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RA Digital - 07/2016

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372 Öffentliches Recht

372 Öffentliches Recht RA 07/2016 Das VG tauscht die EGL aus, ohne dies zu problematisieren (wohl weil die Voraussetzungen des § 31 III HSOG ohnehin nicht erfüllt sind). In einer Klausur müsste die Zulässigkeit eines Austauschs der EGL aber in jedem Fall erörtert werden. Das kann in einer Klausur natürlich nicht unbeantwortet bleiben. Vgl. VGH Kassel, Urteil vom 10.4.2014, 8 A 2421/11 Der Magistrat ist in Hessen die Behörde einer Stadt und besteht aus dem BM sowie den Beigeordneten, § 65 I HGO. Zum Prüfungsaufbau: Die Verankerung des Bestimmtheitsgebots für VA in § 37 I VwVfG spricht dafür, es i.R.d. formellen Rechtmäßigkeit zu prüfen. Andererseits kann man das Bestimmtheitsgebot wegen seiner verfassungsrechtlichen Verankerung im Rechtsstaatsprinzip auch als materiell-rechtliche Vorgabe begreifen und folglich erst in der materiellen Rechtmäßigkeit prüfen. Generalklausel des § 11 HSOG im Wege der Subsidiarität hinter die in der Spezialregelung geregelten Befugnisse zurück. Die spezielle Regelung darf nicht über die Generalklausel des § 11 HSOG ausgeweitet werden. Der Erlass eines Aufenthaltsverbotes kommt deshalb nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen von § 31 HSOG erfüllt sind. [10] […] Es kann dahinstehen, ob die Ermächtigung in § 31 Abs. 3 HSOG grundsätzlich einer Allgemeinverfügung zugänglich ist. Zweifel bestehen deshalb, weil die Regelung Aufenthaltsverbote nur für den Einzelfall vorsieht und sie als Maßnahme gegenüber einer größeren Personengruppe kaum geeignet sein dürfte. So liegt der Fall auch hier. Bei dem gegenüber den Eintracht-Fans ausgesprochenen Aufenthaltsverbot bereitet es bereits Schwierigkeiten, den betroffenen Adressatenkreis abzugrenzen. […]“ II. Formelle Rechtmäßigkeit des Aufenthaltsverbots Das Aufenthaltsverbot muss formell rechtmäßig sein. Mit dem Magistrat der Stadt Darmstadt hat die zuständige Behörde gehandelt. Von der Anhörung darf bei einer Allgemeinverfügung gem. § 28 II Nr. 4 HVwVfG abgesehen werden. Fraglich ist jedoch, ob die Allgemeinverfügung den Formerfordernissen, namentlich dem Bestimmtheitsgebot genügt. „[12] Nicht eindeutig erkennbar ist, ob mit der Verfügung alle Eintracht-Fans angesprochen werden und der Zusatz in der Klammer nur ein Hinweis zur Identifizierung solcher Fans darstellt oder ob von vornherein nur solche Anhänger betroffen sein sollen, die in der beschriebenen Form nach außen hin erkennbar sind. Aus der Antragserwiderung ergibt sich, dass die Verfügung im letzteren Sinne zu verstehen sein soll. Nach der Formulierung der Verfügung ist es aber nicht ausgeschlossen, dass sich alle Fans von Eintracht Frankfurt angesprochen fühlen, auch wenn sie ihre Faneigenschaft nicht nach außen zur Schau stellen. Das Tragen von Fanbekleidung und das Skandieren von Parolen mögen noch geeignete Kriterien sein, den betroffenen Adressatenkreis der Verfügung hinreichend deutlich abzugrenzen. Was jedoch mit „sonstigem Auftreten“ gemeint ist, bleibt offen.“ Jura Intensiv Demnach genügt die Allgemeinverfügung nicht dem Bestimmtheitsgebot und ist somit formell rechtswidrig. III. Materielle Rechtmäßigkeit des Aufenthaltsverbots Darüber hinaus könnte das Aufenthaltsverbot auch materiell rechtswidrig sein. Das ist der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 31 III HSOG - unterstellt, die Norm legitimiert auch den Erlass von Allgemeinverfügungen - nicht vorliegen. 1. Tatbestand „[13] […] Die Vorschrift gestattet den Erlass eines Aufenthaltsverbots, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Betroffene in dem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat begehen wird. Erforderlich Inhaltsverzeichnis

RA 07/2016 Öffentliches Recht 373 ist das Vorliegen konkreter nachprüfbarer Tatsachen, aufgrund derer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Prognose getroffen werden kann, dass der Adressat der Verfügung eine Straftat begehen wird. Diese Voraussetzungen gelten auch für eine Allgemeinverfügung. Solche Tatsachen sind vorliegend nicht ersichtlich und werden von der Antragsgegnerin in Bezug auf alle Adressaten der Allgemeinverfügung auch nicht behauptet. Denn nicht jeder, der Fankleidung trägt, kann dem Kreis potentieller Straftäter zugerechnet werden. Sicherlich gibt es einige gewaltbereite sogenannte „Problemfans“, bei denen von der Begehung von Straftaten oder sonstiger Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgegangen werden kann. Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sämtliche Eintracht-Anhänger per se gewaltbereit sind, und auch speziell für den Antragsteller ist dies nicht belegt.“ 2. Rechtsfolge Weiterhin könnte auch das durch § 31 III HSOG als Rechtsfolge eröffnete behördliche Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden sein. In Betracht kommt eine Ermessensüberschreitung durch Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. „[14] […] verkennt die beschließende Kammer nicht, dass die Antragsgegnerin mit der Allgemeinverfügung einen legitimen Zweck verfolgt. Sie möchte dadurch die Begehung von Straftaten bzw. Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verhindern, die anlässlich des Fußballbundesligaspiels zwischen dem SV Darmstadt 98 und Eintracht Frankfurt am 30.04.2016 in Darmstadt nicht auszuschließen sind. Es mag auch zutreffen, dass eine größere Anzahl von Eintracht-Fans trotz des Stadionausschlusses nach Darmstadt anreisen wird. Wegen der bereits zahlreich registrierten Ausschreitungen in der Vergangenheit spricht zudem vieles dafür, dass es auch an diesem Spieltag erneut zu Gewalttätigkeiten und Rechtsgutverletzungen durch sogenannte „Problemfans“ kommen wird. Das ausgesprochene Aufenthaltsverbot ist jedoch bereits nicht geeignet, den legitimen Zweck der präventiven Gefahrenabwehr zu erreichen. Jura Intensiv [15] Nicht alle Eintracht-Fans werden durch Fanbekleidung, Skandierung von Parolen oder durch sonstiges Auftreten auffallen. Gerade gewaltbereite Fans können das Aufenthaltsverbot umgehen, indem sie ihre Anhängerschaft verbergen und die Fanbekleidung abnehmen. Es erscheint daher sehr zweifelhaft, dass sich gewaltbereite Anhänger durch das Aufenthaltsverbot davon abhalten lassen, anlässlich des Fußballspiels in Darmstadt Straftaten zu begehen oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung in sonstiger Weise zu stören. Außerdem ist eine Verdrängung der befürchteten Ausschreitungen in Stadtgebiete außerhalb des Verbotsbereichs zu befürchten. [17] Bedenken bestehen auch hinsichtlich der Größe des räumlichen Geltungsbereichs des Aufenthaltsverbots. Es handelt sich dabei nicht nur um den Bereich um das Stadion am Böllenfalltor oder den engeren Innenstadtbereich, sondern das Verbot betrifft einen nicht unbeträchtlichen Teil des gesamten Stadtgebiets. Dieser Umfang kann nicht allein damit begründet werden, dass die Orte, an denen sich die Gefahren durch randalierende Fans verwirklichen könnten, noch nicht feststehen. „Nachteil“ einer Allgemeinverfügung: die Voraussetzungen der EGL müssen bei allen Adressaten erfüllt sein. Das ist hier evident nicht der Fall. Nicht jeder Fan ist gewaltbereit. Legitimer Zweck liegt vor Aufenthaltsverbot ist jedoch schon nicht geeignet Unklar, welchem Element der Verhältnismäßigkeit das VG diese Überlegung zuordnet. Zutreffend wäre wohl eine Verortung i.R.d. Angemessenheitsprüfung. Inhaltsverzeichnis

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