Aufrufe
vor 6 Jahren

RA Digital - 07/2016

  • Text
  • Jura
  • Intensiv
  • Inhaltsverzeichnis
  • Beklagten
  • Beklagte
  • Anspruch
  • Versammlung
  • Stgb
  • Zivilrecht
  • Pferd
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

386 Strafrecht

386 Strafrecht RA 07/2016 N erwachte nach ca. sieben Minuten aus der Bewusstlosigkeit und fuhr in die Ortschaft, wo sie mit ihrem Mobiltelefon die Polizei anrief. Haben F, G und S sich durch den Überfall auf N wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Mittäterschaft, §§ 316a I, 25 II StGB, strafbar gemacht? [Anm.: Es ist davon auszugehen, dass der Überfall auch einen Raub gem. § 249 I StGB darstellt.] PRÜFUNGSSCHEMA: RÄUBERISCHER ANGRIFF AUF KRAFTFAHRER IN MITTÄTERSCHAFT, §§ 316a I, 25 II StGB A. Tatbestand I. Verüben eines Angriffs auf Leib, Leben oder Entschlussfreiheit des Opfers II. Opfer ist Führer eines Kraftfahrzeugs oder Mitfahrer III. Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs IV. Mittäterschaft, § 25 II StGB V. Vorsatz Bzgl. I. – IV. VI. Absicht zur Begehung einer Tat gem. §§ 249 I; 252; 255 StGB B. Rechtswidrigkeit und Schuld LÖSUNG Durch den Überfall auf N könnten sich F, G und S wegen mittäterschaftlichen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer gem. §§ 316a I, 25 II StGB strafbar gemacht haben. A. Tatbestand I. Verüben eines Angriffs auf Leib, Leben oder Entschlussfreiheit des Opfers Durch die Gewaltanwendung in Form des Würgens und Schlagens mit dem Schlagstock haben F, G und S einen Angriff auf Leib, Leben und Entschlussfreiheit der N verübt. Jura Intensiv II. Opfer ist Führer eines Kraftfahrzeugs oder Mitfahrer Im Zeitpunkt des Angriffs steuerte N das Taxi, war also Führerin eines Kraftfahrzeugs. III. Ausnutzen des besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs F, G und S müssten auch die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt haben. BGH, Urteil vom 23.04.2015, 4 StR 607/14, NStZ 2015, 653; Beschluss vom 25.09.2007, 4 StR 338/07, NJW 2008, 451 „[12] 1. Die Strafvorschrift des § 316a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass bei dem auf Leib, Leben oder Entschlussfreiheit des Fahrers eines Kraftfahrzeugs verübten Angriff die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt werden. Danach ist erforderlich, dass der tatbestandsmäßige Angriff gegen das Tatopfer als Kraftfahrzeugführer unter Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs begangen wird. In objektiver Hinsicht ist dies der Fall, wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt des Angriffs in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass er gerade deswegen leichter zum Inhaltsverzeichnis

RA 07/2016 Strafrecht 387 Angriffsobjekt eines Überfalls werden kann. Befindet sich das Fahrzeug beim Verüben des Angriffs in Bewegung, liegt diese Voraussetzung regelmäßig vor, weil dem Führer eines sich fortbewegenden Kraftfahrzeugs die Gegenwehr gegen den Angriff infolge der Beanspruchung durch das Lenken des Fahrzeugs wegen der damit verbundenen Konzentration auf die Verkehrslage und die Fahrzeugbedienung erschwert ist. Subjektiv ist ausreichend, dass sich der Täter – entsprechend dem Ausnutzungsbewusstsein bei der Heimtücke nach § 211 Abs. 2 StGB – in tatsächlicher Hinsicht der die Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers einschränkenden besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bewusst ist. Nicht erforderlich ist hingegen, dass er eine solche Erleichterung seines Angriffs zur ursächlichen Bedingung seines Handelns macht. [13] 2. An diesen Maßstäben gemessen halten die Erwägungen, mit denen das Landgericht ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs verneint hat, einer rechtlichen Prüfung nicht stand. [14] Nach den Feststellungen fand der mit dem Kabel geführte Angriff des Angeklagten S. auf die Nebenklägerin zu einem Zeitpunkt statt, als das Taxi noch rollte und die Nebenklägerin infolgedessen mit der Bedienung des Fahrzeugs befasst war. Damit liegen – entgegen der Bedenken des Landgerichts – objektiv die Voraussetzungen für ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs vor, ohne dass es darauf ankommt, dass sich die Tat an einem einsamen Ort ohne weiteres Verkehrsaufkommen ereignete. Soweit die Jugendkammer in subjektiver Hinsicht darauf verweist, dass ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs von den Angeklagten nicht geplant worden sei, stellt sie auf einen unzutreffenden Beurteilungszeitpunkt ab. Denn für die subjektive Tatseite maßgeblich ist nicht ein früherer Tatplan, sondern die konkrete subjektive Vorstellung der Täter bei Ausübung des Angriffs. Schließlich hat die Jugendkammer nicht bedacht, dass für die subjektive Erfüllung des Tatbestandsmerkmals nicht erforderlich ist, dass der Täter sich durch die verkehrsspezifischen Umstände zielgerichtet einen Vorteil für sein Angriffsvorhaben verschaffen will. Es reicht vielmehr aus, dass er die sich aus den besonderen Verhältnissen des Straßenverkehrs ergebenden tatsächlichen Umstände in der Weise erkennt, dass er sich bewusst ist, ein hierdurch in seinen Abwehrmöglichkeiten beeinträchtigtes Tatopfer anzugreifen.“ Jura Intensiv F, G und S haben also die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt. IV. Mittäterschaft, § 25 II StGB F, G und S handelten in arbeitsteiliger Begehung aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses, wobei alle drei die Tatherrschaft innehatten und mit Täterwillen handelten, sodass eine Mittäterschaft i.S.v. § 25 II StGB gegeben ist, über die die einzelnen Tathandlungen gegenseitig zugerechnet werden können. Fraglich ist allerdings, ob dies auch für das Würgen durch S gilt, da dieser vor dem verabredeten Startsignal gehandelt hatte, oder ob insofern ein Mittäterexzess gegeben ist. BGH, Beschluss vom 28.06.2005, 4 StR 299/04, NJW 2005, 2564 Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats