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RA Digital - 06/2017

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330 Strafrecht

330 Strafrecht RA 06/2017 Im vorliegenden Fall ist nicht davon auszugehen, dass B ihre Mitwirkung am Gewahrsamswechsel für erforderlich hielt, da ihr klar gewesen sein muss, dass A das Geld in der Kasse auch ganz alleine hätte finden und mitnehmen können. Da sich die Entnahme des Geldes aus der Kasse auch äußerlich als Akt des Nehmens durch A darstellte, ist nach beiden Meinungen eine Wegnahme gegeben. 4. Vorsatz bzgl. 1. bis 3. A handelte vorsätzlich bzgl. der objektiven Tatumstände. 5. Finalzusammenhang Die ausführliche Prüfung der räuberischen Erpressung in der RA dient der besseren Darstellung der entsprechenden Problematik. Unter dem Zeitdruck einer Klausur wäre es sinnvoll, die Prüfung von §§ 253 I, 255 StGB stark zu verkürzen. Es würde sich dann eine Formulierung wie die folgende anbieten: „Eine Strafbarkeit gem. §§ 253 I 255 StGB scheidet ebenfalls aus, da A in dem gemäß §§ 16 I 1, 8 S. 1 StGB maßgeblichen Zeitpunkt der Anwendung des qualifizierten Nötigungsmittels (noch) keinen Vorsatz bzgl. der Herbeiführung eines Vermögensnachteils und der Kausalität seiner Handlung hierfür hat. Somit fehlt auch bei der räuberischen Erpressung der erforderliche sog. ‚Finalzusammenhang‘.“ Spezialitätstheorie „[4] a) § 249 StGB setzt voraus, dass die eingesetzte Gewalt oder Drohung Mittel gerade zur Ermöglichung der Wegnahme ist. Folgt die Wegnahme der Anwendung der Nötigungsmittel zu anderen Zwecken nur zeitlich nach, ohne dass diese finale Verknüpfung besteht, so scheidet ein Schuldspruch wegen Raubes aus. [Allerdings] genügt es, wenn die zunächst zu anderen Zwecken begonnene Gewaltanwendung beim Fassen des Wegnahmevorsatzes fortgesetzt wird. […] [5] b) Nach diesen Maßstäben kommt ein Raub hier nicht in Betracht. Nach den Feststellungen des Landgerichts dienten die von dem Angeklagten ausgeübte Gewalt und die ausgesprochenen Drohungen ausschließlich dazu, die Nebenklägerin zur Duldung sexueller Übergriffe zu nötigen. Den Entschluss, das in der Kasse der Spielhalle befindliche Geld wegzunehmen, fasste der Angeklagte erst nach Abschluss der sexuellen Übergriffe. Die Nebenklägerin duldete die Wegnahme des Geldes zwar aus Angst vor weiteren Übergriffen, was dem Angeklagten bewusst war. Eine Fortdauer der Gewaltanwendung hat das Landgericht aber nicht festgestellt.“ Der erforderliche Finalzusammenhang ist somit nicht gegeben. II. Ergebnis Durch die Gewalt und die Todesdrohungen hat A sich nicht gem. § 249 I StGB strafbar gemacht. Jura Intensiv B. Strafbarkeit gem. §§ 253 I, 255 StGB durch Gewalt und Todesdrohungen Dadurch, dass A die B mit dem Kopf gegen die Wand schlug, ihr mit dem Tod drohte und der Kasse 130,- € entnahm, könnte er sich jedoch wegen räuberischer Erpressung gem. §§ 253 I, 255 StGB strafbar gemacht haben. I. Tatbestand 1. Qualifiziertes Nötigungsmittel A hat Gewalt gegen eine Person angewandt und Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben ausgesprochen (s.o.) und hat somit qualifizierte Nötigungsmittel eingesetzt. 2. Opferreaktion B hat A vorgeschlagen, das ganze Geld aus der Spielhalle mitzunehmen. Dies müsste eine tatbestandliche Opferreaktion i.S.d. §§ 253 I, 255 StGB darstellen. Nach der Spezialitätstheorie genügt als tatbestandliche Opferreaktion einer (räuberischen) Erpressung – dem Wortlaut des § 253 I StGB entsprechend – Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2017 Strafrecht 331 jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen. Der Vorschlag der B stellt eine Handlung und somit nach dieser Meinung eine tatbestandliche Opferreaktion dar. Die Exklusivitätstheorie verlangt aufgrund der strukturellen Parallelen von Erpressung und Betrug als Opferreaktion für eine (räuberische) Erpressung – ebenso wie beim Betrug – eine Vermögensverfügung, also ein Handeln, Dulden oder Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt. Durch die Aufforderung, sich das Geld zu verschaffen, verliert B jedoch nicht unmittelbar ihr Eigentum oder auch nur ihren Gewahrsam daran, sodass sich ihre Handlung nicht unmittelbar vermögensmindernd auswirkt, deshalb keine Vermögensverfügung und somit auch keine taugliche Opferreaktion darstellt. Zwar ist der Exklusivitätstheorie zuzugestehen, dass es gewisse strukturelle Parallelen der Tatbestände von Betrug und Erpressung gibt. Allerdings übersieht sie, dass es sich bei dem Merkmal der Vermögensverfügung um ein solches handelt, das in erheblichem Maße von einer Freiwilligkeit gekennzeichnet ist. Da jedoch das Opfer bei einer (räuberischen) Erpressung stets unfreiwillig und nur deshalb handelt weil es unter Druck gesetzt wurde, passt dieses Tatbestandsmerkmal hier – im Gegensatz zum Betrug – nicht. Auch führt die Exklusivitätstheorie zu unbilligen Strafbarkeitslücken, wenn der Täter vis absoluta einsetzt, da dann das Opfer – anders als bei Drohungen oder vis compulsiva – nicht mehr selbst verfügen kann und somit eine Strafbarkeit wegen (räuberischer) Erpressung ausscheidet. Der Spezialitätstheorie ist zu folgen. Eine tatbestandliche Opferreaktion ist somit gegeben. 3. Vermögensnachteil Spätestens in dem Moment, in dem sich A mit dem Geld der B entfernte, verlor diese Besitz und Gewahrsam daran, ohne hierfür ein Äquivalent zu erlangen und erlitt somit einen Vermögensnachteil. 4. Kausalität 1. – 2. und 2. – 3. Die Anwendung des qualifizierten Nötigungsmittels war kausal für die Opferreaktion und diese für den Vermögensnachteil. Die für eine räuberische Erpressung erforderliche durchgehende Kausalität ist somit gegeben. Jura Intensiv 5. Vorsatz bzgl. 1. bis 4. A müsste Vorsatz bzgl. aller objektiven Tatumstände gehabt haben. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen des Vorsatzes ist gem. §§ 16 I 1, 8 S. 1 StGB der Zeitpunkt der Handlung, bei der räuberischen Erpressung also der Zeitpunkt der Anwendung des qualifizierten Nötigungsmittels. Bereits in diesem Zeitpunkt muss der Täter sich also auch vorstellen, durch sein Nötigungsmittel eine Opferreaktion und durch diese einen Vermögensnachteil zuzufügen. Dies wird insb. von der Rechtsprechung bei §§ 253 I, 255 StGB mittlerweile häufig – parallel zur Terminologie bei § 249 I StGB – als „Finalzusammenhang“ bezeichnet. Im Zeitpunkt der Gewaltanwendung und der Todesdrohungen hatte A jedoch noch nicht vor, sich das Geld zu verschaffen oder das Vermögen der B anderweitig zu schädigen; er wollte sie zunächst ausschließlich zu sexuellen Handlungen zwingen. Somit fehlt der für §§ 253 I, 255 StGB erforderliche Finalzusammenhang bzw. der Vorsatz im maßgeblichen Zeitpunkt. Exklusivitätstheorie Teilweise wird im Rahmen der Exklusivitätstheorie auch ein nur mittelbar vermögensminderndes Opferverhalten als Vermögensverfügung angesehen (sog. weite Verfügungstheorie; Lackner/Kühl, StGB, § 253 Rn 3), während die überwiegenden Anhänger der Verfügungstheorie insofern eine unmittelbare Vermögensminderung verlangen (enge Verfügungstheorie; Schönke/Schröder, StGB, § 253 Rn 8). Die weite Verfügungstheorie gibt die Parallelen zwischen Erpressung und Betrug, auf denen die Verfügungstheorie fußt, an entscheidender Stelle auf und ist deshalb höchst inkonsequent. In Klausuren braucht man sich mit dieser Untermeinung deshalb grds. nicht auseinanderzusetzen. BGH, Beschluss vom 20.09.2016, 3 StR 174/16, RA 2016, 661; Beschluss vom 25.02.2014, 4 StR 544/13, NStZ 2014, 269 II. Ergebnis A hat sich durch die Gewalt und Todesdrohungen also nicht gem. §§ 253 I, 255 StGB strafbar gemacht. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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