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RA Digital - 06/2021

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298 Referendarteil:

298 Referendarteil: Zivilrecht RA 06/2021 Die B vertreten die Rechtsansicht, die Hauptleistungspflicht des K sei eine absolute Fixschuld und unmöglich geworden. Daher sei auch die Gegenleistungspflicht entfallen. 1. Prüfungspunkt: Entstehen des Anspruches Einordnung des Vertragsverhältnisses als reines Mietverhältnis. Weitere mietrechtsfremde Leistungen wurden bereits nicht angeboten. 2. Prüfung: Untergang des Anspruchs Anwendbarkeit des SchuldR AT Urteilsstil ((…), denn (…)) Palandt/Grüneberg, BGB, § 275 Rn 4 Die Räume konnten zur Verfügung gestellt werden. Lediglich die hier seitens der B gewünschte Verwendung war verboten. Das Verwendungsrisiko trägt nicht der Vermieter. Gebrauchsgewährleistungspflicht: Eignen sich die Räume dazu, dass dort eine Feier abgehalten werden kann? Ja = Keine Pflichtverletzung des Vermieters. Hier galt es folglich sauber zu trennen zwischen der Tauglichkeit der Mietsache für den vereinbarten Mietzweck und von außerhalb des Mietverhältnisses liegenden Umständen. Es bietet sich an, die Begriffe „Verwendungsrisiko“ und „Gebrauchsgewährungspflicht“ in diesem Kontext sich besonders einzuprägen. Subsumtion: Keine Pflichtverletzung des Vermieters (Kläger) ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig und begründet. Der K hat gegen die B einen Anspruch auf Zahlung von 7.363,04 € aus § 535 II BGB i.V.m. dem am 24.08.2018 abgeschlossenen Mietvertrag. Das Vertragsverhältnis ist unstreitig wirksam entstanden. [17] (…) Eine Auslegung des Vertrages führt vorliegend nicht zu einem gemischten Vertrag, sondern zu einem Mietvertrag. Dafür spricht zunächst die von den Parteien gewählte Bezeichnung des Vertrags als „Mietvertrag“. Zudem regeln sowohl der eigentliche Vertrag als auch das in Bezug genommene Angebot „(…)“ in aller erster Linie lediglich, welche Räumlichkeiten des (…) der Kläger den Beklagten am 20.06.2020 zur Verfügung zu stellen hatte. (…). Der Anspruch ist nicht nach §§ 326 I, 275 I BGB erloschen. § 275 I BGB findet Anwendung und wird nicht durch die §§ 535 ff. BGB verdrängt. Der Mietgegenstand wurde den B nicht überlassen. Unerheblich ist zudem, ob die 5. BayIfSMV bereits zum Zeitpunkt der Einigung wirksam war. Anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit stehen sich gleich. § 275 I BGB ist nicht erfüllt. Unmöglichkeit liegt nicht vor. [17] (…) Nach der Vereinbarung der Parteien war der Kläger lediglich dafür verantwortlich, den Beklagten die entsprechenden Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. [18] Auch die Vereinbarung des Mietzwecks („Die Vermietung erfolgt zum Zwecke einer Hochzeitsfeier“) führt nicht zu Unmöglichkeit. Das Verwendungsrisiko der Mietsache liegt beim Mieter. Durch die Corona- Krise bedingte Einschränkungen betreffen das Verwendungsrisiko und nicht die Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters. (…) [18] (…) Immer wenn der Mieter die Sache nicht gebrauchen kann, weil sie selbst nicht nutzungstauglich ist, geht der Vermieter nach § 326 Abs. 2 oder 536 BGB seines Anspruchs auf die Miete verlustig. Betrifft die Störung dagegen die Nutzungstätigkeit des Mieters, bleibt dieser zur Mietzahlung verpflichtet. Dies gilt nicht nur, wenn ihn der Umstand ganz individuell an der Nutzung der Sache hindert, sondern auch, wenn ein beliebiger anderer Mieter von der Sache nicht den vertragsgemäßen Gebrauch machen könnte. Dies lässt die Verpflichtung zur Mietzahlung nicht entfallen, solange es nicht an der Sache selbst liegt, dass sie nicht bestimmungsgemäß verwendet werden kann. Dies kommt vor allem durch die in der Rechtsprechung zu findenden Aussage, durch § 537 BGB sei das Verwendungsrisiko dem Mieter zugewiesen, zum Ausdruck. Dass es ihm zugewiesen ist, liegt nur daran, dass die Vermieterleistung nicht mehr die Nutzung der Mietsache einschließt, sondern sich auf deren Bereitstellung im gebrauchstauglichen Zustand beschränkt. (…) Jura Intensiv Gemessen an dem ist dem K als Vermieter die Hauptleistungspflicht, nämlich die Überlassung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand, nicht unmöglich gewesen. Nach dem Mietvertrag Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2021 Referendarteil: Zivilrecht 299 erfolgte die Vermietung zum Zwecke der Abhaltung einer Hochzeitsfeier. Zwar konnten die B die streitgegenständliche Mietsache im vorliegenden Fall während der behördlich angeordneten Schließung nicht nutzen, dieses Risiko fällt jedoch in deren Verwendungsrisiko. K hat den B die Mietsache, wie es seiner Hauptleistungspflicht entspricht, in gebrauchstauglichem Zustand bereitgestellt. Der Umstand, dass die Nutzung für die B nicht wie von ihnen beabsichtigt möglich war, liegt nicht an der Sache selbst. Es kann dahinstehen, ob die Parteien ein sogenanntes absolutes Fixgeschäft vereinbart haben. Zwar wird die Anmietung von Räumlichkeiten für eine Hochzeitsfeier als absolutes Fixgeschäft zu bewerten sein. Hierauf kommt es aber aufgrund der fehlenden Pflichtverletzung des K nicht an. Die B sind nicht wirksam vom Vertrag zurückgetreten. Zwar liegt eine Rücktrittserklärung vor, ein Rücktrittsgrund besteht jedoch nicht. Es bestand kein Rücktrittsrecht gemäß § 326 V BGB, weil dem K die Erbringung der geschuldeten Leistung, wie bereits ausgeführt, nicht unmöglich war. Es bestand ferner kein Rücktrittsrecht gemäß § 313 III 1 BGB. Die Vorschrift ist anwendbar, denn die Voraussetzungen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts und des Gewährleistungsrechts greifen nicht. [25] Richtig ist auch, dass sich ein Umstand i.S.v. § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Ungeachtet der Vermutung des Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB ist das Auftreten der Covid-19-Pandemie als klassischer Fall der Störung der Geschäftsgrundlage anzusehen (LG München (…)). Die Parteien hätten den Mietvertrag nicht abgeschlossen, wenn sie seinerzeit die globale Pandemie vorausgesehen hätten. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, konnte den Beklagten das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden. Dem Kläger war hinreichend bekannt, dass die beiden Beklagten die Räumlichkeiten am 20.06.2020 allein für die geplante Hochzeitsfeier nutzen konnten. Dieser Mietzweck ist auch im Vertrag festgehalten. Bei lebensnaher Betrachtung wurde dieser Umstand auch bei der Preisbemessung berücksichtigt. Jura Intensiv Das Vorliegen einer Störung der Geschäftsgrundlage führt grundsätzlich dazu, dass ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages besteht, arg. ex § 313 III BGB. Die Rücktrittsmöglichkeit ist das ultima ratio, deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind, da eine Vertragsanpassung durchaus möglich war. [27] Eine Vertragsanpassung war vorliegend nicht unmöglich i.S.v. § 313 Abs. 3 BGB. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn entweder gar keine sinnvolle Anpassung denkbar ist, die eine Vertragsdurchführung noch ermöglichen würde, oder eine Anpassung zwar theoretisch möglich, aber aufgrund von rechtlichen oder tatsächlichen Hindernissen praktisch nicht durchführbar ist. [28] Das Gericht stellt insoweit vorrangig darauf ab, dass der Kläger die besondere Situation am 01.04.2020 gleich anerkannt und den beiden Beklagten sinnvolle Vorschläge unterbreitet hat, wie mit der Situation umgegangen werden könnte. Er hat zahlreiche attraktive Ersatztermine angeboten und das Gespräch mit den Beklagten gesucht. Die Beklagten haben sich jedoch nicht zu den Vorschlägen geäußert und erst Ausführungen aufgrund des streitigen Beklagtenvortrages Geltendmachung von Gestaltungsrechten: Grund + Erklärung Kein Rücktrittsrecht gemäß § 326 V BGB, da keine Unmöglichkeit vorlag Ausführliche Prüfung, ob ein Rücktrittsrecht gemäß § 313 BGB besteht. „Gewährleistungsrecht“ meint hier die Rechte aus §§ 536 ff. BGB Art. 240 § 7 I EGBGB: „Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.“ LG München I, 25.01.2021, 31 O 7743/20 BGH, 31.05.1990, I ZR 233/88 Keine Unmöglichkeit der Vertragsanpassung in diesem Fall Dies wiederum stellt nur ein Indiz dafür dar, dass eine Anpassung auf Seiten des Klägers nicht unmöglich war. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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