Aufrufe
vor 5 Jahren

RA Digital - 06/2018

  • Text
  • Jura
  • Intensiv
  • Auflage
  • Inhaltsverzeichnis
  • Verlags
  • Anspruch
  • Urteil
  • Strafrecht
  • Stgb
  • Recht
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

306

306 Referendarteil: Zivilrecht RA 06/2018 Auslegung des Factoringvertrags: Überwiegend echtes und nur zu einem geringen Teil unechtes Factoring Entscheidender Aspekt des Falles: Keine Inkassodienstleistung bei Einziehung auf eigene Rechnung, da durch Übergang des wirtschaftlichen Risikos eigene Angelegenheiten besorgt werden. Definition Factoring, BGH, Urteil vom 19.09.1977, VIII ZR 169/76 Causa der Abtretung ist beim echten Factoring ein Kaufvertrag. Kommt das wirtschaftliche Ergebnis der Einziehung dem Zedenten zugute? Maßgeblich ist eine Betrachtung nicht nur nach dem Wortlaut des Vertrags, sondern anhand der gesamten Umstände, insbesondere der wirtschaftlichen Zusammenhänge. Entscheidend für echtes Factoring: Endgültiger Übergang des Delkredererisikos, BGH, Urteil vom 15.04.1987, VIII ZR 97/86 Unechtes Factoring ebenfalls keine Inkassodienstleistung Wirtschaftliches Risiko bleibt beim Zedenten Definition des eigenständigen Geschäfts, s. dazu BGH v. 21.10.2014, VI ZR 507/13, Rn 29 Eigenständig ist das Geschäft, wenn die Inkassotätigkeit keine Nebenleistung, z.B. eines Darlehensvertrages ist. Die zwischen der Klägerin und der MSI getroffene Factoringabrede ist dahingehend auszulegen, dass die vom Vertrag erfassten Forderungen der MSI gegen ihre Schuldner der Klägerin zum überwiegenden Teil im Wege des echten und im darüber hinausgehenden Umfang im Wege des unechten Factorings abgetreten werden, weil die Klägerin das wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der ihr übertragenen Forderungen zwar für 90 % des Nettobetrages (abzüglich 1.000 €), im Übrigen aber nicht übernommen hat (Ziffern 4.7 Satz 1, 13.1 des Factoringvertrages). „[24] Soweit die Klägerin die ihr abgetretenen Forderungen der MSI im Wege des echten Factorings erworben hat, ist die Forderungseinziehung schon deshalb keine Inkassodienstleistung im Sinne von § 2 II Satz 1 RDG, weil die Klägerin die ihr abgetretenen Forderungen auf eigene, nicht aber auf fremde Rechnung einzieht. [25] Beim echten Factoring handelt es sich, was die Revision nicht in Frage stellt, um einen Forderungskauf des Factoring-Unternehmens (sogenannter Factor) unter vollständiger Übernahme des Delkredererisikos. Dabei steht - anders als bei der Übertragung einer Forderung zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung - das wirtschaftliche Geschäft des endgültigen Ver- bzw. Ankaufs von Forderungen im Vordergrund. Hier besorgt der Erwerber, indem er die zu übernehmenden Forderungen prüft und im Anschluss an den Erwerb einzieht, keine fremden, sondern ausschließlich eigene Angelegenheiten. [26] Hierfür ist maßgeblich, ob das wirtschaftliche Ergebnis der Einziehung dem Abtretenden zukommen soll, wobei nicht allein auf den Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung, sondern auf die gesamten ihr zugrunde liegenden Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang abzustellen ist, also auf eine wirtschaftliche Betrachtung, die eine Umgehung des Gesetzes durch formale Anpassung der geschäftsmäßigen Einziehung an den Gesetzeswortlaut und die hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze vermeidet. Entscheidend ist, ob die Forderung einerseits endgültig - also ohne die Möglichkeit der Rückbelastung - auf den Erwerber übertragen wird und dieser andererseits insbesondere das Delkredererisiko, das heißt das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung, übernimmt.“ Jura Intensiv Auch soweit die Klägerin ihr im Wege des unechten Factorings abgetretene Forderungen einzieht, stellt dies keine Inkassodienstleistung i.S.v. § 2 II 1 RDG dar. Zwar sind die der Klägerin insoweit abgetretenen Forderungsteile als für sie wirtschaftlich fremd anzusehen, weil das Ausfallrisiko in diesem Umfang vereinbarungsgemäß bei dem Factoringkunden verbleibt. Jedoch betreibt die Klägerin die Einziehung der ihr im Wege des unechten Factorings abgetretenen Forderungen nicht „als eigenständiges Geschäft“ und damit nicht als Inkassodienstleistung. Ein eigenständiges Geschäft i.S.v. § 2 II 1 RDG liegt vor, wenn die Forderungseinziehung innerhalb einer ständigen haupt- oder nebenberuflichen Inkassotätigkeit oder außerhalb einer solchen nicht lediglich als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit erfolgt. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2018 Referendarteil: Zivilrecht 307 Nach der Rechtsprechung des BGH ist nämlich das unechte Factoring den Kreditgeschäften zuzuordnen. Ist die abgetretene Forderung nicht betreibbar, wird der Factoringkunde nach Maßgabe des Factoringvertrages auf Erstattung des Kredits, der in der Bevorschussung der Forderung liegt, in Anspruch genommen. Die Forderungsabtretung, die erfüllungshalber erfolgt (§ 364 II BGB), dient dabei der Sicherung der Ansprüche des Factoring- Unternehmens aus diesem Geschäft. Daher unterfallen der Erwerb und die Einziehung einer im Wege des unechten Factoring abgetretenen Forderung nicht dem Anwendungsbereich des RDG, weil die Gewährung eines Kredits im Vordergrund steht und die Vorfinanzierung für den Factoring-Kunden der entscheidende Vorteil des Factoring-Geschäfts sei. Allerdings ist nicht stets ausgeschlossen, dass ein Factoring-Unternehmen die Forderungseinziehung als „eigenständiges Geschäft“ im Sinne von § 2 II Satz 1 RDG vornimmt. Unter besonderen Umständen kann die Einziehung der abgetretenen Forderung das Hauptgeschäft des Factoring-Unternehmens bilden. Dabei hängt die Beurteilung, ob sich der Forderungseinzug durch das Factoring-Unternehmen als eigenständiges Geschäft oder lediglich als Nebenleistung dargestellt, vom Inhalt der Tätigkeit ab, der unter anderem maßgeblich durch die - objektiv zu beurteilende - Bedeutung der Rechtsfrage für den Rechtssuchenden bestimmt wird. Jedoch ist die Klägerin nach dem Inhalt des Factoringvertrages weder verpflichtet, Rechtsfragen, wie etwa den Bestand und die Durchsetzbarkeit der ihr abgetretenen Forderungen, zu klären, noch ist eine Verpflichtung der Klägerin zum Inkasso Vertragsgegenstand. Erhebt ein Schuldner der MSI Einwendungen gegen die geltend gemachte Forderung, ist die Klägerin nach Nr. 15.6 Satz 3 des Factoringvertrages „zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet, bestrittene Forderungen oder Forderungsteile weiterzuverfolgen“. Der Kern und der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin liegen daher insgesamt auf wirtschaftlichem Gebiet. Der Forderungsabtretung an die Klägerin steht auch nicht das zwischen der MSI und der Beklagten in ihrem Rahmenvertrag vom 07.05.2013 vereinbarte Abtretungsverbot entgegen. Jura Intensiv Ist die Abtretung einer Geldforderung durch Vereinbarung mit dem Schuldner gem. § 399 Alt. 2 BGB ausgeschlossen, so ist die Abtretung gem. § 354a I 1 Alt. 1 HGB gleichwohl wirksam, wenn das Rechtsgeschäft, das diese Forderung begründet hat, für beide Teile ein Handelsgeschäft ist. So ist es hier, denn die streitgegenständliche Forderung beruht auf einem beiderseitigen Handelsgeschäft der MSI mit der Beklagten (§ 6 I, §§ 343, 344 I HGB). Auch wenn der Schuldner gem. § 354a I 2 HGB wahlweise befugt ist, nicht nur an den neuen, sondern - ebenfalls mit schuldbefreiender Wirkung - auch an den bisherigen Gläubiger zu leisten, hatte die Zahlung der Beklagten an die MSI gleichwohl keine schuldbefreiende Wirkung, weil die Beklagte auf diese Befugnis wirksam verzichtet hat. Dies liegt in der Unterzeichnung des im Schreiben der Klägerin vom 02.05.2013 enthaltenen Zusatzes „Bitte bestätigen Sie den Erhalt/Akzeptanz des Schreibens sowie dass alle zukünftigen Zahlungen an das Konto der [Klägerin] geleistet werden […]“. Unechtes Factoring ist ein Kreditgeschäft, BGH, Urteil vom 03.05.1972, II ZR 190/99 und vom 27.11.2000, II ZR 190/99 Forderungsabtretung erfolgt hier lediglich erfüllungshalber RDG nicht anwendbar, da Darlehensgewährung im Vordergrund steht Vgl. hierzu Staudinger/Mülbert, BGB, § 488, Rn 716b. Zur Abtretung einer Forderung eines Unfallgeschädigten auf Erstattung von Sachverständigenkosten an den beauftragten KfZ-Sachverständigen und die Weiterabtretung der Forderung an ein Factoring-Unternehmen: BGH, Urteil vom 21.10.2014, VI ZR 507/13, Rn 12; zu abgetretenen Schadensersatz-Ansprüchen von Kapitalanlegern: BGH, Urteil vom 30.10.2012, XI ZR 324/11, Rn 28 Die Klägerin muss im Verhältnis zur Zedentin weder Rechtsfragen klären noch die Forderung wirklich eintreiben. Ihre Tätigkeit hat einen wirtschaftlichen Schwerpunkt. Ein nach § 399 BGB wirksames Abtretungsverbot ist nach § 354a HGB unbeachtlich (Abtretung also wirksam), wenn die Forderung aus beiderseitigem Handelsgeschäft stammt. Grund: Erhaltung der Liquidität im Handelsverkehr Dann aber besteht ein Wahlrecht des Schuldners, an wen er leistet. Auch eine Leistung an den Zedenten, der eigentlich nicht abtreten durfte, hat dann befreiende Wirkung. Hier hat der Beklagte auf das Recht, auch an Zedenten zu zahlen, verzichtet. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats