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RA Digital - 06/2016

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292 Zivilrecht

292 Zivilrecht RA 06/2016 Widerrufsbelehrung entspricht nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 II 1 BGB, sodass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen hat „[24] Die in der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung verwendete Formulierung, die Frist beginne „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, genügt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F., weil sie den Verbraucher nicht umfassend, unmissverständlich und eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist und die zeitlichen Grenzen des Widerrufsrechts informiert. Denn ihr ist bloß zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist „jetzt oder später“ beginnen, der Beginn des Fristlaufs also noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, um welche Umstände es sich dabei handelt.“ K ist bei Vertragsschluss nicht ordnungsgemäß belehrt worden und der Widerruf damit mangels Beginn der Widerrufsfrist weiter möglich. Voraussetzung der Verwirkung ist ein Zeit- und Umstandsmoment Vorliegend fehlt es bereits am Umstandsmoment, den Widerruf des K als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lässt. 4. Verstoß gegen Treu und Glauben gem. § 242 BGB Zu prüfen bleibt, ob K nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB gehindert ist, die Rechte aus dem Widerruf geltend zu machen. a) Verwirkung des Widerrufsrecht K könnte sein Widerrufsrecht verwirkt haben. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). „[29] Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde. An diese Voraussetzungen sind gerade bei den verbraucherschützenden Widerrufsrechten strenge Anforderungen zu stellen. Denn die mit einer unterlassenen oder nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verbundenen Nachteile hat grundsätzlich der Geschäftspartner des Verbrauchers zu tragen. [30] Gemessen daran fehlt es im vorliegenden Fall bereits am Umstandsmoment. Denn die Beklagte durfte aufgrund der fehlerhaften Widerrufsbelehrung nicht darauf vertrauen, dass der Kläger sein Widerrufsrecht nicht mehr ausüben würden. Sie hat auch von der Möglichkeit einer Nachbelehrung gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB a. F. keinen Gebrauch gemacht. Ein Verhalten des Klägers, das gleichwohl ein entsprechendes Vertrauen rechtfertigen könnte, ist nicht vorgetragen. Die vorhaltlose Zahlung der vereinbarten Darlehensraten während der rund siebenjährigen Laufzeit des Darlehens genügt dafür nicht. Denn der Beklagten war bekannt, dass der Kläger aufgrund der von ihr erteilten Belehrung keinen Anlass hatte anzunehmen, ihm stehe nach dem Ablauf der darin genannten Fristen noch ein Widerrufsrecht zu.“ Jura Intensiv Damit ist das Widerrufsrecht nicht verwirkt. Ein Widerruf ist nur unter ganz engen Voraussetzungen aufgrund unzulässiger Rechtsausübung ausgeschlossen. Das Motiv für seine Ausübung ist grds. unbeachtlich. b) Rechtsmissbräuchliche Ausübung Schließlich bildet das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. Das Widerrufsrecht könnte daher unter dem Gesichtspunkt besonderer Schutzwürdigkeit des Unternehmers wegen Rechtsmissbrauchs bzw. unzulässiger Rechtsausübung ausnahmsweise ausgeschlossen sein. Inhaltsverzeichnis

RA 06/2016 Zivilrecht 293 „[33] Auf das Motiv für die Ausübung des Widerrufsrechts kommt es für die Beurteilung nicht an. Denn wie schon das Fehlen einer Begründungspflicht (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F.) zeigt, knüpft das Gesetz die Ausübung des Widerrufsrechts gerade nicht an ein berechtigtes Interesse des Verbrauchers, sondern überlässt es allein seinem freien Willen, ob und aus welchen Gründen er seine Vertragserklärung widerruft. Das gilt auch für das Widerrufsrecht nach § 495 BGB a. F. Dass dieses Recht den Verbraucher vor einer übereilten Bindung schützen und ihm wegen der erheblichen wirtschaftlichen Tragweite Gelegenheit geben soll, das Darlehensangebot noch einmal zu überdenken, steht dem nicht entgegen. Denn wie bei § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. wird die Ausübung des an keine weiteren Voraussetzungen gebundenen Widerrufsrechts durch dessen institutionellen Zweck nicht beschränkt. Der Verbraucher kann dieses Recht daher auch zu seinem wirtschaftlichen Vorteil nutzen, ohne sich dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs auszusetzen. Das gilt nicht nur für den Fall, dass er den Darlehensvertrag innerhalb von zwei Wochen nach ordnungsgemäßer Belehrung widerruft, um ein zwischenzeitlich erhaltenes Angebot mit günstigeren Konditionen anzunehmen, sondern in gleicher Weise für die spätere Ausübung des aufgrund fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Belehrung fortdauernden Widerrufsrechts. Denn die fortdauernde Möglichkeit des Widerrufs ist die vom Gesetz gewollte Folge einer unterbliebenen oder fehlerhaften Widerrufsbelehrung, für die der Unternehmer verantwortlich ist, und ihre Einschränkung würde dem gesetzgeberischen Ziel zuwiderlaufen, den Unternehmer zu einer ordnungsgemäßen Belehrung zu zwingen. [34] Danach greift der von der Beklagten erhobene Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht durch. Die Kläger haben das streitgegenständliche Darlehen zwar sieben Jahre lang in Anspruch genommen, um ihre Eigentumswohnung zu finanzieren, und den Widerruf erst nach deren Veräußerung erklärt, um das von der Klägerin verlangte Vorfälligkeitsentgelt einzusparen. Dieses eigennützige Motiv ist aber rechtlich nicht zu missbilligen, sondern von der gesetzlichen Ausgestaltung des Widerrufsrechts umfasst. Dass das Zinsniveau während der Laufzeit des Darlehens erheblich gefallen ist und der Beklagten durch den späten Widerruf ein entsprechender Nachteil entsteht, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die mit einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verbundenen Risiken trägt allein der Darlehensgeber. Dass sie arglistig getäuscht worden oder aus anderen Gründen besonders schutzwürdig wäre, macht die Beklagte nicht geltend.“ Jura Intensiv Dem Verbraucher steht das Widerrufsrecht auch dann zu, wenn er vom mittlerweile erheblich gesunkenen Zinsniveau profitieren will. Der Umstand, dass das Darlehen bereits sieben Jahre anstandslos bedient wurde, reicht für einen Rechtsmissbrauch nicht aus. Der Ausübung des Widerrufs steht damit auch nicht der Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens aus § 242 BGB entgegen. B. Ergebnis K steht gegen die B-Bank ein Rückzahlungsanspruch i.H.v. 5.900 € gem. §§ 495 I, 357 I BGB a.F. i.V.m. § 346 I BGB zu. FAZIT Bei Verbraucher-Immobiliardarlehensverträgen, die ab dem 21.03.2016 geschlossen wurden, erlischt das Widerrufsrecht spätestens nach einem Jahr und 14 Tagen. Die den vorliegenden Fall prägenden Probleme werden sich dann nicht mehr stellen. Bis dahin müssen Verwirkung und rechtsmissbräuchliches Verhaltens auch bei widerrufenen Verbraucherdarlehensverträgen geprüft werden. Inhaltsverzeichnis

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