Aufrufe
vor 6 Jahren

RA Digital - 06/2017

  • Text
  • Jura
  • Intensiv
  • Inhaltsverzeichnis
  • Verlags
  • Urteil
  • Stgb
  • Recht
  • Entscheidung
  • Anspruch
  • Vaterschaft
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

320 Referendarteil:

320 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 06/2017 Ergebnissatz voranstellen, bei einer Anfechtungsklage auch § 113 I 1 VwGO zitieren. 1. Widerruf der Gaststättenerlaubnis Ermächtigungsgrundlage Mangels eines Landesgesetzes gilt in Bayern weiterhin das GastG des Bundes (vgl. Art. 125a I GG). In einer Klausur ist der Wortlaut der maßgeblichen Rechtsvorschriften wiederzugeben. Definition „Unzuverlässigkeit“ Prognoseentscheidung Merke: Auf ein Verschulden des Gewerbetreibenden kommt es nicht an, weil das Gewerberecht zum Gefahrenabwehrrecht gehört. Tatsachen für Unzuverlässigkeit müssen gewerbebezogen, aber nicht im Rahmen des Gewerbebetriebes eingetreten sein. Der Kläger ließ hierzu im Schriftsatz vom 21. Oktober 2016 noch insbesondere Folgendes erwidern: - Es hätten sich nach 24.00 Uhr keine Minderjährigen ohne Begleitung in der Gastwirtschaft aufgehalten. Der Kläger sei nicht Inhaber der Gaststättenerlaubnis gewesen. - Am 17. Mai 2015 habe der Kläger die Führung und Beaufsichtigung in der Gaststätte auf Frau E... übertragen. Das Verfahren sei eingestellt worden. - Der Eintrag vom 8. August 2014, AG 2..., sei bei Bewilligung der Gaststättenerlaubnis bekannt gewesen. Die spätere Rechtskraft ändere daran nichts. - Der Kläger habe im Obergeschoss des Lokals Schafkopf gespielt. Einer der Beteiligten habe einen Elektroschocker dabei gehabt. Dieser habe dem Kläger nicht gehört. Wegen des angeblichen Besitzes des Elektroschockers habe der Kläger einen Bußgeldbescheid erhalten, es aber versäumt, dagegen rechtzeitig Einspruch einzulegen. - Bei der Antragstellung habe der Kläger Herrn B... über die Situation wegen der angeblichen Unterschlagung vor dem AG 4... informiert. Herr B... habe damals versichert, dass wegen dieser Angelegenheit die Erlaubnis nicht versagt würde. Hinsichtlich der Vorfälle wegen der Schafkopfrunde und der Bierflasche sei dem Kläger im Juni 2015 von den Herren B... und S... gesagt worden, dass diese keine Auswirkungen auf die Gaststättenerlaubnis hätten, wenn sie eingestellt würden. [...]“ ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE „Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 30. September 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Rechtsgrundlage für den Widerruf der am 20. Februar 2015 erteilten Gaststättenerlaubnis ist § 15 Abs. 2 GastG. Es sind nachträglich, d.h. nach Erteilung der Gaststättenerlaubnis, Tatsachen eingetreten, die die Versagung der erteilten Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG rechtfertigen würden. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG ist eine gaststättenrechtliche Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Antragsteller im Sinne dieser Vorschrift ist der Kläger. Jura Intensiv Unzuverlässig ist, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß betreiben wird. Die Beurteilung hat Prognosecharakter. Ihr müssen Tatsachen zugrunde liegen, insbesondere auch früheres oder aktuelles Verhalten, die eine Beurteilung ermöglichen, ob der Gewerbetreibende willens und in der Lage ist, in Zukunft seine beruflichen Pflichten zu erfüllen. Auf ein Verschulden oder einen Charaktermangel des Gewerbetreibenden kommt es insoweit nicht an. Die Tatsachen, auf die die Unzuverlässigkeit gestützt werden sollen, müssen allerdings gewerbebezogen sein, d.h. die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden im Hinblick auf das konkret ausgeübte Gewerbe in Frage stellen. Die Tatsachen, die auf die Unzuverlässigkeit schließen Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2017 Referendarteil: Öffentliches Recht 321 lassen, brauchen allerdings nicht im Rahmen des Gewerbebetriebes eingetreten zu sein. Das ergibt sich daraus, dass sich die Unzuverlässigkeit als eine Frage der persönlichen Veranlagung und Haltung nach dem Gesamtbild der Persönlichkeit des Betroffenen beurteilt, so dass auch Komponenten außerhalb des Gewerbebetriebes maßgeblich sein können. Auch Tatsachen, die aus einer Zeit stammen, in der der Gewerbetreibende noch kein Gewerbe oder ein Gewerbe betrieben hat, das geringere Anforderungen an die Zuverlässigkeit als das gegenwärtige gestellt hat, können berücksichtigt werden. Bei Steuerschulden kommt es nur darauf an, dass sie gewerbebezogen sind, d.h. dass sie die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden im Hinblick auf das konkret ausgeübte Gewerbe in Frage stellen. Steuerschulden lassen auf die Unzuverlässigkeit schließen, weil sie Ausfluss mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sind. Unabhängig davon, ob Steuerschulden vorliegen, muss von einem Gewerbetreibenden im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit, ohne Rücksicht auf die Ursachen seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten, seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Allgemein gesagt, gehört die Geordnetheit der Vermögensverhältnisse zur ordnungsgemäßen Ausübung eines Gewerbes. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheids ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses. Die Frage, ob ein angefochtener Verwaltungsakt materiell rechtmäßig oder rechtswidrig ist, richtet sich nach dem Recht, das geeignet ist, die getroffene Regelung zu rechtfertigen. Erweist sie sich aus anderen als im Bescheid angegebenen Gründen als rechtmäßig, ohne dass sie durch den Austausch der Begründung in ihrem Wesen geändert würde, dann ist der Verwaltungsakt im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht rechtswidrig. Das Gericht ist verpflichtet, zu prüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht in Einklang steht und hat dabei alle einschlägigen Rechtsvorschriften und – im Rahmen des § 86 VwGO - alle rechterheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, gleichgültig, ob diese von der Behörde zur Begründung des VAs angeführt worden sind oder nicht. Dies darf aber nicht zu einer Wesensänderung des angefochtenen VAs führen. Jura Intensiv Gemessen an diesen Maßgaben ist der Widerruf der Gaststättenerlaubnis rechtmäßig. Im Sachverhalt des angefochtenen Bescheids hat das Landratsamt mehrere Tatsachen angegeben, auf welche es theoretisch seine negative Prognose hätte stützen können. Im Abschnitt II der Gründe des Bescheids hat es jedoch verabsäumt, die Tatsachen zu erwähnen, welche es konkret für seine Prognose herangezogen hat. Erst auf gerichtliche Nachfrage, hat es diese im Laufe des gerichtlichen Verfahrens dann benannt. Diese benannten Tatsachen stellen sich jedoch in Teilen als nur eingeschränkt belastbar dar. Die Verurteilung wegen Unterschlagung durch das AG 4... vom 24. Januar 2014 war dem Landratsamt, wie dessen Vertreter in der mündlichen Verhandlung bestätigten, bereits bei Stellung das Antrags auf Erteilung einer Gaststättenerlaubnis im Januar 2015 bekannt. Bei der Jugendschutzkontrolle am 8. Februar 2015 waren laut VG Regensburg v. 26.11.2015, RN 5 K 14.2148, juris, Rn 42 f. m.w.N. Landmann/Rohmer, GewO, § 35 GewO, Rn 33 Steuerschulden als Anhaltspunkt für Unzuverlässigkeit Das ist entscheidend: Der Unzuverlässigkeitsvorwurf knüpft weniger an die Leistungsunfähigkeit an, sondern an die unterlassene Betriebsaufgabe trotz anhaltender wirtschaftlicher Krise. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs: Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung. Problem: Nachschieben von Gründen BVerwG, Urteil vom 31.03.2010, 8 C 12/09, juris Rn 16 Bei gebundenen Entscheidungen hat das Gericht eine umfassende Rechtsprüfung vorzunehmen. Es hat zu prüfen, ob auch andere Gründe die Entscheidung tragen. Grenze für einen Austausch der Begründung ist die Wesensänderung des angefochtenen VAs. In einer Klausur sollten Abkürzungen wie „VA“ im Übrigen nicht verwendet werden. Nach Darstellung der abstrakten rechtlichen Maßstäbe wird zur Subsumtion übergeleitet. Andere typische Formulierungen: „Hiernach ...“, „Unter Anwendung dieser Maßstäbe ...“. Ausführliche Subsumtion des konkreten Sachverhalts: Genaue Betrachtung der einzelnen, zur Begründung der Unzuverlässigkeit abgeführten Tatsachen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats