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RA Digital - 06/2021

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294 Zivilrecht

294 Zivilrecht RA 06/2021 Grundlegende Entscheidung zur Duldungspflicht, BGH, Urteil vom 10.11.2006, BGH V ZR 46/06 Das Erlöschen des Einverständnisses lässt die Rechtswidrigkeit der Störung beginnen. [6] Die Aufstellung der Container durch die Beklagte auf dem Grundstück der Klägerin im Auftrag der Firma M. stellt zwar noch keine rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung dar. Der Grundstückseigentümer ist verpflichtet, auf seinem Grundstück das Abstellen von Gegenständen durch einen Dritten zu dulden (§ 1004 Absatz 2 BGB), wenn dem Grundstücksmieter selber ein solches Recht gegenüber dem Eigentümer zusteht und der Dritte mit dem Einverständnis des Mieters handelt (...). Ein solches Recht der Grundstücksmieterin lag hier vor. Aufgrund der Verpflichtung der Firma M. zur Räumung des Grundstücks ist davon auszugehen, dass die Klägerin damit einverstanden war, dass die Firma M. auf dem Grundstück vorübergehend Abfallcontainer aufstellen lässt und diese mit in der Mietsache befindlichem Holz und Abbruchholz befüllt, um die gefüllten Container anschließend von dem Grundstück abtransportieren zu lassen. Folglich bestand zur Zeit des Aufstellens der Container noch eine aus dem Mietvertrag und dem konsensualen Parteiwillen abzuleitende Duldungspflicht gem. § 1004 II BGB. Das Aufstellen stellte noch keine rechtswidrige Eigentumsstörung dar. 2. Rechtswidrige Eigentumsstörung nach Erlöschen des Mietverhältnisses Fraglich ist, welchen Einfluss das Erlöschen des Mietverhältnisses nach wirksamer Kündigung auf die Rechtswidrigkeit hat. [7] Erlischt aber das Recht des Mieters zum Abstellen von Gegenständen, ist deren weiterer Verbleib auf dem Grundstück durch den Eigentümer nicht mehr zu dulden; ab diesem Zeitpunkt wird dessen Eigentum durch auf dem Grundstück abgestellte Gegenstände rechtswidrig beeinträchtigt. So verhält es sich hier. Spätestens nach der durch den Gerichtsvollzieher durchgeführten Zwangsräumung kann nicht mehr von einem Einverständnis der Klägerin mit einer weiteren Nutzung ihres Grundstücks für die Aufstellung von mit Abfall gefüllten Containern ausgegangen werden. Durch das Zurücklassen der Container auf dem Grundstück der Klägerin wird deren Eigentum daher rechtswidrig beeinträchtigt. Jura Intensiv Eine rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung liegt folglich vor. 3. Störereigenschaft der B Der Anspruch aus § 1004 I BGB auf Beseitigung der Störung muss gegen den Störer gerichtet werden. Dies ist bei B fraglich. B selbst hat die Container nicht befüllt. Fraglich ist deshalb, ob B Zustandsstörerin ist. Definition Zustandsstörer Zurechenbarkeitskriterium Definition der Zurechenbarkeit [9] Zustandsstörer ist derjenige, der die Beeinträchtigung zwar nicht verursacht hat, durch dessen maßgebenden Willen der beeinträchtigende Zustand aber aufrechterhalten wird. Voraussetzung hierfür ist, dass der Inanspruchgenommene die Quelle der Störung beherrscht, also die Möglichkeit zu deren Beseitigung hat. Darüber hinaus muss ihm die Beeinträchtigung zurechenbar sein. Hierzu genügt es nicht, dass er Eigentümer oder Besitzer der Sache ist, von der die Störung ausgeht. Für die erforderliche Zurechnung der Beeinträchtigung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr erforderlich, dass die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2021 Zivilrecht 295 den Willen des Eigentümers oder Besitzers der störenden Sache zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nicht begrifflich, sondern nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden. Entscheidend ist, ob es Sachgründe dafür gibt, dem Eigentümer oder Nutzer der störenden Sache die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen (...). [11] Die durch die auf dem Grundstück der Klägerin befindlichen, mit Abfall gefüllten Container hervorgerufene rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung ist der Beklagten zurechenbar. Der entscheidende Sachgrund für die Zurechnung dieser Störung besteht darin, dass die Beklagte die Abfallcontainer nicht nur angeliefert hatte, sondern sie zugleich gegenüber der Firma M. die Verpflichtung eingegangen ist, die gelieferten Container nach erfolgter Befüllung mit Abfallmaterial wieder abzuholen und den Abfall zu entsorgen. Der Zweck der aufgestellten Container bestand damit gerade in deren Befüllung mit Abfall und deren anschließendem Abtransport durch die Beklagte. Bei der gebotenen wertenden Betrachtung ist es daher dem Verantwortungsbereich der Beklagten zuzurechnen, dass die gefüllten Container nicht abgeholt wurden und deshalb noch auf dem Grundstück der Klägerin stehen. Entgegen der Auffassung der Revision steht der Qualifizierung der Beklagten als Zustandsstörerin nicht entgegen, dass sie die Container in der Erwartung aufgestellt hatte, die Firma M. werde ihrer vertraglich vereinbarten Vergütungspflicht nachkommen, und sich diese Erwartung aufgrund der Insolvenz ihrer Vertragspartnerin nicht erfüllt hat. Daraus mögen der Beklagten gegenüber der Firma M. als ihrer Vertragspartnerin Rechte aus § 320 BGB zustehen. Im Verhältnis zu der als Grundstückseigentümerin betroffenen, außerhalb des Vertragsverhältnisses stehenden Klägerin ändert dies aber nichts daran, dass die Beklagte den derzeitigen Zustand des Grundstücks aufrechterhält, indem sie trotz übernommener Verantwortung für den Abtransport der gefüllten Container diese auf dem Grundstück der Klägerin belässt. Die nichterfüllten Vergütungsansprüche der Beklagten gegenüber ihrer Vertragspartnerin lassen den Sachgrund für die Zurechnung der gegenwärtigen Eigentumsbeeinträchtigung zu dem Verantwortungsbereich der Beklagten nicht entfallen. Jura Intensiv Fraglich ist, ob sich an dieser Bewertung etwas ändert, wenn man den Umstand mitberücksichtigt, dass unbefugte Dritte die Container mit Abfall befüllt haben. [13] Zu Recht geht das Berufungsgericht schließlich davon aus, dass die Beklagte auch insoweit Störerin ist, als - was zu ihren Gunsten für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist - Personen unbefugt Abfall in die Container gefüllt haben. Entgegen der Auffassung der Revision steht einer Zurechnung zum Verantwortungsbereich der Beklagten nicht entgegen, dass der unbefugte Einwurf von Abfall in die Container und dessen Entsorgung nicht von dem Willen der Beklagten gedeckt war. Auch wenn Zweck der Aufstellung der Container nur die Entsorgung von Material der Firma M. war, besteht ein adäquater Zusammenhang mit dem Einwurf von Fremdabfällen. Ein solcher Zusammenhang wäre allerdings ausgeschlossen, wenn die Befüllung der auf dem Grundstück der Klägerin aufgestellten und nicht mehr abgeholten Container durch unbefugte Personen ein besonders eigenartiger, unwahrscheinlicher und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassender Ständige Rechtsprechung des V. Zivilsenates des BGH, Urteil vom 21.09.2012, V ZR 230/11 Entscheidendes Argument für die Zurechenbarkeit: Verpflichtung der B zur Entsorgung des Abfalls Die Einwendungen der B gegenüber M bleiben im Verhältnis zu K unberücksichtigt. Darauf, dass Dritte ihren Abfall in den Containern entsorgten, kommt es hier nicht an. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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