verzichtet. Inhaltsverzeichnis

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