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RA Digital - 06/2021

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306

306 Nebengebiete RA 06/2021 Das LAG arbeitet hier sehr schön heraus, dass stets darauf zu achten ist, ob sich die Statusklage (also die begehrte Feststellung, dass die Vertragsbeziehung ein Arbeitsverhältnis ist) auf die Gegenwart oder auf die Vergangenheit bezieht. Hier folgen jetzt wichtige Ausführungen zum sog. „erweiterten Streitgegenstandsbegriff“ des punktuellen Kündigungsschutzantrags gem. § 4 S. 1 KSchG. iSv. § 256 I ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. (...). Das Feststellungsinteresse ist aber nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird (...). Es fehlt, wenn dem Antragsteller ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, um sein Ziel zu erreichen, oder wenn die begehrte Feststellung zu einer abschließenden Klarstellung des Streits nicht geeignet ist (...). Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen (vgl. BAG 7. Februar 2019 - 6 AZR 84/18 - Rn. 15). Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen gerichtlichen Feststellung besteht, wenn dem Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (...). [57] b) Ein gegenwartsbezogener Antrag auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist (...) zulässig. Das Interesse an einer alsbaldigen Feststellung ergibt sich hier daraus, dass bei einem Erfolg der Klage die zwingenden gesetzlichen Vorschriften, die ein Arbeitsverhältnis gestalten, auf das Vertragsverhältnis der Parteien unabhängig von den getroffenen Vereinbarungen anzuwenden sind, und zwar sofort und nicht erst in Zukunft. (...) Solange das Rechtsverhältnis nicht wirksam beendet ist, kann die Statusfrage jederzeit zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden. (...). Dagegen bedarf das Interesse an der Feststellung, ein vergangenes Rechtsverhältnis sei ein Arbeitsverhältnis gewesen, einer besonderen Begründung. Die Erwägungen, mit denen das Rechtsschutzbedürfnis für gegenwartsbezogene Feststellungsklagen zu bejahen ist, treffen auf Klagen, die auf Feststellung eines bereits beendeten Rechtsverhältnisses gerichtet sind, nicht zu. Bei beendeten Vertragsverhältnissen ist in aller Regel klar erkennbar, welche Ansprüche noch im Raum sind. Das Feststellungsinteresse ist (...) nur dann gegeben, wenn sich gerade aus dieser Feststellung Rechtsfolgen für Gegenwart oder Zukunft ergeben. Die bloße Möglichkeit des Eintritts solcher Folgen reicht nicht aus. Mit der Feststellung des Arbeitsverhältnisses muss vielmehr zugleich feststehen, dass eigene Ansprüche des Klägers gerade aus dem Arbeitsverhältnis zumindest dem Grunde nach noch bestehen oder gegnerische Ansprüche zumindest in bestimmtem Umfang nicht mehr gegeben sind. Anderenfalls könnte die Feststellungsklage weder dem Rechtsfrieden noch der Prozessökonomie dienen (...). [58] c) Die Grundsätze zur Zulässigkeit vergangenheitsbezogener Feststellung eines Arbeitsverhältnisses gelten auch, wenn nicht allein die Feststellung des Bestands eines Arbeitsverhältnisses geltend gemacht wird, sondern daneben auch über den (Fort-)Bestand des Arbeitsverhältnisses im Wege eines punktuellen Kündigungsschutzantrags gestritten wird. In diesem Fall bedarf es der gesonderten Darlegung eines Feststellungsinteresses (...), denn die mit dem Kündigungsschutzantrag begehrte Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung schon eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Kündigung. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2021 Nebengebiete 307 Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht deshalb fest, dass jedenfalls im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zwischen den streitenden Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (...). Auch enthält ein rechtskräftiges Urteil, wonach das Arbeitsverhältnis der Parteien durch eine bestimmte Kündigung zu dem vorgesehenen Termin nicht aufgelöst worden ist, grundsätzlich die konkludente Feststellung, dass dieses Arbeitsverhältnis nicht zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst worden ist (...). Mit Rechtskraft einer solchen Entscheidung steht fest, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dem vorgesehenen Auflösungstermin auch nicht durch mögliche andere Beendigungstatbestände aufgelöst worden ist, selbst wenn diese von keiner Seite in den Prozess eingeführt wurden (...). [59] d) Danach ist der Antrag Ziffer 1 (Statusfeststellungsantrag) unzulässig. Der Kläger will – nach dem Wortlaut des Antrags – das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten seit dem 11. September 2019 festgestellt wissen, ohne dass er zu einem Interesse, weshalb das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ab diesem Zeitpunkt begehrt wird, vorgetragen hätte. Darüber hinaus hat der Kläger infolge der erklärten Anfechtung des Arbeitsvertrags und der erklärten außerordentlich fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 9. Januar 2020 auch einen Feststellungsantrag nach § 256 ZPO – bezogen auf die Anfechtung – und einen punktuellen Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG gestellt, der die Frage des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits einschließt. Mit Rechtskraft der (positiven) Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag stünde zugleich fest, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht. Da der Kläger nichts zu seinem Interesse an einer vergangenheitsbezogenen Feststellung eines Arbeitsverhältnisses vorgetragen hat, ist der Antrag Ziffer 1 unzulässig; um dem Rechtsschutzziel des Klägers zu genügen, bedarf es dieses Antrags nicht. [60] 2. Auch der Feststellungsantrag Ziffer 2, mit dem festgestellt werden soll, „dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht aufgelöst ist“, also letztlich der Bestand eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (in der Tatsacheninstanz) festgestellt werden soll, ist nach dem Vorstehenden unzulässig. Der punktuelle Kündigungsschutzantrag ist nur dann begründet, wenn das Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, welches nicht durch eine zurückwirkende Anfechtung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht (mehr) bestanden hat. Hat der Arbeitgeber neben einer ordentlichen Kündigung die Anfechtung des Arbeitsvertrags erklärt, hängt der Erfolg der Kündigungsschutzklage auch von der Wirksamkeit der Anfechtung ab, wenn diese – ihre Berechtigung unterstellt – auf einen Zeitpunkt wirkt, der vor dem Auflösungstermin der Kündigung liegt. Ob die Anfechtung durchgreift ist deshalb in aller Regel schon im Rahmen des Kündigungsschutzantrags zu überprüfen (...). Ein Feststellungsinteresse für den Antrag Ziffer 2 besteht daher nicht. [61] 3. Der punktuelle Kündigungsschutzantrag (Antrag Ziffer 3) ist zulässig. Das besondere Feststellungsinteresse ergibt sich insoweit bereits aus den Wirkungen des § 7 KSchG. Jura Intensiv BAG, 27.01.2011, 2 AZR 826/09, Rn 13; 26.03.2009, 2 AZR 633/07, Rn 16 BAG, 29.01.2015, 2 AZR 698/12, Rn 8 BAG, 18.12.2014, 2 AZR 163/14, Rn 2 Die Statusklage ist vor allem dann sinnvoll und zulässig, wenn in einem bestehenden Vertragsverhältnis unterschiedliche Rechtsauffassungen zu dessen Rechtsnatur bestehen. Hier kann die Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis besteht, eine Klärung herbeiführen, dass dem Arbeitnehmer (auch künftig!) z.B. bezahlter Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zustehen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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