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RA Digital - 06/2022

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296 Zivilrecht

296 Zivilrecht RA 06/2022 Die K dürfen auch auf ihrem Grundstück parken. Die Umgebung ist von Einfamilienhäusern geprägt. LKW passen nicht durch die Zuwegung, weshalb eine Beeinträchtigung durch sie entfällt. Bei Schrittgeschwindigkeit herrscht nur eine geringe Unfallgefahr. [29] Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch vollständig an einer Anfahrbarkeit der Grundstücke der Kläger. Sie haben Anspruch darauf, dass sie zum Zweck des Anfahrens das Grundstück des Beklagten nutzen dürfen. Ein schutzwürdiges Interesse daran, dass sie die Fahrzeuge nicht auf ihren Grundstücken abstellen, ist nicht erkennbar. Die Benutzung des Grundstücks des Beklagten würde dadurch nicht wesentlich vermindert. (...) [30] Dass vor allem in Städten viele Bewohner nicht direkt vor der Haustür parken können oder sogar kein Auto haben, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn im vorliegenden Fall ist die Bebauung der Gegend durch Einfamilienhäuser geprägt, bei denen das Abstellen von Fahrzeugen auf dem Grundstück üblich ist. [32] Dem Beklagten ist zuzugeben, dass die Enge der Zuwegung an der Seite des Gebäudes auf seinem Grundstück ein Befahren mit größeren Kraftfahrzeugen, etwa Lastkraftwagen, ausschließt. Es versteht sich aber von selbst, dass ein Kraftfahrzeug, dass nicht durch die Zuwegung passt, das Grundstück des Beklagten nicht befahren wird. Eine Einschränkung des Notwegerechts ist insoweit nicht erforderlich. [33] Auch bezüglich der Fahrzeuge zur Ver- und Entsorgung sowie von Handwerkern und Lieferanten sperriger Gegenstände bedarf es keiner weiteren Einschränkung. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass deren Fahrzeuge, etwa in der Größe eines VW-Busses, durch die Zufahrt passen. [36] Was schließlich die von dem Beklagten geltend gemachte Unfallgefahr angeht, so wird ihr dadurch begegnet, dass das Landgericht das Befahren des Grundstücks mit Schrittgeschwindigkeit angeordnet hat. Das ist ausreichend. Denn zum einen treten die Bewohner des Hauses aus den Wohnungseingängen nicht direkt auf die Zuwegung. Die Wohnungseingänge befinden sich vielmehr in einer Nische (....), so dass sich die Bewohner ausreichend orientieren können, ehe sie die Zuwegung betreten. Zum anderen ist, wie dargelegt, kein übermäßiger Fahrzeugverkehr zu erwarten. Im Übrigen wird die Zuwegung auch benutzt, um die den Mietern zur Verfügung stehenden Parkplätze hinter dem Haus zu erreichen, so dass die ihre Wohnungen verlassenden Bewohner ohnehin mit fahrenden Fahrzeugen rechnen müssten. Jura Intensiv B. Ergebnis Die K können von B gem. § 917 BGB verlangen, dass dieser die Nutzung seines Grundstücks als Notweg auch durch das Befahren mit Kraftfahrzeugen gestattet. FAZIT Nicht nur die Frage, ob überhaupt ein Notwegerecht gem. § 917 BGB besteht, ist zu beantworten, vielmehr muss § 917 BGB stets dahingehend ausgelegt werden, welche Art der Nutzung unter einer „ordnungsgemäßen Nutzung“ zu verstehen ist. Ein Notwegerecht kann nicht auf die Nutzung zu Fuß oder per Fahrrad beschränkt werden, wenn das Grundstück des Notwegsberechtigten Wohnzwecken dient. Denn sperrige Güter oder größere Einkäufe bedürfen des Transports durch Kraftfahrzeuge. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2022 Referendarteil: Zivilrecht 297 Speziell für Referendare Problem: Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung Einordnung: Deliktsrecht, Datenschutzrecht BGH, Urteil vom 22.02.2022 VI ZR 1175/20 EINLEITUNG Nachrichten müssen – wie jede andere Dienstleistung auch – lukrativ sein. Finanziert werden diese News im ewigen „kostenfrei“-Konkurrenzkampf mit Werbung. Neben Clickbaits als Lockinstrument dienen Trash-Inhalte als Goldgrube. Dennoch wird auch hier oft seitens des Lesers übersehen, dass ebenfalls das Leben echter Menschen teilweise gegen deren Willen in jeder Intimität veröffentlicht wird. Auch wenn öffentlich bekannte Personen besonders im Fokus der Presse stehen, stellt sich die rechtliche Frage nach der Grenze solcher Berichterstattungen und bei Überschreitung – wie hier – nach der Möglichkeit finanzieller Kompensation für die Rechtsverletzung. Siehe hierzu auch: RA 12/2021, 631 ff. TATBESTAND Der Kläger (K) wurde durch seine Teilnahme an fünf Staffeln der Sendung „Traumfrau gesucht“ des Fernsehsenders RTL II bekannt, ist PR-Manager und betreut Künstler. Er stellt seit geraumer Zeit sein Privat- und Berufsleben in den sozialen Medien dar und lässt seine Fans an sämtlichen Einzelheiten seines täglichen Lebens teilhaben. Der Beklagte zu 1 (B1) ist Redakteur bei der Beklagten zu 2 (B2), die für die Printausgabe der Bild-Zeitung und für die Internetseite www.bild.de verantwortlich ist. Im April 2014 wurde ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Die Eheleute L gewährten ihm in Kenntnis seiner Zahlungsschwierigkeiten Darlehen i. H. v. mehreren Tausend Euro. Im Jahr 2016 wurde K rechtskräftig zur Zahlung von 4.150 € an das Ehepaar L verurteilt. Für den 20.02.2019 war vor dem Amtsgericht eine Hauptverhandlung in einem Strafverfahren gegen K wegen des Vorwurfs des gewerbsmäßigen Betrugs im Zusammenhang mit den Darlehen anberaumt, welches in der Hauptverhandlung gem. § 153 II StPO eingestellt wurde. Am 10.02.2019 veröffentlichte die B2 in der Online- und Printausgabe der Bild-Zeitung zwei weitgehend inhaltsgleiche Artikel, als deren Verfasser unter anderem der B1 genannt ist. Die Artikel sind mit je zwei Fotos bebildert; das eine zeigt den K mit einem Strauß Rosen, das andere zusammen mit den Eheleuten L. Der Text der Online-Ausgabe lautet unter voller Namensnennung des K: Jura Intensiv „In der Kuppelshow „Traumfrau gesucht“ bei RTL2 posierte K (30) mit roten Rosen, um die große Liebe zu finden. Doch zunächst fand er ein Ehepaar aus Hameln (Niedersachsen), das mit ihm befreundet sein wollte. Demnächst werden sie sich wiedersehen. Nicht als Freunde, sondern als Gegner vor Gericht. Noch im Februar muss sich K vor dem Amtsgericht Köln verantworten. Die Anklage lautet auf gewerbsmäßigen Betrug. Von seinen einstigen Freunden L1 und L2 soll er sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen mehrere Tausend Euro geliehen haben. Viel Geld für das Ehepaar. [...] 2013 gab K für 500,- € ein Konzert im Wohnzimmer der Familie – zum 50. Geburtstag der Frau. Mit der Zeit entwickelte sich eine Freundschaft. Zeitweise dachte das Ehepaar sogar darüber LEITSÄTZE 1. Bei einer Verdachtsberichterstattung gilt grundsätzlich, dass eine Tatsachenbehauptung demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden darf, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf. 2. Die Rechtswidrigkeit der Berichterstattung und die damit verbundene Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers führt lediglich dann zu einem Zahlungsanspruch, wenn der Eingriff schwerwiegend und die Beeinträchtigung nicht anders kompensiert werden kann. 3. Dies erfordert stets eine Gesamtschau der Umstände. Das Unstreitige wird im Indikativ Imperfekt dargestellt. Ausnahmen – insbesondere hier – sind Umstände, die sich auf die Gegenwart beziehen. Die Formatierung in kursiv dient hier für Sie als Leseerleichterung. Sie „formatieren“ in Ihrer Klausur Ausführungen zum unstreitigen Tatbestand nicht. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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