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RA Digital - 06/2021

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296 Zivilrecht

296 Zivilrecht RA 06/2021 Es widerspricht gerade nicht der Lebenserfahrung, dass offene Container von Dritten zur Entsorgung eigener Abfälle missbraucht werden. Im Urteil des BGH finden Sie nur Ausführungen zu § 1004 I BGB. Dies hat folgenden Hintergrund: Im Falle einer Anspruchskonkurrenz muss ein Gericht das der Klage stattgebende Urteil nur auf eine Anspruchsgrundlage stützen. Bei klageabweisenden Urteilen müssen hingegen sämtliche in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen begründet abgelehnt werden. Wir konzentrieren uns auf die Ausführungen des BGH und fassen uns bei den Anspruchsgrundlagen aus §§ 823 I, 249 I BGB sowie aus §§ 823 II, 1004 I BGB kurz. Auf die ebenfalls in einer Klausur anzusprechenden Anspruchsgrundlagen aus § 862 BGB sowie aus §§ 823 II, 858, 859 BGB können wir aus Platzgründen nicht eingehen. Die Ausgangsinstanz (AG Erkelenz, 12.03.2019, 15 C 182/18) lehnte einen Anspruch aus § 862 BGB ab, weil es keine verbotene Eigenmacht erkennen wollte. Bei allen Ansprüchen gilt es, auf die vom BGH getroffene Unterscheidung nach den beiden Zeitpunkten abzustellen, nämlich auf den Moment des Aufstellens der Container und auf den Zeitpunkt nach Erlöschen des Mietverhältnisses. Mit dieser im Urteil getroffenen Unterscheidung ließe sich auch § 862 BGB gut begründen. Zu § 1004 I BGB als Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB: Münch.Komm./Wagner, BGB, § 823 Rn 595, Palandt/Sprau, BGB, § 823 Rn 65 Umstand wäre. Dies verneint das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei. Nach seinen Feststellungen handelt es sich bei den Containern um offene, nicht verschlossene Behältnisse. Das Berufungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass es allgemeiner Lebenserfahrung entspricht, dass Dritte unbefugt Abfall in einen offenen Container einwerfen, wenn dieser zugänglich ist. Daher sind auch die in den Containern befindlichen Fremdabfälle dem Verantwortungsbereich der Beklagten zuzurechnen. Ob eine Zurechnung auch dann zu erfolgen hat, wenn Gift- oder Gefahrstoffe, deren Entsorgung mit hohen Kosten verbunden ist, unbefugt in offene, allgemein zugängliche Container gelangen, kann dahingestellt bleiben. Die Revision verweist auf kein Vorbringen der Beklagten, dass es sich im konkreten Fall so verhalte. Damit steht die Eigenschaft der B als Zustandsstörer fest. III. Zwischenergebnis K hat gegen B einen Anspruch auf Entfernung der Container vom Grundstück mitsamt Inhalt aus § 1004 I BGB. B. Beseitigungsanspruch aus §§ 823 I, 249 I BGB Ein Schadensersatzanspruch der K gegen B aus § 823 I BGB, bei dem die Beseitigung der rechtswidrig das Eigentum der K fortdauernd störenden Container durch Schadensersatz im Wege der Naturalrestitution gem. § 249 I BGB erfolgt, setzt im Gegensatz zum Anspruch aus § 1004 I BGB ein Verschulden der B voraus. Das Aufstellen der Container war, wie bereits gezeigt wurde, schon nicht rechtswidrig, jedoch liegt in der Weigerung, die nach Beendigung des Mietverhältnisses (s.o.) rechtswidrig gewordene Störung des Eigentums zu beseitigen, ein Verschulden im Sinne des § 823 I BGB. Folglich schuldet B der K die Beseitigung der Container samt Inhalt auch aus §§ 823 I, 249 I BGB. C. Beseitigungsanspruch aus §§ 823 II, 1004 I BGB Zudem könnte der K gegen B ein Anspruch aus § 823 II, 1004 I BGB auf Entfernung der Container zustehen. Dann muss es sich bei § 1004 BGB um ein Schutzgesetz handeln, also eine Norm, die zumindest auch dem Schutz des Einzelnen dient. § 1004 I BGB will jeden Eigentümer vor unbefugten Eingriffen schützen und ist deshalb als Schutzgesetz zu qualifizieren. Wie oben bereits ausgeführt wurde, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 1004 I BGB nach Beendigung des Mietvertrages erfüllt. Aufgrund der Weigerung der B, die Container nach Beendigung des Mietvertrages zu entfernen, handelt B als Störer auch rechtswidrig und schuldhaft. Daher besteht ein weiterer Anspruch der K gegen B aus §§ 823 II, 1004 I BGB auf Beseitigung der befüllten Container gem. 249 I BGB. Jura Intensiv D. Ergebnis K kann von B das Entfernen der Container samt Inhalt vom Grundstück sowohl aus § 1004 I BGB als auch aus §§ 823 I, 249 I BGB sowie aus §§ 823 II, 1004 I BGB verlangen. FAZIT Zustandsstörer ist nach Auffassung des BGH nur derjenige, dem die Beeinträchtigung zuzurechnen ist. Der BGH sah die Zurechenbarkeit hier im Willen der B. Nach Ansicht des BGH offenbarte sich dieser in der von B eingegangenen Entsorgungsverpflichtung. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2021 Referendarteil: Zivilrecht 297 Speziell für Referendare Problem: Pandemiebedingter Rücktritt vom Mietvertrag Einordnung: Mietrecht, Schuldrecht AT LG München, Urteil vom 29.04.2021 20 O 8772/20 EINLEITUNG Der „schönste Tag im Leben“ mag sorgfältig geplant werden. In vielen Fällen ist das Paar bemüht, eine der Feierlichkeit angemessene Location anzumieten. Aber auch hier macht die Pandemie tatsächlich – und rechtlich – keine Ausnahmen. Die vorliegende Entscheidung befasst sich mit der Beantwortung der Frage, ob Mieter von einem zweckgebundenen Mietvertrag zurücktreten können, wenn eine Corona-Schutzverordnung das Abhalten der Feierlichkeit verhindert. Die Entscheidung wird als erstinstanzliches Urteil dargestellt. TATBESTAND Mit einem am 24.08.2018 als „Mietvertrag“ bezeichneten Dokument vereinbarten die Parteien die Durchführung der Hochzeitsfeier der beiden Beklagten (B) auf (…) für den 20.06.2020. Der Kläger (K) ist Vermieter, B sind Mieter. Auszüge des Vertrags lauten: „2. MIETZWECK: Die Vermietung erfolgt zum Zwecke einer Hochzeitsfeier. (…) 4. MIETZINS Der Mietzins für die Mietzeit beträgt 7.890,00 € brutto. (…) 100% des Mietpreises sind bis spätestens 01.04.2020 auf das Konto des Vermieters (…) zu überweisen. Kann die Veranstaltung aus Gründen, die nicht im Verantwortungsbereich des Vermieters liegen, nicht stattfinden, sind neben der Miete auch die vereinbarten Nebenkosten abzüglich nicht angefallener und ersparter Kosten zu bezahlen.“ Mit E-Mail vom 01.04.2020 gingen die B auf den K zu, um ihre Einschätzung hinsichtlich der zwischenzeitlich weltweit ausgebrochenen Corona-Pandemie mitzuteilen. Sie schlugen vor, die Entscheidung zur Durchführung der Hochzeit „bis auf Weiteres aufzuschieben und die Situation im Verlauf der kommenden Wochen neu zu bewerten“. Mit Rückantwort vom selben Tag zeigte K zwar Verständnis für die Situation, bestand jedoch auf die im Vertrag vereinbarte Zahlung zum angegebenen Termin. Gleichzeitig bot K den B an, die Hochzeit auf einen beliebigen Tag unter Angabe von Terminvorschlägen zu verschieben. Mit weiteren Schreiben vom (…) und (…) erinnerte K die B erfolglos an die Zahlung. Mit darauffolgendem Schreiben erklärten die B den Rücktritt vom Vertrag. K vertritt die Rechtsauffassung, die temporären Einschränkungen durch die Corona-Pandemie führen nicht zum Ausschluss des schriftlich vereinbarten Mietzinsanspruchs. K beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, einen Betrag von 7.363,04 € brutto zu bezahlen. B beantragen, die Klage abzuweisen. Jura Intensiv LEITSATZ 1. Erfolgt der Abschluss eines Mietvertrages zum Zweck der Abhaltung einer Hochzeitsfeier und kann diese aus öffentlich-rechtlichen Gründen (pandemiebedingt) nicht stattfinden, liegt kein Verstoß gegen die Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters vor, sondern unterfällt dem Verwendungsrisiko des Mieters, sodass § 275 I BGB nicht erfüllt ist und auch ein hierauf begründetes Rücktrittsrecht nicht besteht. 2. In diesen Fällen besteht ein Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 313 I BGB. Ein Rücktritt vom Vertrag kommt nur unter den Voraussetzungen des § 313 III BGB in Betracht. Das Unstreitige wird im Indikativ Imperfekt dargestellt. Ausnahmen – insbesondere hier – sind Umstände, die sich auf die Gegenwart beziehen. Eine Vereinbarung, welche dem § 648 BGB in der Rechtsfolge ähnelt Vermeiden Sie Rechtsausführungen im Tatbestand. Falsch: „B traten vom Vertrag zurück.“ Richtig: „B erklärten den Rücktritt vom Vertrag.“ Trennung zwischen Tatsachenvortrag und – wie hier – Rechtsansichten Hervorhebung der Anträge durch Einrücken Je nach Region wird der Antrag sprachlich unterschiedlich gestaltet. Wir verwenden die Formulierung, es soll beantragt werden, „B1 und B2 gesamtschuldnerisch“ zu verurteilen. Fragen Sie hierzu Ihre Ausbilder. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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