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RA Digital - 06/2019

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310 Öffentliches Recht

310 Öffentliches Recht RA 06/2019 zum rechtlichen Elternteil adoptiert und damit zugleich gemeinschaftliches Kind beider Elternteile zu werden, mit denen es in nichtehelicher Stiefkindfamilie zusammenlebt.“ II. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung Die Ungleichbehandlung könnte gerechtfertigt sein. Grds. sachlicher Grund erforderlich (vgl. Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn 493; Schildheuer, JURA INTENSIV, Grundrechte, Rn 859) Vorstellung des historischen Gesetzgebers im Jahr 1975 Sachlicher Grund: Schutz des Kindeswohls Anforderungen an den sachlichen Grund = Prüfungsmaßstab Prüfungsmaßstab: Bloße Willkürprüfung oder strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung. Kriterien: • Sind auch Freiheitsrechte betroffen? • Beeinflussbarkeit des Unterscheidungsmerkmals? • Nähe des Unterscheidungsmerkmals zu Art. 3 III GG? Lesenswert zum Prüfungsmaßstab: Schildheuer, JURA INTENSIV, Grundrechte, Rn 873-880 Subsumtion Betroffenheit von Freiheitsrechten Art. 2 I i.V.m. Art. 6 II 1 GG vermittelt dem Kind einen Anspruch gegen den Staat, elterliche Hinwendung zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 133, 59, 74f.). Art. 6 I GG schützt auch nichteheliche Familien (Schildheuer, JURA INTENSIV, Grundrechte, Rn 420). 1. Anforderungen an die Rechtfertigung Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen das der Fall ist. Grundsätzlich verbietet das GG nur die grundlose Ungleichbehandlung, will aber nicht eine absolute Gleichheit erzwingen. Ansonsten wäre Art. 3 II, III GG, der eine Ungleichbehandlung nur aus bestimmten Gründen verbietet, überflüssig. Gerechtfertigt ist die Ungleichbehandlung daher grundsätzlich dann, wenn für sie ein sachlicher Grund besteht. „[78] Der Gesetzgeber verband mit der Beschränkung der Adoption auf verheiratete Paare die Erwartung, ein adoptiertes Kind wachse in einer ehelichen Familie unter günstigeren familiären Bedingungen auf als in einer nichtehelichen Familie. […]“ Sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung ist also „[78] […] verhindern zu wollen, dass ein Kind durch Adoption in eine unzulängliche Lebenssituation hineingelangt.“ Dieser sachliche Grund muss weiterhin dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen Rechnung tragen, was zu der Frage führt, wie streng der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab zu formulieren ist. „[64] […] Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern. [67] Berührt ist zum einen das Recht der Kinder auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG […]. Die Verwehrung der Adoption durch einen nichtehelichen Lebenspartner schließt aus, dass dieser die Sorge für die Entfaltung des Kindes in vollem Umfang übernehmen kann. Die mit der Verwehrung der rechtlich vollwertigen Elternstellung verbundenen Beschränkungen elterlicher Befugnisse erschweren zum anderen das durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte familiäre Zusammenleben des Kindes mit seinen Eltern, weil sie einer gleichberechtigten Wahrnehmung der Elternverantwortung durch beide Partner entgegenstehen […]. [71] […] Selbst wenn das Kind jahrelang in einer Familie mit dem Stiefelternteil gelebt und ihn faktisch als Elternteil wahrgenommen hat, sieht das Recht für diese Konstellation außer dem Umgangsrecht nach Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2019 Öffentliches Recht 311 § 1685 Abs. 2 BGB keine besonderen Beziehungen zwischen Kind und Stiefelternteil vor. Auch eine Verbleibensanordnung nach § 1682 BGB ist ausgeschlossen. […] [75] Zwar eröffnet sich die Adoptionsmöglichkeit einer Stiefkindfamilie, sobald die Eltern miteinander die Ehe eingehen. Für die Kinder ist das Kriterium der Ehelichkeit jedoch nicht verfügbar. Es liegt allein in der Macht des Elternteils und des Stiefelternteils, die Ehe zu schließen. Die Kinder haben keinen Einfluss darauf, die Eheschließung als Voraussetzung für die Adoption herbeizuführen. […]“ Demnach unterliegt der Gesetzgeber einer strengeren Bindung, d.h. die umstrittenen Normen müssen einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten. 2. Verhältnismäßigkeit Legitimes Ziel des Gesetzgebers ist einerseits zu verhindern, dass ein Kind unter ungünstigen familiären Bedingungen aufwachsen muss. Dieses Ziel kann jedoch „[82] […] durch die Verhinderung der Adoption von vornherein nicht erreicht werden. Das Kind lebt dann […] in aller Regel bereits mit dem Eltern- und dem Stiefelternteil in einer konkreten […] Familie. Sofern der rechtliche Elternteil des Kindes mit dem Stiefelternteil nicht verheiratet ist, steht dem Kind die eheliche Familie schlicht nicht zur Verfügung. Ob eine eheliche Familie dem Stiefkind günstigere Bedingungen böte, spielt darum insoweit keine Rolle. [86] Ein weiteres Ziel des Gesetzes ist es, dafür zu sorgen, dass ein Kind nur in möglichst stabilen Familienverhältnissen adoptiert wird, in denen die Beziehung zwischen Eltern- und Stiefelternteil Aussicht auf längeren Bestand hat. […] [93] Generell wird die Stiefkindadoption zwar gerade auch mit Blick auf eine denkbare Trennung der Eltern für kindeswohlförderlich gehalten […], weil die Adoption verhindert, dass die Beziehung des Kindes zum neuen Elternteil im Fall einer elterlichen Trennung jegliche Grundlage verliert. Im Einzelfall könnte aber eben dieser rechtliche Fortbestand des Eltern-Kind-Verhältnisses zum Stiefelternteil für das Kind zur Belastung werden. […] Denkbar ist das insbesondere, wenn die Paarbeziehung der Eltern zerbricht, ohne dass zwischen Kind und annehmendem Elternteil eine eigenständige, dauerhaft tragfähige Eltern-Kind-Beziehung entstanden wäre. […] [94] Vor diesem Hintergrund ist es verfassungsrechtlich legitim, eine Stiefkindadoption nur im Rahmen einer Stabilität versprechenden Paarbeziehung zulassen zu wollen, um die gerade mit der Verrechtlichung der Eltern-Kind-Beziehung möglicherweise verbundene Belastung des Kindes nach einer Trennung der Eltern zu begrenzen. […]“ Jura Intensiv Das vom Gesetzgeber gewählte Mittel muss zur Erreichung dieses Ziels geeignet, d.h. zweckförderlich sein. „[96] Sind die Eltern die Ehe eingegangen, spricht dies für einen über einen kurzfristigen Beziehungswunsch hinausgehenden Bindungswillen und damit für die Stabilität der Beziehung. Daher ist verfassungsrechtlich nichts dagegen einzuwenden, dass der Gesetzgeber im Adoptionsrecht die Ehelichkeit der Elternbeziehung als Indikator für Stabilität verwendet. […] Beeinflussbarkeit des Unterscheidungsmerkmals Fazit: Strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung Ziel: Schutz des Kindes vor ungünstigen familiären Bedingungen Aber: Verhinderung der Adoption zur Zielerreichung ungeeignet, weil Kind bereits in der Familie lebt. Weiteres legitimes Ziel: Gewährleistung stabiler Familienverhältnisse Geeignetheit Ehe = Indikator für Stabilität der Beziehung © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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