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RA Digital - 07/2016

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344 Zivilrecht

344 Zivilrecht RA 07/2016 Problem: Kosten eines Zahnimplantats als vermehrte Bedürfnisse Einordnung: Schadensrecht OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.05.2016 17 U 122/14 LEITSATZ Zur Frage, ob die Kosten eines Zahnimplantats nach einer Frontzahn- Verletzung als unfallbedingte vermehrte Bedürfnisse zu ersetzten sind, wenn der Zahn zwischenzeitlich als Stiftzahn versorgt worden war und später entzündungsbedingt entfernt werden musste. EINLEITUNG Wird der Verletzte eines Verkehrsunfalls dauernd in seinem körperlichen Wohlbefinden beeinträchtigt, besteht nach § 843 I BGB ein Anspruch auf Erstattung der Kosten seiner vermehrten Bedürfnisse. Hierunter fallen alle unfallbedingten, ständig wiederkehrenden Mehraufwendungen, die nicht der Wiederherstellung der Gesundheit dienen. Diese Kosten sind grundsätzlich als Rente zu leisten und gem. § 760 II BGB für drei Monate im Voraus zu entrichten. SACHVERHALT Am 10.10.1998 verursacht D mit seinem Kfz einen Verkehrsunfall, indem er dem Kläger (K) aus Unachtsamkeit hinten auffährt. D ist Versicherungsnehmer der beklagten Haftpflichtversicherung (B). Bei dem Unfall erleidet K eine Verletzung des Frontzahns Nr. 21. Sein Zahnarzt versorgt den geschädigten Zahn, indem er in der Zahnwurzel einen Stift verankert und darauf eine Krone aus keramischem Material aufbaut. Im September 2003 vereinbaren die Parteien in einer sog. „Teil-Abfindungserklärung“, dass im Wege des Vergleichs alle Ansprüche aus dem Unfallereignis gegen Zahlung von 25.000 € mit Ausnahme „zukünftiger unfallbedingter vermehrter Bedürfnisse“ abgegolten sein sollen. Mit Schreiben vom 22.05.2012 teilt K der B mit, dass sich der Stiftzahn gelöst habe und die entstandene Lücke versorgt werden müsse. Gleichzeitig bittet er um eine Kostenübernahmebestätigung bis zum 01.06.2012 i.H.v. 5.849,43 €. Dies weist B mit Schreiben vom 14.06.2012 zurück. K hingegen führt an, dass sich die Zahnwurzel des geschädigten Zahns infolge der unfallbedingten Versorgung entzündet habe. Die Versorgung mit einem Zahnimplantat sei dringend erforderlich. Er könne nicht auf eine konventionelle prothetische Brückenversorgung oder herausnehmbaren Zahnersatz verwiesen werden. Bei einem Implantat sei die Resistenz gegenüber Druckbelastung deutlich höher. Zudem müsse durch das Schleifen der Nachbarzähne zur Fixierung einer Brücke keine gesunde Zahnsubstanz geopfert werden. Deshalb spräche sich auch die Leitlinie der DGZMK „Festsitzender Zahnersatz für zahnbegrenzte Lücken“ für eine Implantatversorgung aus. Schließlich handle es sich dabei auch um unfallbedingte vermehrte Bedürfnisse, so dass die Kosten nicht von der Abgeltungsklausel ausgenommen seien. Zu Recht? Jura Intensiv PRÜFUNGSSCHEMA A. Anspruch des K gegen B aus § 823 I BGB i.V.m. §§ 115 I Nr. 1 VVG, 1 PflVG I. Haftpflichtversicherungsvertrag II. Anspruch des Dritten gegen den Versicherungsnehmer 1. Tatbestand 2. Rechtsfolge III. Haftung der Haftpflichtversicherung B. Ergebnis Inhaltsverzeichnis

RA 07/2016 Zivilrecht 345 LÖSUNG A. Anspruch des K gegen B aus § 823 I BGB i.V.m. §§ 115 I Nr. 1 VVG, 1 PflVG K könnte gegen B einen Anspruch auf Kostenübernahme i.H.v. 5.849,43 € für ein Zahnimplantat gem. § 823 I BGB i.V.m. §§ 115 I Nr. 1 VVG, 1 PflVG haben. I. Haftpflichtversicherungsvertrag D ist bei B haftpflichtversichert. Die Kfz-Haftpflichtversicherung für Halter, Eigentümer und Fahrer ist nach § 1 PflVG obligatorisch. Nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG kann der Geschädigte seine Ansprüche deshalb auch gegen die Versicherung geltend machen. Kfz-Haftpflichtversicherung § 1 PflVG obligatorisch gem. II. Anspruch des Dritten gegen den Versicherungsnehmer Weiterhin müsste K gegen den Versicherungsnehmer D ein Schadensersatzanspruch aus der Fahrzeugkollision vom 10.10.1998 zustehen. In Betracht kommt hier ein Anspruch aus § 823 I BGB. 1. Tatbestand Der Frontzahn Nr. 21 des K ist beschädigt worden, sodass eine Rechtsgutverletzung von Körper und Gesundheit vorliegt. D ist dem K hinten auf das Auto aufgefahren. Diese Handlung kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass die Rechtsgutverletzung des K entfiele (sog. haftungsbegründende Kausalität). Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des D wird vermutet. D war im Moment des Auffahrens unachtsam und hat damit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Er handelte fahrlässig. 2. Rechtsfolge Damit steht K gegen D dem Grunde nach der Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB zu. III. Haftung der Haftpflichtversicherung Mithin steht K gem. § 823 I BGB i.V.m. §§ 115 I Nr. 1 VVG, 1 PflVG auch gegen B ein Ersatzanspruch der adäquat kausal auf dem Unfall basierenden Schäden i.S.d. §§ 249 ff. BGB zu. Zudem kann er gem. § 843 I BGB im Falle einer Vermehrung seiner Bedürfnisse Entrichtung einer Geldrente verlangen. Jura Intensiv „[31] Es liegt ein unfallbedingter Zahnschaden in Form des Verlusts des Frontzahns Nr. 21 vor. Bei dem neuen Implantat könnte es sich um ersatzfähige vermehrte Bedürfnisse i.S.d. § 843 I BGB handeln.“ Inzidentprüfung des Schadensersatzanspruchs gem. § 823 I BGB gegen den Versicherungsnehmer Überleitung der Haftung gem. § 115 I Nr. 1 VVG auf der Versicherer Zu prüfen ist jedoch, ob der Haftung die am 26.06.2003 zwischen K und B geschlossene Teil-Abfindungserklärung entgegensteht. „[32] Dem steht auch nicht die Teil-Abfindungserklärung vom 26.09.2003 entgegen, mit der die Parteien alle Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis abgegolten haben. Insoweit haben die Parteien von dieser vergleichsweisen Regelung nämlich ausdrücklich „zukünftige unfallbedingte vermehrte Bedürfnisse“ ausgenommen. Kein Ausschluss der Haftung aufgrund der Teil-Abfindungserklärung [33] Dabei ist das Landgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, was unter dem Begriff der „vermehrten Bedürfnisse“ i.S.v. § 843 Abs. 1 BGB zu verstehen ist. Inhaltsverzeichnis

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