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RA Digital - 06/2018

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316 Öffentliches Recht

316 Öffentliches Recht RA 06/2018 Art. 74 I Nr. 20 GG Art. 72 II GG: Wahrung der Wirtschaftseinheit. Bundesgesetz erforderlich, um bundesweit einheitliche Information zu gewährleisten „[23] Für die Regelung der Informationstätigkeit der Behörden im Bereich des Lebensmittel- und Futtermittelrechts hat der Bund das Recht der Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG. Die bundesrechtliche Regelung der Öffentlichkeitsinformation ist zur Wahrung der Wirtschaftseinheit erforderlich im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG, weil sie die Einheitlichkeit und Verständlichkeit der Information für ein bundesweites Marktgeschehen sichert. Eine solche Transparenz ist Voraussetzung für das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in die Informationen.“ Somit ist § 40 Ia LFGB formell verfassungsgemäß. Aufklärung der Konsumenten (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 2) Generalprävention (vgl. BT-Drs. 17/12299, S. 7) Geeignetheit = Zweckförderlichkeit Verfassungskonforme Auslegung des § 40 Ia LFGB: Behörde muss auch über Beseitigung von Verstößen informieren. Alternativer Prüfungsstandort: Angemessenheit Enge Auslegung des Tatbestandsmerkmals „hinreichend begründete Verdacht“ b) Materielle Verfassungsmäßigkeit des § 40 I a LFGB Materiell-rechtlich ist allein die Vereinbarkeit des § 40 Ia LFGB mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip fraglich. aa) Legitimer Zweck „[32] Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll die Regelung vor allem eine hinreichende Grundlage für eigenverantwortliche Konsumentscheidungen der Verbraucher schaffen. Daneben wird die Funktion des § 40 Abs. 1a LFGB hervorgehoben, zur Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittel- und Futtermittelrechts beizutragen. Der drohende Nachteil der Informationsverbreitung soll das einzelne Unternehmen dazu veranlassen, den Betrieb im Einklang mit den lebensmittel- oder futtermittelrechtlichen Vorschriften zu betreiben. […]“ Damit verfolgt § 40 Ia LFGB legitime Zwecke. bb) Geeignetheit Geeignet ist eine staatliche Maßnahme, wenn sie die Realisierung des verfolgten Zwecks fördert. Die in § 40 Ia LFGB normierte Informationspflicht ist in diesem Sinne grundsätzlich zweckförderlich. Jura Intensiv „[39] […] Zur Sicherstellung der Eignung müssen die Behörden bei der Rechtsanwendung allerdings von Verfassungs wegen weitere Vorkehrungen treffen, um die Richtigkeit der Information zu sichern und Fehlvorstellungen der Verbraucher zu vermeiden. [40] Die zuständigen Behörden müssen die Information mit der Mitteilung verbinden, ob und wann ein Verstoß behoben wurde. Dies ist verfassungsrechtlich unerlässlich. Ansonsten wäre die Veröffentlichung des Verstoßes zur Erreichung des Informationsziels nicht geeignet, weil die Fehlvorstellung entstehen könnte, der Verstoß bestehe fort. Für die Verbraucherentscheidung wird es regelmäßig eine Rolle spielen, ob und wie schnell ein Verstoß abgestellt wurde. [41] Zwar sieht das Gesetz eine solche Mitteilung nicht ausdrücklich vor. Es steht ihr jedoch auch nicht entgegen. Die zuständigen Behörden haben die Regelung insoweit verfassungskonform anzuwenden. […] [42] Um zu verhindern, dass Informationen verbreitet werden, die nicht richtig und damit zur Erreichung der Gesetzeszwecke ungeeignet sind, darf außerdem von der nach § 40 Abs. 1a LFGB bestehenden Möglichkeit, Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2018 Öffentliches Recht 317 die Öffentlichkeit bereits im Fall des hinreichend begründeten Verdachts eines Verstoßes zu informieren, nur unter strengen Voraussetzungen Gebrauch gemacht werden. [44] Damit […] auch vor der bestandskräftigen Feststellung eines Verstoßes möglichst nur solche Informationen veröffentlicht werden, die sich auch nachträglich noch als richtig erweisen, sind an die Tatsachengrundlage des Verdachts von Verfassungs wegen hohe Anforderungen zu stellen. Dem wird § 40 Abs. 1a LFGB bei entsprechender Anwendung gerecht. § 40 Abs. 1a LFGB verlangt einen hinreichend begründeten Verdacht. Ein in tatsächlicher Hinsicht unaufgeklärter Verdacht der Behörde genügt nicht. […]“ Alternativer Prüfungsstandort: Angemessenheit Unter Beachtung dieser Einschränkungen ist § 40 Ia LFGB geeignet. cc) Erforderlichkeit Erforderlich ist eine staatliche Maßnahme, wenn es kein milderes, gleich geeignetes Mittel gibt. Als Alternative zur normierten staatlichen Informationspflicht kommt eine Information bzw. Warnung durch das betroffene Unternehmen selbst (sog. Selbsteintritt) in Betracht. „[47] Ein Selbsteintrittsrecht wäre zwar ein milderes Mittel als die behördliche Information, wäre aber nicht ebenso effektiv. Insbesondere birgt es die Gefahr lückenhafter Verbraucherinformation.“ Somit ist § 40 Ia LFGB auch erforderlich. dd) Angemessenheit Angemessen bzw. verhältnismäßig im engeren Sinne ist eine Norm, wenn der mit ihr verfolgte Zweck nicht außer Verhältnis zur Schwere des Grundrechtseingriffs steht. „[49] […] Die angegriffene Regelung verfolgt wichtige Ziele [s.o. aa)]. Im Grundsatz ist es angemessen, die Interessen der Unternehmen im Fall eines im Raum stehenden Rechtsverstoßes hinter die Schutz- und Informationsinteressen der Verbraucherinnen und Verbraucher zurücktreten zu lassen. Dass die Rechtsverstöße nicht notwendig mit einer Gesundheitsgefährdung verbunden sind, steht dem nicht entgegen, weil auch der Schutz vor Täuschung und der Nichteinhaltung hygienischer Anforderungen und die Ermöglichung eigenverantwortlicher Konsumentscheidungen legitime Zwecke des Verbraucherschutzes sind. Jura Intensiv [50] Im Ergebnis stehen die mit der Regelung einhergehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen auch nicht deshalb außer Verhältnis zu den Zwecken des Gesetzes, weil sich die Veröffentlichungspflicht nicht auf den Verstoß gegen kataloghaft herausgehobene Tatbestände beschränkt und der Behörde kein Ermessen eingeräumt ist, das sie nutzen könnte, um die Veröffentlichung auf hinreichend gewichtige Fälle zu beschränken. Die Regelung knüpft die Veröffentlichungspflicht an Tatbestandsvoraussetzungen, die so angewendet werden können und müssen, dass nur über Verstöße von hinreichendem Gewicht informiert wird. Erforderlichkeit = Suche nach Alternativlösungen Selbsteintritt nicht gleich effektiv (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 20) § 40 Ia LFGB verfolgt wichtige Ziele Gesundheitsgefährdung keine zwingende Voraussetzung Verfassungskonforme Auslegung und Anwendung möglich © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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