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RA Digital - 06/2016

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318 Öffentliches Recht

318 Öffentliches Recht RA 06/2016 Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser beiden Vorschriften ist derart unproblematisch, dass sie mit einem kurzen Ergebnissatz festgehalten werden kann. In einer Klausur wären das legitime Ziel, die Geeignetheit und Erforderlichkeit vorab kurz anzusprechen, sind hier aber unproblematisch. In einer Klausur sollte hier das Stichwort „Wechselwirkungslehre“ fallen, also der besondere Wert der Meinungsäußerungsfreiheit betont werden. Generelle Erwägungen bei einer Abwägung i.R.d. Meinungsfreiheit: • Betrifft die Meinungsäußerung öff. Oder private Angelegenheiten? • Ist die umstrittene Äußerung ein „Erstschlag“ oder ein „Gegenschlag“ • Wurde der Inhalt einer mehrdeutigen Äußerung zutreffend erfasst? Immer wichtig: Gab es einen berechtigten Anlass, die umstrittene Äußerung zu tätigen? (sog. Wechselwirkungslehre). Die beschränkenden gesetzlichen Vorschriften, auf die sich die zivilgerichtlichen Entscheidungen stützen, sind § 1004 I 2 BGB analog i.V.m. § 823 BGB, die den genannten Anforderungen des qualifizierten Gesetzesvorbehalts genügen. 2. Schranken-Schranken Die konkrete Anwendung dieser zivilrechtlichen Vorschriften durch die Gerichte muss dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügen. Fraglich ist insoweit die Angemessenheit der gerichtlichen Entscheidungen. „[25] Zu berücksichtigen ist weiter, dass grundsätzlich auch die überspitzte Meinungsäußerung der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung unterliegt. Dabei kann insbesondere bei Vorliegen eines unmittelbar vorangegangenen Angriffs auf die Ehre eine diesem Angriff entsprechende, ähnlich wirkende Erwiderung gerechtfertigt sein. […] [27] Die Gerichte haben zunächst zutreffend einerseits auf Seiten der Meinungsfreiheit das große Informationsinteresse der Öffentlichkeit und andererseits zu Gunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers den Freispruch berücksichtigt, der dazu führt, dass die schweren Vorwürfe die Gegenstand des Strafverfahrens waren, jedenfalls nicht unbegrenzt wiederholt werden dürfen. […] Indem die Gerichte aber davon ausgingen, dass sich die Beschwerdeführerin auf die Wiedergabe der wesentlichen Fakten und eine sachliche Darstellung des behaupteten Geschehens zu beschränken habe, verkennen sie die […] Freiheit, ein Geschehen subjektiv und sogar emotionalisiert zu bewerten. Diese Auffassung übersieht auch das öffentliche Interesse an einer Diskussion der Konsequenzen und auch Härten, die ein rechtsstaatliches Strafprozessrecht aus Sicht möglicher Opfer haben kann. […] [29] Die Gerichte haben überdies das vorangegangene Verhalten des Klägers nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt. Der Kläger hatte sich zuvor in einem Interview, das für die Beschwerdeführerin Anlass war, in die Öffentlichkeit zu treten, diffamierend über die Beschwerdeführerin geäußert. Das Oberlandesgericht geht insoweit zwar zutreffend davon aus, dass der Beschwerdeführerin ein „Recht auf Gegenschlag“ zusteht. Die Gerichte verkennen aber, dass sie dabei nicht auf eine sachliche, am Interview des Klägers orientierte Erwiderung beschränkt ist, weil auch der Kläger […] sich nicht sachlich […] äußerten.“ Jura Intensiv Folglich ist der Eingriff in die Meinungsfreiheit nicht gerechtfertigt, sodass B durch die zivilgerichtlichen Entscheidungen in ihrem Grundrecht aus Art. 5 I 1 1. Hs. GG verletzt wird. FAZIT Eine Entscheidung, die erneut deutlich macht, worauf es bei einer Verhältnismäßigkeitsprüfung i.R.d. Meinungsfreiheit ankommt. Inhaltsverzeichnis

RA 06/2016 Referendarteil: Öffentliches Recht 319 Speziell für Referendare Problem: Kostenbescheid für Öffnen und Verschließen einer Tür im Wege des Verwaltungszwangs VG Köln Gerichtsbescheid vom 11.02.2016 20 K 6403/14 EINLEITUNG Das VG Köln hat per Gerichtsbescheid über eine Klage gegen einen Kostenbescheid entschieden, in dem die Klägerin für Schlüsseldienstkosten in Anspruch genommen wurde, die durch das Öffnen und Schließen ihrer Haustür im Wege des Verwaltungszwanges wegen eines defekten Rauchmelders entstanden waren. Es hat sich dabei u.a. mit der Problematik der Anscheinsgefahr und des Gefahrenverdachts sowie den Einwänden der Klägerin gegen die Höhe der entstandenen Kosten auseinandergesetzt. TATBESTAND „Die Klägerin wendet sich mit der vorliegenden Klage gegen ihr von dem Beklagten in Rechnung gestellte Kosten, die infolge einer Öffnung und Verschließung ihres Hauses entstanden sind. Die Klägerin ist Eigentümerin des Mehrfamilienhauses in der S.-straße 00 in L. -N., zugleich befindet sich in dem Haus die therapeutische Praxis der Klägerin. Am Samstagnachmittag, dem 19.07.2014, gegen 18:40 Uhr, rief ein Anwohner des benachbarten Hauses Nr. 00-00 wegen verdächtiger Geräusche im Haus der Klägerin die Polizei. Aus dem polizeilichem Einsatzbericht ergibt sich, dass der Melder mitgeteilt habe, dass ein durchdringender und ununterbrochener Alarmton seit dem Vormittag zu hören gewesen sei. Laut Einsatzbericht konnten auch die Beamten des Beklagten vor Ort den Alarmton aus dem Hausflur des Mehrfamilienhauses vernehmen. Die Beamten führten ferner aus, dass auf mehrfaches Klingeln niemand die Haustür geöffnet habe und - nach Ermittlung von Personaldaten und Telefonnummer - mehrfach versuchte telefonische Kontaktaufnahmen mit der Klägerin negativ verliefen. Ein Betreten des Hauses sei nicht möglich gewesen. Einbruchsspuren seien von außen nicht erkennbar gewesen. Der von den Einsatzkräften sodann angeforderte Schlüsseldienst H. -E. öffnete die beiden an der Hauseingangstür befindlichen Schlösser […]. Die Beamten stellten laut Einsatzbericht im Wohnhaus keine Rauchquellen fest und deaktivierten den im Hausflur hängenden Rauchmelder. Da dieser nicht das Signal eines sich leerenden Akkus absonderte, wurde eine Fehlfunktion angenommen. Die Haustür wurde anschließend, nach Einbau zweier ABUS-Doppelzylinder durch den Schlüsseldienst, wieder verschlossen. Die neuen Schlüssel wurden auf der Polizeiwache asserviert. Die durch das Öffnen der Tür […] und das anschließende Einsetzen neuer Schließzylinder […] entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 251,88 Euro wurden zunächst vom Beklagten bezahlt. Per Mail vom 07.08.2014 wandte sich die Klägerin an den Beklagten und reklamierte verschiedene infolge der Türöffnung mittels Flex entstandene Schäden an der Haustür […], die - so die Klägerin - bei fachgerechter Öffnung der Tür vermeidbar gewesen seien. Der Beklagte setzte sich mit dem Schlüsseldienst H. -E. in Verbindung. Dieser gab unter dem 11.09.2014 an, dass ein Auffräsen des Jura Intensiv LEITSÄTZE (DER REDAKTION) 1. Beim Verschließen der Tür handelt es sich um eine Maßnahme der Eigentumssicherung, die eine spezialgesetzlich geregelte Form der Geschäftsführung ohne Auftrag darstellt. 2. Der Verdachts- oder Anscheinsstörer wird nur dann von den Vollstreckungskosten auf der sog. „Sekundärebene“ freigestellt, wenn er die den Gefahrenverdacht bzw. die Anscheinsgefahr begründenden Umstände nicht zu verantworten hat. 3. Es entspricht dem Interesse an einer effektiven Gefahrenabwehr, dass der Beklagte einen Schlüsseldienst beauftragt hat, mit dem er zuvor einen sog. Rahmenvertrag geschlossen hat. Ein Einleitungssatz ist entbehrlich, wenn im Rubrum unter „wegen“ eine prägnante Zusammenfassung des Streitgegenstandes erfolgt. Zustände und Beschreibungen, die die Gegenwart betreffen, sind im Unstreitigen im Indikativ Präsens wiederzugeben. Geschichtserzählung: Imperfekt Indikativ Inhaltsverzeichnis

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