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RA Digital - 06/2022

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320 Referendarteil:

320 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 06/2022 Persönlichkeitsrechts der schwangeren Frauen erforderlich, die sich in einer besonderen persönlichen Konfliktsituation befänden. Die Versammlung ziele auf die Erzeugung von Schuldgefühlen bei den schwangeren Frauen und berge für diese die Gefahr des Erkanntwerdens. Dies stehe dem gesetzlich gewährleisteten Konzept einer anonymen, ergebnisoffenen und professionellen Beratung vor Schwangerschaftsabbrüchen entgegen. Die betroffenen Frauen könnten der vierzigtägigen Versammlung wegen der verpflichtenden Beratung in einem engen Zeitfenster kaum ausweichen. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Prozess- bzw. Verfahrensgeschichte: Indikativ Perfekt Die Tatsache, dass der Antragsteller etwas vorgebracht hat, wird im Indikativ Perfekt dargestellt. Die Begründung selbst gehört in den Konjunktiv Präsens. Ebenfalls Prozess- bzw. Verfahrensgeschichte: Indikativ Perfekt In einer Klausur sind die Anträge wörtlich wiederzugeben und nicht inhaltlich zusammenzufassen. Prozess- bzw. Verfahrensgeschichte: Indikativ Perfekt Am 23. Februar 2022 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines am 22. Februar 2022 eingelegten Widerspruchs gegen die örtliche Verlegung der Versammlung unter Abschnitt I Nr. 1 des Bescheids vom 18. Februar 2022 beantragt. Er hat geltend gemacht, die Verfügung der Antragsgegnerin verletze ihn in seinen Grundrechten auf Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit. Den Versammlungsteilnehmern werde die Möglichkeit genommen, in Sichtweite der Beratungsstelle von pro familia ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen. Bei früheren Versammlungen seien keine schwangeren Frauen auf dem Weg zur Beratungsstelle angesprochen und der Eingang stets freigehalten worden. Sogenannte „Gehsteigberatungen“ führe man nicht durch. Die Versammlung solle in einer Entfernung von ca. 30 bis 33 Metern zur Beratungsstelle stattfinden, so dass schwangere Frauen die Versammlung nicht direkt passieren müssten. Weder Blicke, Plakate noch gelegentlich vernehmbare Gebete und Gesänge der Versammlungsteilnehmer könnten als Eingriffe in Grundrechte der schwangeren Frauen qualifiziert werden. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss vom 1. März 2022 entsprochen. […] Am 1. März 2022 hat die Antragsgegnerin Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts eingelegt […]. Der Antragsteller tritt der Beschwerde entgegen. Am […] 7. März 2022 hat vor Ort ein Erörterungstermin vor der Berichterstatterin mit den Beteiligten stattgefunden. […]“ Jura Intensiv II. „Standardprüfungspunkte“ in der Zulässigkeit einer Beschwerde. Typische Formulierung in der Praxis Urteilsstil: Ergebnis voranstellen „Die Beschwerde der Antragsgegnerin […] ist gemäß §§ 146, 147 VwGO form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers enthält die Beschwerdebegründung eine ausführliche Darlegung der Gründe, aus denen die Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts begehrt wird und setzt sich mit der angefochtenen Entscheidung eingehend auseinander (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 4 VwGO). In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die den Rahmen der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof bestimmen und beschränken, rechtfertigen im Ergebnis keine Änderung des angefochtenen Beschlusses. […] Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2022 Referendarteil: Öffentliches Recht 321 Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die von der Antragsgegnerin […] verfügte Verlegung des Versammlungsortes während der Geschäftszeiten von pro familia an die Bockenheimer Landstraße nach der Prüfung im Eilverfahren voraussichtlich rechtswidrig ist. […] […] ist die grundrechtlich gewährleistete Versammlungsfreiheit als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung geschützt. Dieser Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen. Als Abwehrrecht, das auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, gewährleistet Art. 8 GG den Grundrechtsträgern das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung. […] Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit schützt das Interesse des Veranstalters, auf einen Beachtungserfolg nach seinen Vorstellungen zu zielen, also gerade auch durch eine möglichst große Nähe zu dem symbolhaltigen Ort. […] Der Antragsteller hat mit den Gebetsmahnwachen eine Ausdrucksform gewählt, die dem Versammlungsbegriff unterfällt. Er hat sich im Rahmen der ihm zustehenden Wahlfreiheit für einen Versammlungsort entschieden, dem wegen der an dem Plateau gelegenen Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle eine symbolhaltige Bedeutung für sein gegen Schwangerschaftsabbrüche gerichtetes Versammlungsanliegen zukommt. Er ist nicht zu einer Rechtfertigung verpflichtet, warum er die Versammlung nicht an einem anderen Ort durchführt, an dem er bei mehr Publikumsverkehr sogar eine größere Öffentlichkeit erreichen könnte. Ebenso wenig muss er sich rechtfertigen, wen er an dem von ihm gewählten Versammlungsort erreichen möchte. […] Das den Grundrechtsträgern durch Art. 8 GG eingeräumte Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt sowie Art und Inhalt der Veranstaltung ist jedoch durch den Schutz der Rechtsgüter Dritter und der Allgemeinheit begrenzt. […] Rechtsgüterkollisionen ist im Rahmen versammlungsrechtlicher Verfügungen etwa durch Auflagen oder Modifikationen der Durchführung der Versammlung Rechnung zu tragen. Jura Intensiv Anders als das Verwaltungsgericht geht der beschließende Senat davon aus, dass grundsätzlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Frauen, die eine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle aufsuchen, die räumliche Beschränkung einer Versammlung von Abtreibungsgegnern nach § 15 Abs. 1 VersG zum Schutz der öffentlichen Sicherheit rechtfertigen kann. […] Zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehört auch der Schutz der Privatsphäre. […] In thematischer Hinsicht betrifft er insbesondere solche Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, […]. Fehlte es hier an einem Schutz vor der Kenntniserlangung anderer, wären die Auseinandersetzung mit sich selbst, die unbefangene Kommunikation unter Nahestehenden, die sexuelle Entfaltung oder die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe beeinträchtigt oder unmöglich, obwohl es sich um Verlegung der Versammlung rechtswidrig Typisch für Rechtsmittelentscheidungen: Die gerichtlichen Erörterungen beschränken sich auf die umstrittenen Rechtsfragen. Inhalt der Versammlungsfreiheit Subsumtion Eingriff in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit (+) Schranke Hier ist in einer Klausur auf den Gesetzesvorbehalt des Art. 8 II GG hinzuweisen. Abweichung von erstinstanzlicher Entscheidung Hier wird erst die EGL genannt. In einer Klausur gehört sie an den Anfang der Rechtmäßigkeitsprüfung. Kollidierendes Grundrecht Dritter: APR der betroffenen Frauen, konkret der Schutz ihrer Privatsphäre. Schutzbereich des APR © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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