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RA Digital - 06/2018

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310 Nebengebiete

310 Nebengebiete RA 06/2018 LÖSUNG A. Anspruch auf Entschädigung gem. § 15 II AGG T könnte gegen A einen Anspruch auf Entschädigung gem. § 15 II AGG wegen Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters, der ethnischen Herkunft und wegen des Geschlechts gem. § 7 I i.V.m. § 1 AGG haben. I. Anwendbarkeit des AGG 1. Persönlicher Anwendungsbereich, § 6 AGG Gem. § 6 AGG findet das AGG Anwendung für Arbeitgeber und Beschäftigte. A ist Arbeitgeber. T ist jedoch nur Bewerberin. Gem. § 6 I S. 2 AGG gelten jedoch auch Bewerber als Beschäftigte i.S.d. AGG. Altersdiskriminierung: Unterscheidung zwischen der Beschreibung der Stelle und derjenigen des Unternehmens Informa- Unternehmensbezogene tionen sind zulässig 2. Sachlicher Anwendungsbereich, § 2 AGG Zudem müsste das AGG auch sachlich anwendbar sein. Gem. § 2 I Nr. 1 AGG findet das AGG auch auf die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen Anwendung, sodass das Benachteiligungsverbot auch für das Einstellungs- und Bewerbungsverfahren greift. Das AGG ist demzufolge sachlich anwendbar. II. Verstoß gg. Benachteiligungsverbot § 7 I AGG i.V.m. § 1 AGG Des Weiteren müsste A gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 I AGG i.V.m. § 1 AGG verstoßen haben. § 7 I AGG verbietet die Benachteiligung eines Beschäftigten wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Gem. § 11 AGG darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 1 AGG ausgeschrieben werden. Das BAG hat in keiner der Formulierungen aus der Stellenanzeige ein Indiz für eine Benachteiligung gesehen und die Klage auf Entschädigung abgewiesen. Zu der angeblichen Altersdiskriminierung trifft das BAG folgende Unterscheidung: Sofern eine Stellenausschreibung eine Tätigkeit in einem „jungen dynamischen Team“ verspreche, könne dies ein Indiz für eine unmittelbare Diskriminierung wegen Alters sein, da der Begriff „jung“ unmittelbar an das Lebensalter geknüpft sei. Denn ein solcher Hinweis könne von einem Bewerber nur so verstanden werden, dass ein Arbeitnehmer gesucht werde, der ebenso jung und dynamisch sei. Die streitgegenständliche Stellenausschreibung war jedoch in einem entscheidenden Punkt anders: Als „jung und dynamisch“ wurde vorliegend nicht das Team beschrieben, sondern das Unternehmen. Eine solche sog. „unternehmensbezogene Information“ ist laut BAG nicht zu beanstanden. Das Unternehmen sei nun mal – da vor gut zehn Jahren gegründet – jung. Ausdrücklich weist das Gericht darauf hin, die Bewertung könne sich ändern, wenn es sich um ein länger bestehendes Unternehmen handele. Dann würden sich die Attribute „jung“ und „dynamisch“ zwangsläufig auf etwas anderes beziehen als auf das Unternehmensalter; nämlich möglicherweise – dies führt das BAG allerdings nicht ausdrücklich aus – auf das gewünschte Alter des Bewerbers. Auch die weiteren Inhalte der Stellenbeschreibung würden nicht auf eine Benachteiligung wegen Alters hinweisen. Dass das Unternehmen „agil und mit modernen Werkzeugen“ entwickle, sei lediglich eine Beschreibung der Arbeitsweise und daher altersneutral. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2018 Nebengebiete 311 Indizien für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts erkennt das BAG – im Einklang mit seiner ständigen Rechtsprechung – ebenfalls nicht: Durch den Klammerzusatz „(m/w)“ werde hinreichend deutlich, dass Männer und Frauen gleichzeitig angesprochen werden sollten. Die Bezeichnung der Stelle als Vollzeitstelle sei ebenfalls kein Indiz, da der Arbeitgeber lediglich zu verstehen gebe, dass sich die Stelle nicht für Teilzeit eigne. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass Frauen möglicherweise häufiger an einer Teilzeitstelle interessiert sind und häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer. Dies erlaube keinen Rückschluss auf eine Präferenz des Arbeitgebers für männliche Bewerber. Nach der Systematik des AGG ist jede Benachteiligung im Hinblick auf jeden in § 1 AGG aufgeführten einzelnen Grund gesondert zu überprüfen. Dies findet seine Bestätigung in § 4 AGG, der die unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer Gründe iSv. § 1 AGG regelt, dabei allerdings keine neue, aus der Kombination mehrerer dieser Gründe resultierende Diskriminierungskategorie schafft, die sich dann feststellen ließe, wenn eine Diskriminierung wegen dieser Gründe – einzeln betrachtet – nicht nachgewiesen ist. Nach § 4 AGG kann eine unterschiedliche Behandlung, die wegen mehrerer der in § 1 AGG genannten Gründe erfolgt, nach den §§ 8 bis 10 und 20 AGG nur gerechtfertigt werden, wenn sich die Rechtfertigung auf alle diese Gründe erstreckt, derentwegen die unterschiedliche Behandlung erfolgt. Die Vorschrift berücksichtigt den Umstand, dass bestimmte Personengruppen typischerweise der Gefahr der Benachteiligung aus mehreren Gründen iSv. § 1 AGG ausgesetzt sind und stellt deshalb klar, dass jede Ungleichbehandlung für sich auf ihre Rechtfertigung hin zu prüfen ist. Ist eine unterschiedliche Behandlung möglicherweise im Hinblick auf einen der in § 1 AGG genannten Gründe gerechtfertigt, liegt darin nicht zugleich die Rechtfertigung einer Benachteiligung wegen eines anderen in § 1 AGG genannten – ebenfalls vorliegenden – Grundes (BT-Drs. 16/1780 S. 33). In dieser Auslegung entspricht § 4 AGG den unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. EuGH 24. November 2016 – C-443/15 – [Parris] Rn. 79 ff.; BAG 26. Januar 2017 – 8 AZR 848/13 – Rn. 36; 15. Dezember 2016 – 8 AZR 418/15 – Rn. 50). Jura Intensiv B. Anspruch auf Entschädigung gem. § 823 I BGB i.V.m. Art. 2 I, Art. 1 I GG Auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin könne einen Entschädigungsanspruch wegen einer Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht mit Erfolg auf § 823 I BGB iVm. Art. 2 I, Art. 1 I GG stützen, hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Geschlechterdiskriminierung: Der Umstand, dass eine Stelle nicht geeignet ist für Teilzeit, stellt an sich noch keine Benachteiligung von Frauen dar. Eine deutliche Absage erteilt das BAG der These, es könne auch allein aufgrund des Zusammenspiels der Gründe „Alter“, „Geschlecht“ und „ethnische Herkunft“ von einer vom AGG verbotenen „intersektionellen Benachteiligung“ ausgegangen werden. Nach der Systematik des AGG ist jede Benachteiligung im Hinblick auf den einzelnen Grund gesondert zu prüfen. Eine neue, aus der Kombination mehrerer Gründe resultierende Diskriminierungskategorie, die sich dann feststellen ließe, wenn eine Diskriminierung wegen dieser Gründe – einzeln betrachtet – nicht nachgewiesen ist, ist im AGG systemfremd. Prüfungen nicht auf das AGG beschränken! Denken Sie stets auch an das allgemeine Persönlichkeitsrecht. § 823 I BGB verbietet nicht nur eine widerrechtliche Verletzung der in dieser Bestimmung ausdrücklich aufgeführten, besonders geschützten Rechtsgüter, ua. der Gesundheit. Auch das durch Art. 2 I iVm. Art. 1 IGG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht ist als „sonstiges Recht“ iSv. § 823 I BGB anerkannt. Seine widerrechtliche Verletzung kann demnach Schadensersatzansprüche auslösen. Allerdings ist zu beachten, dass die Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wegen seiner Eigenart als Rahmenrecht nicht absolut festliegt, sondern grundsätzlich erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden muss. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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