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RA Digital - 06/2022

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284 Zivilrecht

284 Zivilrecht RA 06/2022 Gericht verneint familienrechtlichen Kooperationsvertrag sui generis Gericht verneint nichteheliche Lebensgemeinschaft Gericht verneint eine gemeinschaftsbezogene Zuwendung Vertragsschluss und Auszahlung der Darlehenssumme Fälligkeit Verrechnungsabrede in einem familienrechtlichen Kooperationsvertrag sui generis bestehen, wenn innerhalb einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gemeinschaftsbezogene Zuwendungen getätigt wurden, deren Wert das alltägliche Maß erheblich überschreiten. Dies ist hier aber zweifelhaft. [49] Die Klägerin hat nicht hinreichend dargetan, dass die Parteien vor ihrer Trennung eine nichteheliche Lebensgemeinschaft führten. Sie ist den substantiierten Ausführungen des Beklagten in der Berufungserwiderung, wonach dies nicht der Fall war (keine häusliche Gemeinschaft, keine Wirtschaftsgemeinschaft, keine gemeinsame Lebensführung, keine Kinder, kein gemeinsames Konto, Integration im jeweiligen Elternhaus, nur gelegentliche Kontakte beim Hobby), nicht entgegengetreten (...§ 138 Abs. 3 ZPO). [50] Außerdem hat die Klägerin dem Beklagten keine „gemeinschaftsbezogene“ Zuwendung gemacht. Der Beklagte hat seinen hälftigen Miteigentumsanteil am Grundstück selbst erworben. Die Investitionen der Klägerin in das gemeinsame Grundstück erfolgten nach Beendigung der Beziehung. Sie dienten nicht der Verwirklichung einer Lebensgemeinschaft. Ohnehin kann eine Zuwendung der Klägerin an den Beklagten nicht angenommen werden, soweit sie die Investitionen in das Grundstück mit dem Bankdarlehen finanziert hat, das die Parteien gemeinsam aufgenommen haben. Insoweit liegt keine einseitige Zuwendung, sondern eine gemeinsame Aufwendung vor. Folglich kommt ein Anspruch auf Vertragsanpassung gem. § 313 I BGB nicht in Betracht. D. Anspruch des B gegen K auf Rückzahlung des Darlehens gem. § 488 I 2 BGB B könnte gegen K einen Anspruch auf Rückzahlung des Geldbetrages in Höhe von 46.000 € aus § 488 I 2 BGB haben. Dies setzt zunächst voraus, dass zwischen B und K ein Darlehensvertrag über diese Summe zustande gekommen ist, der Darlehensbetrag ausgezahlt wurde und der Rückzahlungsanspruch fällig ist. Jura Intensiv [54] Die Parteien schlossen unstreitig einen unbefristeten Darlehensvertrag. Der Beklagte valutierte das Darlehen in voller Höhe, in dem er den Kaufpreis für das Grundstück beglich. [55] Der Rückzahlungsanspruch ist fällig. [56] Der Beklagte kündigte das Darlehen mit anwaltlichem Schreiben vom 02.04.2019. Die Fälligkeit trat drei Monate nach der Kündigung ein (§ 488 Abs. 3 Satz 2 BGB). [57] Der Fälligkeit steht eine etwaige ursprüngliche Vereinbarung der Parteien, dass die Klägerin das Darlehen “durch Zahlung von Bauhandwerkerrechnungen und Leistungen der Klägerin zwecks Errichtung des Einfamilienhauses” verrechnen durfte, nicht entgegen. [58] Eine solche Vereinbarung hat nach der Trennung der Parteien keine Gültigkeit mehr, weil sich die Geschäftsgrundlage für eine solche Verrechnungsabrede - die gemeinsame Errichtung eines Einfamilienhauses - schwerwiegend verändert hat und die Parteien eine solche Vereinbarung nicht getroffen hätten, wenn sie das Scheitern der Beziehung vorausgesehen hätten (§ 313 Abs. 1 BGB). Die Parteien hätten für den Fall der Trennung vor Abschluss des Bauvorhabens die Rückzahlung des Darlehens nach den allgemeinen Vorschriften zum Darlehensvertrag (§§ 488 ff. BGB) vorgesehen, weshalb eine entsprechende Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 06/2022 Zivilrecht 285 Anpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage angezeigt ist. Jedenfalls ist eine etwaige ursprüngliche Verrechnungsabrede durch die Kündigung des Klägers aufgelöst worden (§ 313 Abs. 3 BGB). [59] Der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs steht auch eine etwaige nachträgliche mündliche Vereinbarung der Parteien, dass der Rückzahlungsanspruch erst nach Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils des Beklagten am Grundstück an die Klägerin fällig sein soll, nicht entgegen. [60] Eine solche Vereinbarung ist mangels notarieller Beurkundung nach §§ 311b Abs. 1 Satz 1, 125 Satz 1 BGB formnichtig. Bei gemischten Verträgen (Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück und Darlehensrückzahlung) erstreckt sich der Formzwang auf den gesamten Vertrag, sofern dieser rechtlich eine Einheit bildet (...). Das ist der Fall, wenn die Vereinbarungen nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander “stehen und fallen” sollen (...). Von einer solchen rechtlichen Einheit ist hier auszugehen, weil die Parteien die Rückzahlung des vom Beklagten gewährten Darlehens von der Übertragung seines Miteigentumsanteils am Grundstück abhängig machen wollten. Das ergibt sich ausdrücklich aus § 7 des notariellen Entwurfs aus Januar 2019. Beide Vereinbarungen sollten also nur zusammen gelten, so dass der gemischte Vertrag insgesamt dem Formerfordernis des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechen musste. Fraglich ist aber, ob der Rückzahlungsanspruch aufgrund einer Verrechnung mit einem Aufwendungserstattungsanspruch der K wegen der Bauhandwerkerrechnungen erloschen ist. [62] Eine Verrechnung des Rückzahlungsanspruchs in Höhe von Bauhandwerkerrechnungen, welche die Klägerin zur Errichtung des Wohnhauses beglichen hat, oder mit Eigenleistungen, die sie hierfür erbracht hat, scheidet aus, weil nach der Trennung der Parteien die Geschäftsgrundlage für eine solche Vereinbarung entfallen ist (s.o.). Jura Intensiv E. Ergebnis B hat keinen Anspruch gegen K auf Übertragung dessen hälftigen Grundstücksanteil. K hat gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens in Höhe von 46.000 €. Wegfall der Geschäftsgrundlage der Verrechnungsabrede wegen Scheiterns der Beziehung Keine Einrede eines Anspruchs auf Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils Die Formstrenge des § 311b I 1 BGB würde auch eine solche Abrede ergreifen, wenn sie denn getroffen worden wäre. Jedoch kam es nie zum Beurkundungstermin beim Notar, weshalb Formnichtigkeit gem. § 125 S. 1 BGB vorliegt. FAZIT Alle Haupt- und Nebenabreden eines Vertrages, der der notariellen Beurkundung unterliegt, sind nur gültig, wenn sie gem. § 128 BGB auch beurkundet worden sind. Auch dieser Verrechnungsabrede wurde die Geschäftsgrundlage entzogen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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