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RA Digital - 06/2020

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290 Zivilrecht

290 Zivilrecht RA 06/2020 LÖSUNG A. Anspruch des K gegen B auf Erstattung der von ihm gezahlten Grundsteuer aus § 8 des Mietvertrages gem. § 535 BGB i. V. m. §§ 133, 157 BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Erstattung der von ihm gezahlten Grundsteuer aus § 8 des Mietvertrages gem. § 535 BGB i. V. m. §§ 133, 157 BGB haben. Dann muss zwischen K und B sowohl ein Mietvertrag als auch eine wirksame Vereinbarung bestehen, die K die Überwälzung der Grundsteuer auf B gestattet. I. Mietvertrag Am Abschluss des Mietvertrages bestehen keine Zweifel. Weil es sich um eine im Sinne des § 305 I 3 BGB individuell ausgehandelte, einzelvertragliche Klausel handelt, finden die §§ 305 ff. BGB keine Anwendung. Für die Einbeziehung in den Vertrag gelten die Regeln des BGB AT. Das Gesetz bestimmt, dass der Vermieter alle Lasten trägt. Jedoch sind aufgrund der Vertragsfreiheit Abweichungen durch Vereinbarung der Parteien gestattet, BGH, Urteil vom 02.05. 2012, XII ZR 88/10. Zur Anwendbarkeit des § 556 BGB: BGH, Urteil vom 27.01.2010, XII ZR 22/07 Zur konkludent getroffenen Vereinbarung: BGH, Urteil vom 10.09.2014, XII ZR 56/11 Zu dieser großzügigen Auslegung, OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.02.2018, 2 U 142/17 So das OLG Celle, Urteil vom 09.11.2018, 2 U 81/19, RA 2019, 21 ff. II. Einbeziehung der Klausel in den Mietvertrag § 8 des Mietvertrages wurde zwischen den Parteien individuell ausgehandelt. Folglich handelt es sich bei § 8 des Mietvertrages um eine einzelvertragliche Klausel. Solche werden nach den allgemeinen Regeln gem. §§ 145 ff. BGB Vertragsbestandteil. Indem sich K und B auf den Inhalt und die Gültigkeit der Klausel durch Angebot und Annahme geeinigt haben, wurde die Klausel auch Vertragsbestandteil. III. Auslegung der Klausel Fraglich ist, ob diese Klausel die Überwälzung der Grundsteuer auf den Mieter gestattet. [13] Nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Der Vermieter hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen (§ 535 Abs. 1 Satz 3 BGB). Dazu gehören auch die Betriebskosten. Das Gesetz geht mithin davon aus, dass der Vermieter die aus der Gebrauchsgewährung herrührenden Kosten in die Miete einkalkuliert und diese mit dem vereinbarten Mietentgelt abgegolten werden. Abweichungen hiervon bedürfen der Vereinbarung, zu deren Inhalt § 556 BGB nur für die Wohnraummiete gesetzliche Vorgaben enthält und die auch konkludent getroffen werden kann. Jura Intensiv Fraglich ist aber, ob die vorliegende schuldrechtliche Vereinbarung zur Betriebskostenumlage hinreichend bestimmt ist, um eine Überwälzung der Grundsteuer auf den Mieter zuzulassen. Hiergegen könnte sprechen, dass in Satz 1 der Vereinbarung dem Mieter „sämtliche“ Betriebskosten überwälzt werden, worauf in Satz 2 eine beispielhafte Aufzählung folgt, welche allerdings gerade die Grundsteuer nicht enthält. Man kann der Auffassung sein, dass Begriffe wie Nebenkosten, Betriebskosten oder umlagefähige Nebenkosten so sehr im allgemeinen Sprachgebrauch verfestigt sind, dass der Mieter auch ohne Hinweis auf § 2 Betriebskostenverordnung oder Anlage 3 zu § 27 der II. Berechnungsverordnung weiß, welche Kosten gemeint sind, sodass der Begriff „sämtliche“ Betriebskosten genüge, um die Grundsteuer auf den Mieter zu überwälzen. Man kann auch der Auffassung sein, dass es allein aufgrund der Formulierung „sämtliche“ Betriebskosten dem Mieter nicht möglich sei, sich ein grobes Bild davon zu machen, welche zusätzlichen Kosten auf ihn zukommen werden. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2020 Zivilrecht 291 [14] Wie jede schuldrechtliche Vereinbarung muss diejenige über eine Betriebskostenumlage bestimmt oder zumindest bestimmbar sein, um wirksam zu sein (…) Weitergehende Anforderungen an die Transparenz einer individualvertraglichen Betriebskostenvereinbarung bestehen hingegen nicht, anders als bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wo es wegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB einer ausdrücklichen, inhaltlich bestimmten Regelung bedarf, damit der Mieter sich zumindest ein grobes Bild davon machen kann, welche zusätzlichen Kosten auf ihn zukommen können. Denn bei einer einzelvertraglichen Regelung bedarf keine Vertragspartei des Schutzes davor, dass ihr mittels vorformulierter Vertragsbedingungen ihrem Umfang nach nicht durchschaubare Pflichten auferlegt werden und auf diese Weise die Entschließungsfreiheit beim Abschluss des Vertrags eingeschränkt wird. Deshalb stellt sich hier - von den Fällen des § 138 BGB abgesehen - nicht die von § 307 BGB aufgeworfene Frage einer entgegen den Geboten von Treu und Glauben erfolgenden unangemessenen Benachteiligung. Soweit dem Senatsurteil vom 2. Mai 2012 (XII ZR 88/10 - NJW-RR 2012, 1034 Rn. 14) etwas anderes entnommen werden könnte, hält der Senat daran nicht fest. [15] Ob eine Betriebskostenart durch eine entsprechende Individualvereinbarung auf den Mieter umgelegt ist, ist durch Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Während bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung geboten ist (…), ist bei der Auslegung von einzelvertraglichen Vereinbarungen nach §§ 133, 157 BGB der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen. Bei seiner Willenserforschung hat der Tatrichter aber auch den mit der Absprache verfolgten Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können. [18] Unzutreffend ist bereits der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, das für die wirksame Umlage der Betriebskosten eine ausdrückliche und inhaltlich bestimmte Regelung fordert, die es dem Mieter ermöglicht, sich zumindest ein grobes Bild davon zu machen, welche zusätzlichen Kosten auf ihn zukommen können, und die streitgegenständliche Formulierung daher unter Transparenzgesichtspunkten prüft. Denn damit legt es den für die Überprüfung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gültigen Maßstab an, obwohl die Vertragsparteien nach den im Revisionsverfahren nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen eine einzelvertragliche Vereinbarung geschlossen haben [19] Darüber hinaus wird die Auslegung des Berufungsgerichts dem Wortlaut der vertraglichen Bestimmung und hierbei insbesondere dem darin verwendeten Begriff der „Betriebskosten“ nicht gerecht. [20] Ist ein von den Vertragsparteien verwendeter Rechtsbegriff gesetzlich definiert, so kann für die Auslegung regelmäßig auf diese Definition zurückgegriffen werden, wenn sich kein übereinstimmendes abweichendes Begriffsverständnis der Parteien feststellen lässt (…). Jura Intensiv Individuelle Vereinbarungen müssen bestimmt sein, unterliegen aber nicht dem Transparenzgebot der §§ 305c, 307 BGB. Entscheidender Aspekt des Urteils: Der Senat formuliert die Unterschiede hinsichtlich der Bestimmtheit zwischen einer AGB und einer einzelvertraglichen Vereinbarung. Insbesondere stellt er den Inhalt einer vorherigen Entscheidung klar. Entscheidender Aspekt des Urteils: Auf den Willen der Parteien kommt es an, nicht auf eine objektive Auslegung. Anforderungen an den Tatrichter Der XII. Senat des BGH rügt, dass das OLG Celle bei der tatrichterlichen Auslegung der Klausel den falschen Maßstab angelegt hat, nämlich den zur Überprüfung einer AGB auf die gebotene Transparenz. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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