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RA Digital - 06/2016

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306

306 Nebengebiete RA 06/2016 3. Wird eine ordentliche Kündigung nicht isoliert erklärt, sondern nur hilfsweise für den Fall der Unwirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung, ist der Kündigungsempfänger nicht im Unklaren darüber, wann das Arbeitsverhältnis nach der Vorstellung des Kündigenden enden soll. Die Beendigung soll dann offensichtlich bereits mit Zugang der fristlosen Kündigung erfolgen. Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob es dem Kündigungsempfänger ohne Schwierigkeiten möglich ist, die Kündigungsfrist der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung zu ermitteln. Mit seiner am 15.2.2013 beim ArbG eingegangenen Kündigungsschutzklage hat sich der Kl. gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewandt. Das ArbG Wesel hat die außerordentliche Kündigung mangels eines sie rechtfertigenden wichtigen Grundes als unwirksam angesehen und insofern der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Es hat aber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31.3.2013 festgestellt. Der Kl. hat mit seiner Berufung die erstinstanzliche Entscheidung bzgl. der festgestellten Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung angegriffen. Nach seiner Auffassung ist diese Kündigung mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam. Das Kündigungsschreiben lasse nicht erkennen, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis hilfsweise durch die ordentliche Kündigung enden solle. Die Kündigungsfrist ergebe sich auch nicht aus dem Arbeitsvertrag. Dieser enthalte in § 2 hinsichtlich der Kündigungsfristen eine gegen das Transparenzgebot des § 307 I 2 BGB verstoßende Regelung. Bei der möglichen Verlängerung der Kündigungsfrist bleibe offen, ob und gegebenenfalls welche Tarifnormen Anwendung finden sollen. Diese Zweifel gingen zu Lasten der Bekl. Der Kl. hat daher vor dem LAG beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die arbeitgeberseitige ordentliche Kündigung vom 1.2.2013 beendet wurde. Die Bekl. hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die ordentliche Kündigung sei hinreichend bestimmt zum 31.3.2013 erklärt. Die Maßgeblichkeit der gesetzlichen Kündigungsfristen ergebe sich aus § 2 des Arbeitsvertrags. Für den Kl. sei ohne Weiteres aufklärbar gewesen, dass auf das Arbeitsverhältnis zu keinem Zeitpunkt ein Tarifvertrag Anwendung gefunden habe. Die Erwähnung tariflicher Kündigungsfristen im Arbeitsvertrag sei dennoch sinnvoll gewesen, da die spätere Geltung eines Tarifvertrags nie ausgeschlossen werden könne. Das LAG Düsseldorf hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 1.2.2013 weder mit sofortiger Wirkung noch zum 31.3.2013 beendet worden ist. Mit ihrer vom LAG zugelassenen Revision verfolgt die Bekl. ihr Ziel der Zurückweisung der Berufung weiter. Das Rechtsmittel hatte Erfolg. Jura Intensiv LÖSUNG „[12] Entgegen der Auffassung des LAG ist die Berufung des Kl. zurückzuweisen. Das Arbeitsverhältnis wurde durch die allein noch streitgegenständliche ordentliche Kündigung vom 1.2.2013 unter Wahrung der Kündigungsfrist des § 622 II 1 Nr. BGB zum 31.3.2013 beendet. Die Kündigung ist nicht mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam. Sonstige Unwirksamkeitsgründe werden vom Kl. nicht angeführt und sind auch nicht ersichtlich. Das Berufungsurteil ist (...) bzgl. der Entscheidung über die ordentliche Kündigung aufzuheben. (...) [13] 1. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung ist wirksam, obwohl dem Kündigungsschreiben nicht zu entnehmen ist, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis gegebenenfalls ordentlich beendet werden soll. Der von der Bekl. angestrebte Beendigungszeitpunkt ergibt sich entsprechend der Auffassung der Revision aus der vorrangig erklärten außerordentlichen Kündigung. Inhaltsverzeichnis

RA 06/2016 Nebengebiete 307 [14] a) Eine Kündigungserklärung unterliegt nicht der Transparenzkontrolle nach § 307 I 2 BGB. Einseitige Rechtsgeschäfte des Verwenders enthalten keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen iSv § 305 I 1 BGB (...). [15] b) Eine Kündigung muss als empfangsbedürftige Willenserklärung aber so bestimmt sein, dass der Empfänger Klarheit über die Absichten des Kündigenden erhält. Der Kündigungsadressat muss erkennen können, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aus Sicht des Kündigenden beendet sein soll. Deshalb muss sich aus der Kündigungserklärung oder den Umständen ergeben, ob eine fristgemäße oder eine fristlose Kündigung gewollt ist (...). Im Fall einer ordentlichen Kündigung genügt regelmäßig die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Eine Kündigung ist allerdings nicht auslegungsfähig und damit nicht hinreichend bestimmt, wenn in der Erklärung mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin gelten soll (...; zur Auslegbarkeit einer ordentlichen Kündigung mit fehlerhafter Kündigungsfrist vgl. BAG, NZA 2013, 1076 Rn 16 f.). [16] c) Eine Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ ist möglich, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar ist. Eine solche Kündigung ist typischerweise dahin zu verstehen, dass der Kündigende die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem Zeitpunkt erreichen will, der sich bei Anwendung der einschlägigen gesetzlichen, tarifvertraglichen und/oder vertraglichen Regelungen als rechtlich frühestmöglicher Beendigungstermin ergibt. Der vom Erklärenden gewollte Beendigungstermin ist damit objektiv eindeutig bestimmbar. Dies ist jedenfalls dann ausreichend, wenn die rechtlich zutreffende Frist für den Kündigungsadressaten leicht feststellbar ist und nicht umfassende tatsächliche Ermittlungen oder die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen erfordert (...). Die Ermittlung der maßgeblichen Kündigungsfrist kann sich aus Angaben im Kündigungsschreiben (...) oder aus einer vertraglich in Bezug genommenen tariflichen Regelung ergeben (...). Jura Intensiv [17] d) Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob die rechtlich zutreffende Kündigungsfrist für den Kl. angesichts der „zum nächstmöglichen Termin“ erklärten Kündigung leicht feststellbar war. [18] aa) Wird eine ordentliche Kündigung nicht isoliert erklärt, sondern nur hilfsweise für den Fall der Unwirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung, ist der Kündigungsempfänger nicht im Unklaren darüber, wann das Arbeitsverhältnis nach Vorstellung des Kündigenden enden soll. Die Beendigung soll offensichtlich bereits mit Zugang der fristlosen Kündigung erfolgen. Der Kündigungsempfänger muss und kann sich in seinem praktischen Handeln auf diesen Beendigungszeitpunkt einstellen. Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob es ihm ohne Schwierigkeiten möglich ist, die Kündigungsfrist der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung zu ermitteln (...). Das Abstellen auf die Erklärung der fristlosen Kündigung vermeidet zudem einen Wertungswiderspruch zur Möglichkeit der Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung zum nächstzulässigen Termin (...). Bei einer Umdeutung wäre die ordentliche Kündigung nicht mangels Angabe der Kündigungsfrist bzw. des Kündigungstermins unwirksam (...) Im Examen ist darauf zu achten, ob neben einer außerordentlichen Kündigung „hilfsweise“ ordentlich gekündigt worden ist. Wenn ja, darf – falls sich die außerordentliche Kündigung als unwirksam erweist – keinesfalls eine Umdeutung gem. § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung geprüft werden. Statt dessen ist dann die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zu prüfen. Eine Umdeutung kommt nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber nur außerordentlich gekündigt hat. Inhaltsverzeichnis

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