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RA Digital - 06/2022

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312 Öffentliches Recht

312 Öffentliches Recht RA 06/2022 nicht weiter relevanten - Anspruch auf Impfschadenversorgung nach § 60 IfSG und der Entschädigung für Nichtstörer nach § 65 IfSG enthält der Zwölfte Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes lediglich punktuelle Anspruchsgrundlagen, denen das planmäßige Bestreben des Gesetzgebers zugrunde liegt, die Entschädigungstatbestände auf wenige Fälle zu begrenzen und Erweiterungen ausdrücklich ins Gesetz aufzunehmen. Der Gesetzgeber hat sich somit - jedenfalls für rechtmäßige infektionsschutzrechtliche Maßnahmen - für ein abschließendes Konzept einer punktuellen Entschädigungsgewährung entschlossen. Danach bleiben Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit entschädigungslos. Weiterhin vergleichbare Interessenlage (-) § 56 I IfSG: Billigkeitsregelung für gezielt in Anspruch genommene „Störer“. Im nicht geregelten Sachverhalt geht es aber um Nichtstörer, bei denen sich ein Unternehmerrisiko realisiert. § 65 I IfSG: Entschädigung wegen geringerer Sozialpflichtigkeit der betroffenen Eigentümer bei gleichzeitig höherer Entschädigungswürdigkeit, da es sich um Risikovorsorge handelt. Im nicht geregelten Sachverhalt hat sich das Risiko hingegen schon realisiert. [46] Im Übrigen fehlt es auch an der Vergleichbarkeit der Interessenlage zwischen den Entschädigungsregelungen nach §§ 56, 65 IfSG und flächendeckenden Betriebsschließungen, die auf gegenüber der Allgemeinheit nach § 28 Abs. 1, § 32 IfSG getroffenen Schutzmaßnahmen beruhen. [47] § 56 Abs. 1 IfSG ist kein Entschädigungsanspruch im staathaftungsrechtlichen Sinn, sondern eine Billigkeitsregelung, die besonders durch die Seuche betroffenen, hilfsbedürftigen natürlichen Personen, die durch gezielt personenbezogene staatliche Beschränkungsmaßnahmen von der Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit ausgeschlossen werden, ungeachtet ihrer „Störereigenschaft“ eine Entschädigung gewährt. Die während einer Pandemie von flächendeckend angeordneten Geschäftsschließungen betroffenen Unternehmer sind hingegen überwiegend Nichtstörer, bei denen sich in erster Linie das allgemeine Unternehmerrisiko verwirklicht, wie es in einer krisenhaften Situation zunächst einmal hinzunehmen ist. Sie werden daher vom Regelungsgedanken des § 56 Abs. 1 IfSG nicht erfasst. [48] § 65 Abs. 1 IfSG sieht zwar einen Entschädigungsanspruch für den Nichtstörer vor. Der Vorschrift liegt jedoch die im Gesetz eindeutig angelegte Unterscheidung zwischen Risikovorsorge (Verhütung) und Gefahrenabwehr (Bekämpfung) zugrunde, wobei sie ausschließlich auf Verhütungsmaßnahmen anwendbar ist. Die dahinterstehende Wertung des Gesetzgebers ist darin zu sehen, dass für den Bereich der (bloßen) Risikovorsorge von einer geringeren Sozialpflichtigkeit des von Präventivmaßnahmen betroffenen Eigentümers und zugleich von einer höheren Entschädigungswürdigkeit der in dieser Phase, in welcher lediglich die Möglichkeit eines künftigen Seuchengeschehens besteht, verursachten Schäden auszugehen ist. Auch sind die zu entschädigenden Schäden bei nur vorbeugenden Maßnahmen typischerweise begrenzter als die durch umfassende Schutzmaßnahmen nach Ausbruch einer übertragbaren Krankheit entstehenden Verluste. Diese dem Norminhalt des § 65 IfSG zugrunde liegenden Wertungen dürfen nicht durch eine Analogie konterkariert werden. Dadurch würde die Vorschrift in unzulässiger Weise inhaltlich verändert.“ Jura Intensiv Demnach kommt eine analoge Anwendung der §§ 56, 65 IfSG nicht in Betracht. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2022 Öffentliches Recht 313 IV. Anspruch aus dem Polizei- und Ordnungsrecht Fraglich ist, ob Anspruchsnormen aus dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht durch die speziellen Bestimmungen des IfSG gesperrt sind und somit nicht zur Anwendung gelangen. Problem: Sperrwirkung des IfSG? „[50] Den infektionsschutzrechtlichen Entschädigungstatbeständen liegt […] die abschließende gesetzgeberische Entscheidung zugrunde, die Entschädigungstatbestände auf wenige Fälle punktuell zu begrenzen und Erweiterungen ausdrücklich ins Gesetz aufzunehmen („Konzept einer punktuellen Entschädigungsgewährung“). Dass dies nur für rechtmäßig auferlegte Beschränkungen gilt, ergibt sich daraus, dass die Entschädigungsansprüche der §§ 56, 65 IfSG rechtmäßige Maßnahmen betreffen und das Infektionsschutzgesetz keine Regelung über die Haftung für rechtswidrige infektionsschutzrechtliche Maßnahmen enthält.“ Die brandenburgische Corona-Eindämmungsverordnung war rechtmäßig. „[52] Da der Gesetzgeber mit den Bestimmungen der §§ 56, 65 IfSG bewusst ein nur bestimmte Beeinträchtigungskonstellationen erfassendes, gerade in dieser Beschränkung aber als planmäßig vollständig gedachtes Entschädigungsregime geschaffen hat, ist bereits nach der Spezial-itätsregel kein Raum mehr für die Anwendung der Entschädigungsregelungen des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts. Als spezialgesetzliche Vorschriften der Gefahrenabwehr haben die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes Anwendungsvorrang und entfalten eine Sperrwirkung gegenüber den Regelungen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts. [53] Gegen die Anwendung des ordnungsrechtlichen Entschädigungsanspruchs […] spricht zudem, dass das Infektionsschutzgesetz nur bei Verhütungs-, nicht aber bei Bekämpfungsmaßnahmen einen Anspruch des Nichtstörers vorsieht (§ 65 IfSG) und dieses Konzept nicht durch eine parallele Anwendung des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts eingeebnet werden darf. Würde man dies anders sehen, würde die in den §§ 56, 65 IfSG getroffene bundesrechtliche Entscheidung für eine Nichtentschädigung von Bekämpfungsmaßnahmen gegenüber Nichtstörern ohne weiteres unterlaufen.“ Jura Intensiv Abschließende Normierung der Entschädigungsansprüche im IfSG, aber nur für rechtmäßige Maßnahmen. Hier: Maßnahme war rechtmäßig Konsequenz: IfSG sperrt Anwendung des allgemeinen POR Anwendung des POR würde differenziertes Anspruchssystem des IfSG einebnen Somit kann K wegen der Sperrwirkung des IfSG keinen Entschädigungsanspruch aus dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht herleiten. V. Enteignender Eingriff Das Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs ist gewohnheitsrechtlich anerkannt. Auch hier stellt sich aber die Frage, ob die Bestimmungen des IfSG abschließend sind und somit eine Sperrwirkung entfalten. „[57] Ansprüche aus dem richterrechtlich entwickelten Institut des enteignenden Eingriffs scheitern bereits daran, dass das den §§ 56, 65 IfSG zugrundeliegende und gesetzgeberisch als abschließend gedachte Konzept einer punktuellen Entschädigung im Bereich der Eigentumseingriffe nicht durch die Gewährung richterrechtlicher Ansprüche unterlaufen werden darf. Die infektionsschutzrechtlichen Gewohnheitsrecht Problem: Sperrwirkung des IfSG? Sperrwirkung (+) © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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