384 Strafrecht RA 07/2016 bei Bewusstlosigkeit, schweren Verletzungen oder Fesselung der Fall ist. […] Aus Sicht des Opfers ist es gleichgültig, ob das Dulden der Wegnahme oder die Unmöglichkeit Widerstand zu leisten auf Fesselung, Bewusstlosigkeit oder verletzungsbedingter Wehrlosigkeit beruht. […] [25] Der Finalzusammenhang war daher gegeben. Der Tatbestand des § 249 I StGB setzt auch einen räumlich-zeitlichen Zusammenhang zwischen den beiden Tathandlungen voraus. BGH, Beschluss vom 13.10.2005, 5 StR 366/05, NStZ 2006, 38 [26] c) Über den Finalzusammenhang hinaus müssen Nötigung und Wegnahme aber im Hinblick auf den spezifischen Unrechtsgehalt des Raubes auch in einem bestimmten räumlichen und zeitlichen Verhältnis zueinanderstehen. [27] Dieses neben den Finalzusammenhang tretende eigenständige Merkmal folgt aus der gegenüber einem Diebstahl erhöhten Strafdrohung bei Raub. […] Aus der unrechtssteigernden Funktionalisierung von Nötigungsmitteln für den Eingriff in fremdes Eigentum folgt, dass der subjektiv-final auf ‚Wegnahme mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben‘ gerichtete Tatentschluss sich auch tatsächlich in einer ‚Wegnahme mit Gewalt‘ oder ‚unter Anwendung von Drohungen‘ realisieren muss und die den Raub konstituierenden Elemente der Nötigungshandlung und der Wegnahme eine raubspezifische Einheit bilden. Sie dürfen nicht isoliert nebeneinanderstehen, sondern müssen das typische Tatbild eines Raubes ergeben. Eine solche raubspezifische Einheit von qualifizierter Nötigung und Wegnahme liegt regelmäßig lediglich dann vor, wenn es zu einer – in der Vorstellung des Täters nachvollzogenen – nötigungsbedingten Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gewahrsamsinhabers über das Tatobjekt gekommen ist. [28] Daran könnte es dann fehlen, wenn ein durch die Nötigung hervorgerufenes Verhalten des Opfers nach Abschluss der qualifizierten Nötigungshandlung weder objektiv noch nach der Tätervorstellung ein notwendiges Zwischenziel zur Begründung des Gewahrsams ist. [29] Nicht gefordert für den raubspezifischen Zusammenhang ist, dass der Ort der Nötigungshandlung und der Wegnahmehandlung identisch sind oder ein bestimmtes Maß an zeitlicher oder örtlicher Differenz zwischen Nötigung und Wegnahme nicht überschritten werden darf. Es entscheiden jeweils die Umstände des Einzelfalls.“ Jura Intensiv Dass K aufgrund der vorausgegangenen Gewaltanwendung des A körperlich nicht mehr imstande oder zu verängstigt war, um sein Eigentum zu beschützen, ist nicht ersichtlich. „In dubio pro reo“ fehlt somit der erforderliche räumlichzeitliche Zusammenhang. B. Ergebnis A ist nicht strafbar gem. § 249 I StGB. FAZIT Der vom BGH georderte „räumlich-zeitliche Zusammenhang“ erinnert stark an die Voraussetzungen einer Kausalität zwischen Nötigungsmittel und Wegnahme. Eine solche hatte die Rechtsprechung i.R.v. § 249 I StGB bisher aber gerade nicht gefordert. Inhaltsverzeichnis
RA 07/2016 Strafrecht 385 Problem: § 316a StGB bei haltendem Fahrzeug Einordnung: Vermögensdelikte BGH, Urteil vom 28.04.2016 4 StR 563/15 EINLEITUNG Die vorliegende Entscheidung betrifft neben den Voraussetzungen des Tatbestandes des § 316a I StGB auch Fragen aus dem Themenbereich Täterschaft und Teilnahme. Der BGH führt aus, dass der für eine mittäterschaftliche Begehung erforderliche gemeinsame Tatentschluss sich nicht nur auf diejenigen Handlungen erstreckt, die ausdrücklich geplant waren, sondern auch Handlung, mit denen die Täter rechnen müssen. SACHVERHALT Die Angeklagten F, G und S hatten die Idee, einen Taxifahrer zu überfallen. Sie überlegten, den Taxifahrer abzulenken, wobei die Fahrertür aufgemacht und in der Verwirrung die Geldbörse von G an sich genommen werden sollte. Für den Fall, dass dies nicht möglich wäre, sollte gedroht oder Gewalt angewendet werden. Nachdem S ein Kabel in der Wohnung entdeckt hatte, entschieden die Angeklagten, das Kabel einzusetzen, um den Taxifahrer bewegungsunfähig zu machen. Für den Fall, dass es nicht gelänge, den Fahrer abzulenken, sollte ein Schlagstock, den G in seiner Wohnung hatte, zum Einsatz kommen, um damit zu drohen oder durch einen Schlag zu bewirken, dass der Fahrer die Gesichter der Täter vergisst. Am folgenden Abend begaben sich F, G und S in die Stadt, um ihren Plan ins Werk zu setzen, wobei S das Kabel und F den Schlagstock mit sich führte. Sie suchten eine Spielhalle auf und ließen sich telefonisch ein Taxi bestellen. Als die Nebenklägerin N mit dem von ihr gesteuerten Taxi vorfuhr, setzten sich – entsprechend des zuvor abgesprochenen Tatplans – S auf die Rücksitzbank hinter N, F rechts neben S und G auf den Beifahrersitz. F gab als Fahrtziel die Ortschaft A. Richtung Sportplatz an. In A. angekommen fuhr N durch den Ort hindurch ehe F meinte, sie könne jetzt anhalten. N fuhr anschließend noch eine kleine Steigung in Richtung Sportplatz hoch, um dort das Auto zu wenden. Zu diesem Zweck setzte sie das Taxi auf einem kleinen Schotterstück etwas zurück. In diesem Moment, als sie gerade vorwärts fahren und anhalten wollte, ging alles ganz schnell. S, der schon das Kabel auf seinem Schoß liegen hatte und nervös auf das Zeichen, dass es losgehen solle, wartete, wertete einen Blick des F als Startzeichen, obwohl das Taxi erst im Anhaltevorgang war. Das zuvor verabredete Zeichen, ein Anstoßen von F, wartete er nicht mehr ab. Er legte N das Kabel für sie nicht vorhersehbar um den Hals und zog schnell und fest zu. N, die von dem Angriff völlig überrascht war, versuchte ihre Hände unter das Kabel zu bringen, was ihr auch gelang. F, G und S hatten mit einer solchen Gegenwehr der N nicht gerechnet. Daraufhin stieß F mit der kurzen Seite des Schlagstocks mindestens zweimal kräftig in Richtung des Hinterkopfes der N. Der zweite Stoß traf N rechts am Hinterkopf in Höhe des Ohrs, die daraufhin sofort bewusstlos wurde. Die Strangulation und der Treffer mit dem Schlagstock waren konkret nicht lebensbedrohlich. Da F, G und S nunmehr erkannten, dass die Lage gesichert war, begab sich G zur Fahrertür des Taxis, wo er die Geldbörse der Nebenklägerin mit knapp 300,- € Bargeld an sich nahm und einsteckte. Jura Intensiv LEITSÄTZE (DER REDAKTION) 1. § 316a I StGB setzt voraus, dass bei dem tatbestandlichen Angriff die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt werden, was der Fall ist, wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt des Angriffs in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass er gerade deswegen leichter zum Angriffsobjekt eines Überfalls werden kann. 2. Für das „Ausnutzen“ i.S.v. § 316a I StGB ist subjektiv ausreichend, dass sich der Täter der die Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers einschränkenden besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bewusst ist; nicht erforderlich ist hingegen, dass er eine solche Erleichterung seines Angriffs zur ursächlichen Bedingung seines Handelns macht. 3. Einem Mittäter kann das Handeln eines anderen Mittäters, das über das gemeinsam Gewollte hinausgeht, nicht zugerechnet werden (sog. Exzess); der Wille des Mittäters erfasst jedoch regelmäßig auch Handlungen der anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden musste oder die ihm gleichgültig waren. 4. Sukzessive Mittäterschaft kommt in Betracht, wenn ein Täter in Kenntnis und mit Billigung des bisher Geschehenen in eine bereits begonnene Ausführungshandlung eintritt und er sich mit dem anderen vor Beendigung der Tat zu gemeinschaftlicher weiterer Ausführung verbindet; sein Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass ihm die gesamte Tat zugerechnet werden kann. Inhaltsverzeichnis
WISSEN was geprüft wird Für Studi
RA 07/2016 Editorial EDITORIAL Orig
Laden...
Laden...
Laden...
Follow Us
Facebook
Twitter