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RA Digital - 06/2017

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286 Zivilrecht

286 Zivilrecht RA 06/2017 PRÜFUNGSSCHEMA Das Amtsgericht prüfte einen Anspruch aus condictio indebiti gem. § 812 I 1 1. Alt. BGB. Weil die Gutschrift am 3.7. und die Kündigung im August erfolgte, wäre ein Anspruch aus der condictio ob causam finitam gem. § 812 I 2 1. Alt. BGB naheliegend gewesen. Lies zum Streitstand, welche Anspruchsgrundlage die richtige für den Anspruch auf Auszahlung ist, RA 2016, 394. Die Leistung ist beim Lastschriftverfahren wie bei der Überweisung zu bestimmen. Lies zu den Ausnahmen, wann es nicht auf die Sicht des Empfängers ankommt, BGH, RA 2015, 573 ff. und KG, RA 2015, 240. A. K gegen B auf Rückzahlung von 598,80 € gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB I. Etwas erlangt II. Durch Leistung der K III. Ohne Rechtsgrund 1. Wirksamer Vertragsschluss 2. Außerordentliche Kündigung 3. Ordentliche Kündigung B. Ergebnis LÖSUNG A. K gegen B auf Rückzahlung von 598,80 € gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung von 598,80 € gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB haben. I. Etwas erlangt Dazu müsste B etwas erlangt haben. Darunter ist jeder vermögenswerte Vorteil zu verstehen. Vorliegend wurde der jährliche Mitgliedbeitrag i.H.v. 598,80 € dem Firmenkonto der B gutgeschrieben. Damit hat B gem. § 675t I 1 BGB einen Auszahlungsanspruch gegen ihre kontoführende Bank erlangt. II. Durch Leistung der K Dies müsste jedoch auch durch Leistung der K erfolgt sein. Unter Leistung versteht man jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Zweckgerichtet i.S.d Grundsätze der Leistungskondiktion ist eine Vermögenszuwendung nur, wenn sie auf die Tilgung einer Verbindlichkeit gerichtet ist, wobei auf die Sicht eines objektiven Zuwendungsempfängers abzustellen ist. Bekommt ein Gläubiger über die Bank seines Schuldners einen Geldbetrag zugewiesen, so soll damit die Verbindlichkeit des Schuldners erfüllt werden. Die Bank will gegenüber dem Empfänger weder eine eigene noch eine fremde Schuld tilgen; sie handelt lediglich im Auftrag ihres Bankkunden als dessen Zahlstelle. Ihre Zahlung gilt daher als Leistung an ihren eigenen Bankkunden. Was die Frage der Leistungsbeziehungen betrifft, hat das Lastschriftverfahren dieselbe bereicherungsrechtliche Wirkung wie die Zahlung mittels Überweisung. Vorliegend bezweckte die Einziehung des Geldes vom Konto der K die Erfüllung der aus dem Partnerschaftsvermittlungsvertrag folgenden Pflicht zur Zahlung des vereinbarten Entgelts. Eine Leistung der K an B liegt damit vor. Jura Intensiv III. Ohne Rechtsgrund Schließlich müsste dies auch ohne Rechtsgrund erfolgt sein. Keine Unwirksamkeit des Vertrags gem. § 312j IV BGB Das Gericht sah im Button „Kaufen“ eine der gesetzlichen Formulierung „zahlungspflichtig bestellen“ entsprechende Beschriftung. 1. Wirksamer Vertragsschluss Am 30.06.2015 schlossen K und B unter Zuhilfenahme des Internets einen Partnerschaftsvermittlungsvertrag. Dieser ist gem. § 312j IV BGB als von Anfang wirksam. Denn es ist davon auszugehen, dass B die aus §§ 312j II-III BGB i.V.m. § 246a § 1 Nr. 1, 4, 5, 11,12 EGBGB folgenden Pflichten eingehalten hat. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2017 Zivilrecht 287 2. Außerordentliche Kündigung K könnte den Vertrag jedoch mit E-Mail vom 06.08.2016 gem. § 627 I BGB außerordentlich gekündigt haben. Dies ist bei einem Dienstverhältnis zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete Dienste höherer Art zu leisten hat, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. „I.1.a) aa) Vorliegend ist § 627 I BGB anwendbar. Selbst wenn hier ein gemischter Vertrag vorläge, läge jedenfalls der Schwerpunkt der Leistungen der B in den von ihr zu leistenden Diensten, insbesondere der Zurverfügungstellung der Plattform und den darauf befindlichen Aktionsmöglichkeiten (Kontaktaufnahme, Partnersuche nach bestimmten Kriterien) sowie der Unterbreitung von Partnervorschlägen. Die vertragliche Verpflichtung der B richtet sich neben der Erstellung eines Persönlichkeitsprofils als möglicherweise werkvertragliches Element insbesondere auf das Bereit- und Aufrechterhalten eines Algorithmus zur Generierung passender Partnervorschläge sowie die dauerhafte Bereitstellung und Pflege eines Internetportals mit entsprechenden Funktionen zur Partnersuche und Kontaktaufnahme. Ein konkreter Erfolg ist nicht geschuldet. Da gemischte Verträge grds. dem Recht des Vertragstyps zu unterstellen sind, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Rechtsgeschäfts liegt, findet hier das Dienstvertragsrecht Anwendung. Folglich ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 627 I BGB vorliegen. „II.1.a) bb) Dienste höhere Art sind solche, die ein überdurchschnittliches Maß an Fachkenntnissen, Kunstfertigkeit oder wissenschaftlicher Bildung, eine hohe geistige Phantasie oder Flexibilität voraussetzen und infolgedessen dem Dienstpflichtigen eine herausragende Stellung verleihen. Zwar sind Dienste höherer Art nach st. Rspr. auch solche Tätigkeiten, die den persönlichen Lebensbereich betreffen. Ausgangspunkt der Beurteilung ist der Geschäftsinhalt des Dienstleistungsvertrages. Nach st. Rspr. werden daher Ehe- und Partnerschaftsvermittlungstätigkeiten im herkömmlichen Sinne als Dienste höherer Art qualifiziert. In den entschiedenen Fällen hatten die Kunden jedoch persönlichen Kontakt zu Mitarbeitern der Partnervermittler, welche selbst Kontakte herstellten und weitere Dienstleistungen anboten.“ „Nicht höchstrichterlich geklärt ist jedoch, ob diese Rspr. auch auf rein internetbasierte Partnervermittlungen ohne jeden persönlichen Kontakt und ohne jede persönliche Tätigkeit eines Menschen zu übertragen ist.“ „Zwar hat der BGH entschieden, die Qualifizierung als Dienste höherer Art rechtfertige sich bei Partnervermittlungen daraus, dass es in der Natur der Sache liege, dass ein Kunde einer Partnerschaftsvermittlung besonderes Vertrauen zu seinem Auftragsnehmer, auf dessen Seriosität er setzt, haben müsse. Es sei notwendig, zumindest aber auch geboten und üblich, dass er seinem Vertragspartner Auskünfte über seine eigene Person und die des gewünschten Partners gebe. Das Vertragsverhältnis berühre insoweit in besonderem Maße die Privat- und Intimsphäre des Kunden. Daraus darf aber nach Dafürhalten des erkennenden Gerichts nicht der Schluss gezogen werden, allein die Übermittlung persönlicher Informationen an eine Online-Partnerschaftsvermittlung begründe ein Kündigungsrecht aus § 627 I BGB.“ Jura Intensiv Anwendbarkeit des § 627 I BGB auf Partnerschaftsvermittlungsverträge, weil der Schwerpunkt im Dienstvertragsrecht liegt „Dienste höherer Art“ bei der Partnerschaftsvermittlung Der persönliche Lebensbereich ist betroffen. Deshalb gelten herkömmliche Partnerschaftsvermittlungen als Dienste höherer Art. Anders hier: Kein persönlicher Kontakt bei internetbasierten Partnervermittlungen zum Vermittler. Noch fehlt eine höchstrichterliche Entscheidung, ob „Dienste höherer Art“ auch bei einer reinen Online-Partnerschaftsvermittlung ohne menschlichen Kontakt vorliegen. Für die Anwendung des § 627 BGB auf solche Verträge: AG Schöneberg, Urteil vom 27.01. 2010, 104 a C 413/09 und vom 24.01.2014, 16 C 249/13; AG Hamburg, Urteil vom 17.06.2011, 7 C 69/10; AG Bremen, Urteil vom 03.07.2013, 23 C 106/13; OLG Dresden, OLG Dresden, MMR 2015, 35 (Gericht ging auf das hiesige Problem nicht ein). Dagegen: AG München, Urteil vom 05.05.2011, 172 C 28687/10; AG Amberg, Urteil vom 10.10. 2012, 2 C 264/12 und AG Rosenheim, Urteil vom 17.09.2013, 7 C 885/13 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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