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RA Digital - 06/2022

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282 Zivilrecht

282 Zivilrecht RA 06/2022 In den zugrundeliegenden Urteilen des LG und des OLG ist nur von einem „Vertrag“ die Rede, der B zur Rückübertragung verpflichten könnte, ohne dass dieser näher bezeichnet wird, auch wenn ein Vergleich hier nahe liegt. Solche Rechtsfragen werden in der Praxis nicht selten mit der Formulierung offen gelassen, eine Antwort „könne dahinstehen“, wenn der Anspruch aus einem anderen Grunde nicht besteht. Dies ist hier wegen der Formnichtigkeit der Fall. Diese Einschränkung des Festhaltens an der Formstrenge nach Treu und Glauben ist examensrelevant. Es fehlt schon deshalb an der Untragbarkeit, weil die Investitionen der K ihr Vermögen steigern. Entscheidend: Beide Parteien kannten die Formbedürftigkeit. A. Anspruch der K gegen B auf Übereignung des hälftigen Grundstücksanteils aus einem Vergleichsvertrag gem. § 779 BGB gegen Zahlung von 46.000 € K könnte gegen B einen Anspruch auf Übereignung des dem B gehörenden hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück, gegen Zahlung von 46.000 € aus einem Vergleichsvertrag gem. § 779 I BGB haben. Ein solcher Vertrag könnte zwischen den Parteien zur Beilegung eines Streites geschlossen worden sein. Jedoch wäre der Vertrag gem. § 125 S. 1 BGB nichtig, wenn eine gesetzlich vorgeschriebene Formvorschrift missachtet worden wäre. In Betracht kommt hier § 311b I 1 BGB. [35] Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen, bedarf der notariellen Beurkundung (§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB). Ein Verstoß gegen die Formvorschrift führt zur Nichtigkeit (§ 125 Satz 1 BGB). [36] Die Parteien haben unstreitig keinen Notarvertrag geschlossen. Der Beklagte hat die von den Parteien angestrebte notarielle Beurkundung einer Grundstücksübertragung abgelehnt. Der Entwurf des Notars aus Januar 2019 und eine etwaige mündliche Vereinbarung der Parteien genügen nicht. Folglich wurde eine gesetzlich vorgeschriebene Formvorschrift missachtet. Das Berufen auf die Formstrenge könnte hier aber gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB verstoßen. Dies setzt voraus, dass die Formnichtigkeit nicht nur zu einem harten, sondern schlicht untragbaren Ergebnis führen würde. [38] Der Gesetzgeber hat die Form des Rechtsgeschäfts der Disposition der Parteien entzogen, so dass nach der Rechtsprechung besonders strenge Anforderungen an den Grundsatz von Treu und Glauben zu stellen sind. Eine Berufung auf die Formnichtigkeit ist nur ausgeschlossen, wenn die Rechtsfolgen der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts für die betroffene Partei nicht nur hart, sondern schlechthin untragbar sind, etwa bei Existenzvernichtung oder besonders schwerer Treuepflichtverletzung (...). Allerdings ist selbst dann eine Berufung auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn beide Parteien die Formbedürftigkeit des Rechtsgeschäfts kannten (...). [39] Nach diesen Vorgaben kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass der Beklagte sich treuwidrig auf die Formvorschrift beruft. [40] Sie hat nicht aufgezeigt, dass die Nichtigkeit der Vereinbarung für sie schlechthin untragbar ist. Etwaige von ihr getätigte Investitionen in das Grundstück - selbst im großen Umfang - genügen hierfür nicht. Die Investitionen beruhen auf einem eigenen Entschluss der Klägerin nach der Trennung. Außerdem ist sie ebenso wie der Beklagte hälftige Miteigentümerin des Grundstücks und nutzt das inzwischen fertiggestellte Einfamilienhaus alleine. Sie profitiert daher unmittelbar selbst von ihren Aufwendungen. [41] Ungeachtet dessen ist die Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen. Beide Parteien kannten die Formbedürftigkeit der Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück. (...). Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2022 Zivilrecht 283 Folglich ist der Vertrag gem. §§ 125 S. 1, 311b I 1 BGB formnichtig. Also besteht kein Anspruch der K gegen B aus einem Vergleichsvertrag auf Übertragung des Grundstücksanteils. B. Anspruch der K gegen B auf Übertragung des Grundstücksanteils aus § 730 BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Übertragung des hälftigen Grundstücksanteils aus der Auseinandersetzung einer aufgelösten BGB-Gesellschaft gem. § 730 BGB haben. Dann müssten K und B eine BGB-Gesellschaft gem. § 705 BGB gegründet haben. Dies setzt den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages voraus. [43] Die Parteien haben keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet, weil sie keinen (konkludenten) Gesellschaftsvertrag i.S.v. § 705 BGB „zur Errichtung eines Einfamilienhauses“ geschlossen haben. [44] Nach dem Vortrag der Klägerin sind die Parteien „im Hinblick auf die zukünftige Lebensgestaltung“ übereingekommen, „gemeinsam ein Baugrundstück zu erwerben und hierauf ein Einfamilienhaus zu errichten, das zukünftig gemeinsam bewohnt werden sollte“ (...). Verfolgen die Partner - wie hier - einen Zweck, der nicht über die Verwirklichung der Beziehung hinausgeht, bestehen grundsätzlich Zweifel an dem für einen Gesellschaftsvertrag erforderlichen Rechtsbindungswillen. Davon abgesehen bestand kein Bedürfnis für eine gesellschaftsvertragliche Regelung. Beide Parteien gingen davon aus, alle Kosten hälftig aufzuteilen. Dementsprechend haben sie Verträge abgeschlossen, wonach sie die Kosten für das Grundstück (Darlehensvertrag zwischen den Parteien) und die Investitionen für das Einfamilienhaus (Darlehensvertrag mit der Xbank) jeweils zur Hälfte tragen. Darin liegen eigenständige Vereinbarungen, die der Annahme eines schlüssigen Zustandekommens eines Gesellschaftsvertrages entgegenstehen (). [45] Zudem ist eine mündliche Vereinbarung über die Auseinandersetzung einer Gesellschaft, mit der ein hälftiger Miteigentumsanteils an einem Grundstück übertragen werden soll, formnichtig, weil das Formerfordernis des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB auch für Auseinandersetzungsvereinbarungen zwischen Gesellschaftern gilt (..). Mangels Vorliegens eines Gesellschaftsvertrages kommt ein Anspruch aus der Vornahme einer Auseinandersetzung einer solchen Gesellschaft gem. § 730 BGB nicht in Betracht. Jura Intensiv C. Anspruch auf Vertragsanpassung gem. § 313 I BGB Fraglich ist, ob B gegenüber K einen Anspruch auf Vertragsanpassung wegen einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 I BGB hat. [47] Zwar kommen nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wegen wesentlicher Beiträge eines Partners, mit denen ein Vermögenswert von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung geschaffen wurde, Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. BGB) und nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht (...). Das kann etwa der Fall sein, wenn die Partner Miteigentümer einer Immobilie je zur Hälfte sind, der eine aber erheblich höhere Beiträge hierzu geleistet hat als der andere (...). Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen eines Vertrages. Ein solcher kann Abschluss eines GbR-Vertrages Das OLG Hamm erkennt keinen Abschluss eines GbR-Vertrages. Kein Bedürfnis für einen GbR-Vertrag Grundlegende Entscheidungen: BGH, Urteile vom 09.07.2008, XII ZR 39/06 = RA 09/2008, 574 und vom 09.07.2008, XII ZR 179/05 Auch hier würde die Formstrenge gelten. Grundlegende Entscheidung: BGH, Urteil vom 09.07.2008, XII ZR 39/06 = RA 09/2008, 574 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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