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RA Digital - 07/2016

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346 Zivilrecht

346 Zivilrecht RA 07/2016 Definition der vermehrten Bedürfnisse i.S.d. § 843 I BGB Die geplante zahnprothetische Behandlung ist nicht nur bloße Heilbehandlung, sondern dient der langfristigen Linderung der Leiden des K. Verweisung auf eine konventionelle Brückenversorgung oder herausnehmbarer Zahnersatz nicht zulässig [34] Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs umfasst der Begriff der Vermehrung der Bedürfnisse alle schädigungsbedingten ständigen, demnach immer wiederkehrenden Aufwendungen, die den Zweck haben, diejenigen Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten infolge dauernder Beeinträchtigung seines körperlichen Wohlbefindens entstehen. Es muss sich grundsätzlich um Mehraufwendungen handeln, die dauernd und regelmäßig erforderlich sind, zudem nicht, wie etwa Heilungskosten, der Wiederherstellung der Gesundheit dienen. Einmalige Aufwendungen fallen allerdings dann auch hierunter, wenn durch sie das vermehrte - dauerhaft bestehende - Bedürfnis für die Zukunft in ausreichendem Maße auf Dauer befriedigt werden kann. [35] Anders als es das Landgericht meint, stellen die Kosten, die der Kläger für die geplante zahnprothetische Versorgung aufwenden muss, derartige unfallbedingte Mehraufwendungen dar. Es geht hier nicht um eine Heilbehandlung der Zahnwurzelentzündung. Diese ist durch das Entfernen der Zahnwurzel bereits behoben. Vielmehr geht es darum, dass der Kläger seinen Zahn, der zunächst noch durch Einbringung eines Stiftzahns - nicht vital - erhalten werden konnte, aufgrund von Umständen, die aus dem unfallbedingten Zahntrauma resultieren, verloren hat und nunmehr die entstandene Zahnlücke im Frontzahnbereich, die ihn optisch und funktional beeinträchtigt, mit einem Zahnersatz versorgt werden muss. Es handelt sich um Mehrausgaben für eine Behandlung, die nicht der Heilung (d.h. der Wiederherstellung des ursprünglichen Zahns), sondern der langfristigen Linderung der Leiden des Geschädigten durch einen (Zahn-) Ersatz dient. [36] Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall nicht wesentlich von solchen, in denen ein Hilfsmittel wie ein Rollstuhl oder eine Körperprothese ausgetauscht werden muss. [37] Dabei kann der Kläger die Kosten für die Versorgung mit einem Zahnimplantat erstattet verlangen und ist angesichts der Vorteile dieser Maßnahme nicht auf eine auch in Betracht kommende konventionelle prothetische Brückenversorgung oder gar einen herausnehmbaren Zahnersatz zu verweisen. Bei der Versorgung mit einem Implantat ist die Resistenz gegenüber Druckbelastung deutlich höher; auch muss für sie etwa durch Beschleifen der Nachbarzähne zur Fixierung einer Brücke keine gesunde Zahnsubstanz geopfert werden. Hierauf hat auch der Sachverständige auch hingewiesen, weshalb nach der Leitlinie der DGZMK „Festsitzender Zahnersatz für zahnbegrenzte Lücken“ die Implantatversorgung die zahnmedizinische Versorgung der Wahl ist, zumal bei einem Abschleifen der Nachbarzähne auch die Gefahr bestehe, dass diese ein Schleiftrauma und Entzündungen der Zahnpulpa erleiden.“ Jura Intensiv B. Ergebnis K steht gegen B ein Anspruch auf Kostenübernahme i.H.v. 5.849,43 € für das Zahnimplantat aus § 823 I BGB i.V.m. §§ 115 I Nr. 1 VVG, 1 PflVG zu. FAZIT Der Fall setzt Grundkenntnisse des Deliktsrechts voraus, ferner sollte aus § 115 VVG folgende Haftungsüberleitung auf den Versicherer bekannt sein. § 843 I BGB ist eine Norm des Schadensrechts, die nicht sehr häufig Thema im Examen ist. Die hier besprochene Entscheidung ist allerdings prädistiniert, um Teilaspekt einer Examensklausur zu werden. Inhaltsverzeichnis

RA 07/2016 Zivilrecht 347 Problem: Individualabrede geht qualifizierter Schriftformklausel vor Einordnung: Mietrecht KG Berlin, Urteil vom 19.05.2016 8 U 207/15 EINLEITUNG Schriftformklauseln bestimmen, dass Änderungen des betreffenden Mietvertrages nur in schriftlicher Form erfolgen dürfen. Die einfache Schriftformklausel lautet daher i.d.R. „Nachträgliche Ergänzungen und Änderungen dieses Mietvertrages bedürfen der Schriftform“. Zu beachten ist jedoch, dass der Gesetzgeber individuellen Abreden den Vorrang vor allen in einem vorformulierten Mietvertrag enthaltenen Vereinbarungen eingeräumt (§ 305b BGB) hat. Den Parteien eines Mietvertrages bleibt daher die Möglichkeit, sich darüber zu verständigen, dass die Schriftformklausel (beispielsweise auch nur in einem Einzelfall) nicht gelten soll. Um auch dieses vermeidliche „Schlupfloch“ auszuschließen, wurde die „qualifizierte Schriftformklausel“ entwickelt. Sie lautet: „Nachträgliche Ergänzungen und Änderungen dieses Mietvertrages sowie ein Abweichen von dieser Formvorschrift bedürfen der Schriftform. Mündliche Nebenabreden sind nicht getroffen.“ Inzwischen sehen Gerichte solche Schriftformklauseln in Wohnraummietverträgen als unwirksam an. In anderen Mietverträgen, insbesondere Gewerbemietverträgen hat sich der BGH dagegen bisher nicht gegen die Wirksamkeit einer Schriftformklausel ausgesprochen. Mit ebendieser Problematik musste sich das KG Berlin in der vorliegenden Entscheidung auseinandersetzen. SACHVERHALT (LEICHT ABGEWANDELT) Die M-AG ist Eigentümerin großer Gewerberaumflächen in Berlin. Am 03.12.2005 schließt sie mit Y einen schriftlichen Mietvertrag über eine Teilfläche von 400 m² zum Mietzweck “Lagerung und Verkauf von Stoffen und Kurzwaren”. Mit weiterem Mietvertrag vom 09.05.2006 mietet Y eine Teilfläche von 1.200 m² an, wobei in § 1 Ziffer 1.3 als Mietzweck “Lagerung und Verkauf von Stoffen und Kurzwaren, Textilien und Baumaschinen” angegeben wird. Beide Verträge enthalten in § 21 Nr. 7 eine qualifizierte Schriftformklausel, wonach auch die Änderung der Schriftformklausel der Schriftform bedarf. Darüber hinaus sieht § 1 Ziffer 1.3 der Mietverträge vor, dass Änderungen des Nutzungszwecks der Zustimmung des Vermieters bedürfen. Mit Schreiben vom 25.07.2006 bestätigt die M-AG, dass Y auch das “Lagern handelsüblicher Waren” in den angemieteten Räumen gestattet werde. Zum 01.01.2007 übernimmt der Beklagte (B) die Mietverträge des Y. Mit Schreiben vom 18.07.2007 weist ihn die M-AG darauf hin, dass “der Bereich des Getränkeausschankes nun den hinteren Eingang des ehemaligen Güterschuppens als Verkaufsfläche (nutzt)” und regt ihn an, zusätzliche Flächen anzumieten. Im Jahr 2015 erwirbt die Klägerin (K) die Gewerberäume. Als sie erfährt, dass B darin einen Getränkehandel betreibt, kündigt sie ihm am 09.02.2015 fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächsten zulässigen Zeitpunkt. Es sei ihr nicht zumutbar, den Vertrag auch nur einen Tag länger fortzusetzen. Dagegen wendet K ein, er habe auf die Einverständniserklärung vertrauen dürfen. Zudem habe er am 04.11.2014 mit der M-AG einen Nachtrag zum Mietvertrag vereinbart. Danach soll er bis zum 31.12.2016 befristet sein. K erwidert, die Änderungen der Jura Intensiv LEITSÄTZE 1. Der Vorrang der Individualabrede gemäß § 305b BGB greift auch gegenüber einer in einem Formularmietvertrag über ein langfristiges Gewerberaummietverhältnis enthaltenen qualifizierten Schriftformklausel, wonach auch die Änderung der Schriftformklausel der Schriftform bedarf. 2. Bei Vereinbarung einer solchen Klausel in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung durch den Vermieter kann sich jedenfalls der Erwerber auf § 305b BGB berufen. Es ist mit § 550 BGB nicht vereinbar, wenn der Erwerber an eine mündliche Vertragsänderung und zugleich auch an die Befristung des Mietvertrages gebunden wäre. Inhaltsverzeichnis

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